Interview

Heute bin ich glücklich, aber unzufrieden

Ulrich Patzer, geb. 1937, Dipl. Geophysiker, 3 erwachsene Kinder, verheiratet, kam 1957 zum Studium nach Leipzig. Mit Beginn der achziger Jahre war er in einer Umweltgruppe in der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund aktiv und engagiert sich bis heute für den Radverkehr in und um Leipzig.   Haben Sie damals daran gedacht, die DDR zu verlassen? Es waren sehr pragmatische Gründe, die mich in der DDR gehalten haben. In den 50er Jahren habe ich gerade studiert. Da habe ich mir gesagt, jetzt machst du erst einmal das Studium fertig, denn wenn du jetzt rüber gehst, musst du Studiengebühren bezahlen, woher willst du die nehmen? Hier hatte ich mein Stipendium und mein Auskommen. Und deswegen bin ich hier geblieben. Tja und nach dem Mauerbau bin ich nicht mehr gefragt wurden, ob ich abhauen will oder nicht. Das heißt, später wollte ich auch nicht mehr weg. In den Vorwendezeiten bin ich auch erst auf den Nikolaikirchhof gegangen, als die Rufe kamen: Wir bleiben hier. – Und nicht die Rufe: Wir wollen raus. Das Friedensgebet und alles drum herum, das ist ja auch von denen, die abhauen wollten, instrumentalisiert wurden. Das wird ihnen ja von manchen kirchlichen Kreisen heute noch ein bisschen übel genommen – und wie ich finde, zu Recht – dass sie das benutzt haben, um auf sich aufmerksam zu machen, damit sie möglichst bald rauskommen. Ich habe mir gesagt, wenn dem Staat die Jugend wegrennt, dann hat er sowieso keine Chance mehr. Da muss sich etwas ändern und wir bleiben hier.