Der in Pirna lebende Künstler Christoph Hampel hat 2002 mit Jugendlichen zusammen eine Gedenkspur aus bunten Kreuzen durch die Stadt Pirna angelegt. Diese Spur führt von der Elbe durch die Altstadt bis zur Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein. Jedes Kreuz erinnert an einen der mindestens 14.751 Menschen, die in der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein während des Nationalsozialismus ermordet wurden. Vor allem als krank und behindert eingestufte Frauen*, Männer* und Kinder waren von MedizinerInnen der
nationalsozialistischen »Aktion T4« als »lebensunwert« vergast worden. Neben diesen Todesopfern wurden im Sommer 1941 auch politische und jüdische Häftlinge in Pirna-Sonnenstein ermordet.
Mit der Zeit verblassen die Kreuze und müssen regelmäßig erneuert werden. So symbolisiert die Spur, dass das Engagement gegen das Vergessen eine dauerhafte Aufgabe bleibt.
Das Wort »Euthanasie« kommt aus dem Griechischen und bedeutet eigentlich »leichter, schöner Tod ohne Einwirkung von außen«. Die NationalsozialistInnen nutzten diesen Begriff, um den Mord an Menschen mit einer vermeintlich geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung zu beschönigen. Das Leben dieser Menschen galt als »lebensunwert«, weil sie nicht dem nationalsozialistischen Ideal eines gesunden Menschen entsprachen.
Ziel der NationalsozialistInnen war es, eine »arische« Volksgemeinschaft zu begründen, in der es keine unheilbaren Erbkrankheiten gäbe, und gleichzeitig die Kosten für die Pflege zu senken. Letztendlich war es aber einfach Mord. Diese Euthanasie-Morde wurden heimlich durchgeführt. Die Hinterbliebenen erhielten eine Sterbeurkunde mit gefälschter Todesursache und einen standardisierten »Trostbrief«. Auf dem Sonnenstein wurden Menschen aller Altersstufen ermordet, darunter etwa 700 Kinder und Jugendliche.
Von 1940 bis 1941 gab es im Deutschen Reich sechs Tötungsanstalten wie Pirna-Sonnenstein, in denen mehr als 70.000 psychisch kranke und geistig behinderte Menschen aus psychiatrischen Einrichtungen, Alters- und Pflegeheimen und Krankenhäusern vergast wurden. Die Nachrichten über die Tötungen blieben jedoch nicht geheim, sondern verbreiteten sich innerhalb der Bevölkerung. Eltern der Betroffenen, Mitarbeiter*innen und Leiter*innen von Pflegeanstalten wie auch Richter*innen und Kirchenvertreter*innen verlangten ein Ende der Tötungen. Eine Predigt des katholischen Bischofs Clemens August Graf von Galen führte zu Unruhen in der Bevölkerung, weswegen die Aktion »T4« an Erwachsenen im Deutschen Reich auf Weisung Hitlers offiziell eingestellt wurde, von Kindern jedoch nicht. Das zeugt von der Möglichkeit von Widerstand im Nationalsozialismus und widerlegt die These, dass man nichts hätte machen können.
Doch auch nach dem »Euthanasie-Stopp« 1941 wurden verdeckt zahlreiche Tötungen vorgenommen: durch überdosierte Medikamente oder gezielte Mangelernährung in den Pflegeanstalten, aber auch in den Konzentrationslagern und in den besetzten Gebieten.
Insgesamt wurden mehr als 200.000 Krankenmorde durchgeführt. Die Euthanasie-Einrichtungen, in denen schon mit Gas ermordet wurde, wurden so zum Vorläufer der europäischen Judenvernichtung. Denn das verbrecherische »Wissen« wurde in den Vernichtungslagern der Deutschen und damit in der Shoah eingesetzt. Das Personal wanderte von den Heil- und Pflegeanstalten in die Vernichtungslager ab.1
Quelle:
1 www.stsg.de/cms/pirna/histort/krankenmord_auf_dem_sonnenstein, www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/295244/ns-euthanasie
♦ Zum Besuchen:
Die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein gibt in ihrer Dauerausstellung einen Überblick über die nationalsozialistischen »Euthanasie«-Verbrechen (»Aktion T4«) und die Ermordung von Häftlingen aus Konzentrationslagern (»Sonderbehandlung 14f13«) auf dem Sonnenstein.
Der Eintritt ist kostenfrei. Jeden Samstag 14:30 Uhr findet eine kostenlose öffentliche Führung statt.
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein | Schlosspark 11 | 01796 Pirna
Tel.: 03501 710960 | E-Mail: gedenkstaette.pirna(ät)stsg.de
www.stsg.de