Das was man will, kriegt man doch sowieso nie

Lesedauer: 17 Minuten

Klaus Kuhn, geboren 1953, KfZ-Sachverständiger, 2 Kinder, geschieden

 

 

Klaus Kuhn war Gast bei einer öffentlichen Veranstaltung von Weiterdenken am 7. Mai 2009 im Stadtmuseum Dresden unter dem Titel:

Ende der Lügen

Die Wahlfälschung im Mai 1989, Wahlkontrolle und Opposition

Das Interview führte die Journalistin Claudia Hempel (www.claudia-hempel.com

Das komplette Interview kann hier nachgelesen werden (pdf-Datei, 76 kB).

 

Wo waren Sie am 9. November 1989, am Tag der Maueröffnung?

Ich war an diesem Tag ganz normal tagsüber arbeiten und als es dann abends passierte, habe ich es gar nicht mitbekommen. Ich habe jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit Deutschlandfunk gehört, auf Mittelwelle und plötzlich war das Thema in den Nachrichten.

Was ging Ihnen dabei zuerst durch den Kopf?

Das war schon euphorisierend. Der erste Gedanke war: So schnell und jetzt ist alles offen - wie wird das weiter gehen? Was wird man tun?.

Hatten Sie damit gerechnet?

Generell schon. Das war eine Situation von der ich schon lange dachte, dass sie irgendwann passieren muss. Dass es so schnell geht und so unspektakulär, das war schon überraschend für mich, aber der Fakt an sich nicht – wir haben es zu dieser Zeit erwartet.

Durften Sie vor dem 9. November 1989 schon reisen?

Ja, ich hatte Verwandte im Westen. Ich durfte sogar 1987 für 5 Wochen nach Kanada, weil mein Onkel dort lebt und war auch 1989 im Sommer für 10 Tage in der Bundesrepublik. Deshalb gab es auch für mich nicht den absoluten Kick, als die Mauer offen war. Ich war durch Freunde sehr gut über die Bundesrepublik informiert und kannte so auch die Schattenseiten. Insofern war mir klar, dass es für mich nicht so erstrebenswert war, dort zu leben oder seinen Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen. Meine Wurzeln sind einfach viel zu stark. Dresden ist meine Heimatstadt, ich bin hier geboren, alle meine Freunde wohnen hier. Das bindet. Mein Freundeskreis war auch sehr stabil. Es gab nur zwei Freunde, die während der Ausreisewelle in den Westen gegangen sind, die meisten sind hiergeblieben.

 

 

Klaus Kuhn: Der Zettel war nicht unterschrieben...

 

 

 

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Wie sind Sie in der DDR aufgewachsen?

Da meine Eltern mich christlich erzogen haben, gab es für mich bestimmte Dinge, in denen ich von Anfang an Außen vor war.

Ich war nicht in den Pionieren, ich war nicht in der FDJ, ich habe auch keine Jugendweihe gemacht. Und in so einer Situation musste man schon einen Durchschnitt von 0,8 haben, um in der DDR Abitur machen zu können. Aber ich war da nie traurig drüber oder böse. Ich hatte die Schule nach 10 Jahren einfach dicke und da habe ich einen Beruf gelernt. Ich habe aber später noch einmal ein Abendstudium gemacht und Maschinenbau studiert.

War es schwierig ein Abendstudium zu absolvieren?

Nein, das habe ich jedenfalls nicht so empfunden. Die Bedingung war, dass man eine Berufsausbildung hatte und ein paar Jahre Praxis. Und natürlich den 10.-Klasse-Abschluss.

Das Abendstudium war rein technisch ausgerichtet. Da wurde überhaupt nicht politisiert. Sicher, wir hatten auch Gesellschaftswissenschaften, also Marxismus-Leninismus und Politische Ökonomie als Fächer, aber ansonsten haben sie uns völlig in Ruhe gelassen. Da gab es niemanden, der – auch von Seiten der Schule – an irgendwelchen politischen Auseinandersetzungen interessiert gewesen wäre.

Waren Sie bei der Armee?

Ich habe anderthalb Jahre als Bausoldat gedient. Das war meine eigene Entscheidung, weil ich eine pazifistische Grundeinstellung hatte. Das heißt, die habe ich immer noch, vielleicht nicht mehr so stark, aber damals war es ganz extrem und deshalb kam da für mich gar nichts anderes infrage.

Hatten Sie jemals das Gefühl, das war eine mutige Entscheidung?

Nein, ich bin ja auch kein sehr mutiger Mensch. Wenn man nur 10 Klassen in die Schule geht, da gibt es auch keine großen Konsequenzen. Was wollen die machen? Sie können mich ja nicht in der 8.Klasse rausschmeißen. Es gab ja auch eine Schulpflicht. Diejenigen, die studieren wollten, waren da schon viel abhängiger und auch erpressbarer.

Würden Sie sich als politischen Menschen bezeichnen?

Ja, auf jeden Fall. Politik hat mich schon immer interessiert und die Ungerechtigkeiten in diesem Land DDR, die haben mich auch interessiert. Da gab es vieles, was mich aufgeregt hat.

Was waren das für Dinge, die Sie aufgeregt haben?

Ich kann mich natürlich an 1961 erinnern. Das war zwar eher die Reaktion meiner Familie und wie das auf mich gewirkt hat, aber ich kann mich lebhaft erinnern. Die waren alle völlig konsterniert. Das war an einem Sonntag. Das weiß ich noch ganz genau. Mein Großvater, der schüttelte immer nur den Kopf und sagte: Das geht nicht lange, da müsst ihr euch keine Gedanken machen. Meine Eltern aber, die waren sehr deprimiert. Viele ihrer Freunde hatten die DDR vorher schon verlassen und damit war plötzlich klar, die werden sich nie wiedersehen. Und diese Stimmung hat auf uns Kinder schon gewirkt.

Und später? Was war Ihr erstes eigenes politisches Erlebnis?

Das war 1968 der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR. Da war mir das erste Mal selbst vollständig bewusst: Was hier momentan passiert, das ist nicht gerecht.

Hat dieser Einmarsch auch in der Schule eine Rolle gespielt?

Ja. Ich kann mich erinnern, dass wir in der Schule eine Resolution unterschreiben sollten, wo die Hilfe der Warschauer-Pakt-Truppen in der CSSR begrüßt wurde. Sie haben uns stundenlang sitzen lassen, weil wir das nicht unterschreiben wollten. Das weiß ich noch wie heute. Wir mussten im Klassenzimmer bleiben und die Schule leerte sich langsam und da haben wir uns zu dritt überlegt: Was werden die jetzt machen? Die können uns ja nachts nicht einfach hier behalten. Die müssen ja auch mal unseren Eltern Bescheid sagen, dass ihre Kinder nicht nach Hause kommen. Es gab ja keine Telefone oder so etwas.

Irgendwann haben Sie uns tatsächlich nach Hause gehen lassen. Aber die Resolution war nicht unterschrieben.

Was hat sie an diesem Land DDR sonst noch gestört?

Diese Bevormundung. Dass man vorgeschrieben bekommt, was man lesen darf und was man nicht lesen darf. Ja und auch die Art, wie man mit Auslandsreisen umgeht. Da darf ein kleiner, ausgewählter Teil der Bevölkerung fahren und die anderen nicht.

Seit meinem 18.Geburtstag kam noch das Thema Wahlen dazu.  Ich habe mich von Anfang an dagegen gesträubt, dass man da völlig entmündigt und gezwungen wird, einen Zettel in eine Kiste zu schmeißen, um Leute zu wählen, die man nicht kennt und die einen auch nicht interessieren und die auch nicht bereit sind, irgendetwas an dieser Situation in diesem Land zu ändern.

Und dann noch diese gleichgeschaltete Berichterstattung. Dass man – egal welches Medium man wählt – immer das Gleiche vorgesetzt bekommt. Das waren schon alles Punkte, die mich geärgert haben.

Waren Sie jemals zu DDR-Zeiten wählen?

Einmal. Ich dachte eigentlich, ich wäre nie gewesen, aber mein kleiner Bruder hat mich neulich eines Besseren belehrt. Er sagte, als er Jungwähler war, hätte ich ihn mitgenommen, um ihm zu zeigen, wie so eine Wahl funktioniert. Das war das einzige Mal, sonst war ich da nicht mehr.

Erinnern Sie sich noch an den Olof-Palme-Friedensmarsch 1986?

Oh ja, sehr deutlich. Das war eine Veranstaltung wo auch meine Kinder mit waren. Da konnten die auch schon ihre Plakate tragen. Da kann ich mich sehr gut daran erinnern. Die Plakate haben wir hier in der Wohnung gebastelt. KEIN KRIEGSSPIELZEUG IM KINDERZIMMER war eines und auf dem anderen stand… – das weiß ich gar nicht mehr. In meiner Stasiakte ist ein Bild, da sind wir drei mit diesen Plakaten drauf. Schade. Die Akte habe ich aber nur gesehen, die habe ich nicht in die Hand gekriegt.

Sie haben eine Stasiakte?

Wer in einem Staatlichen Betrieb gearbeitet hat, hatte automatisch eine Akte. Da muss man nicht viel gemacht haben. Ich habe keinen operativen Vorgang, das glaube ich zumindest nicht. Ich habe meine Akte damals gesehen und das war jetzt auch nicht so viel – so ein 5 cm hohes Päckchen. Ich habe damals nach der Wende – ich benutze dieses Wort gar nicht so gern, denn die SED hat schon nach dem 17.Juni das Wort Wende verwendet,

aber mir fällt immer nichts anderes ein – jedenfalls war ich bei der Auflösung der Akten in der Stasizentrale dabei. Da habe ich natürlich gesagt, bevor ich überhaupt anfange hier irgendetwas mit zu helfen, will ich meine eigene Akte sehen. Da saßen ja noch die alten Stasi-Mitarbeiter an ihren Schreibtischen. „Das ist ja auch das erste Mal, dass ein Bürger seine Akte in die Hand kriegt!“, hat sich der eine dort aufgeregt. Da habe ich erwidert: „Das wird noch manches Mal passieren, da werden Sie sich noch daran gewöhnen müssen.“

Haben Sie jemals vorher die DDR infrage gestellt?

Infrage gestellt sicher nicht, aber wir hatten schon überlegt, ob man etwas anders machen könnte ohne jetzt an der Existenz der DDR zu rütteln, das war völlig außen vor. Also dieser Gedanke, dass sich das alles mal so in Wohlgefallen auflöst, den gab es eigentlich erst ganz zum Schluss. Das war vielleicht so ab Mai 1989. Vorher hatte man immer gedacht, man muss die Situation verbessern. Man muss das Land demokratischer gestalten.

Wie entstand die Idee die Auszählung der Kommunalwahlen zu beobachten?

Ich war im Johannstädter Friedenskreis und dort wurde das beschlossen. Die Idee ist viel älter, die ist auch nicht in Dresden entstanden. Irgendwie ist sie zur gleichen Zeit in der DDR entstanden. Die Friedensgruppen in Dresden sind ja alle untereinander vernetzt gewesen. Da gab es die AG Frieden und da waren die ökologischen und die Friedensgruppen alle unter einem Dach. Jedenfalls wusste der eine Kreis von dem anderen, was der gerade tut und was man zusammen machen könnte.

Das waren ja auch nicht nur kirchliche Gruppen, sondern ich weiß zum Beispiel vom Kulturbund der TU da gab es auch eine Gruppe von Studenten und Assistenten, die da auch mitgemacht haben.

Wie verliefen die Planungen genau?

In der AG Frieden wurde Dresden territorial aufgeteilt, wir hatten damals Mitte und das bedeutete möglichst viele Wahllokale im Bezirk Mitte mit Leuten zu besetzen, die an der Auszählung teilnehmen. Die Auszählung war öffentlich. Man konnte also da hin gehen, sich an den Tisch stellen und warten bis die Urnen auf den Tisch gekippt wurden. Jeder einzelne Zettel wurde angeguckt. Ist es eine JA-Stimme oder eine NEIN-Stimme oder eine ungültige Stimme? Und das musste laut Wahlgesetz der DDR öffentlich erfolgen.

Was haben Sie dort erlebt?

Als die Auszählung begann, war das Wahllokal schon voll. Da standen Massen Leute um den Tisch rum, also das waren natürlich alles von denen ausgedungene Auszähler und da musste man sich erst einmal an dem Tisch einen Platz erkämpfen. Dann wurde ausgezählt und die Ergebnisse wurden hinterher bekannt gegeben. Direkt vor Ort. Und das musste man sich aufschreiben. Ich habe jetzt kürzlich bei einer Veranstaltung gehört, dass es auch Wahllokale gab, wo Aufschreiben verboten wurde, aber dort, wo ich war, konnte man es auf einen Zettel schreiben, da hat keiner etwas gesagt. Das Problem war nur, wenn man sich mal angeschaut hat, wer dort gewohnt hat, das Ergebnis entsprach genau dem offiziell verkündeten Wahlergebnis. 99%. Das war schon ziemlich deprimierend. Und bei meinem Freund, der im Nachbarwahllokal war, war es ganz genauso.

Hatten Sie das Gefühl, es lief alles ohne Betrug?

Ja, das Gefühl hatte ich schon. Bis auf die Sache mit der Wahlbeteiligung.

Normalerweise hätten die sagen müssen – so steht es auch im Wahlgesetz – wie viele Leute eigentlich wählen waren. Da muss gesagt werden: Dieses Wahllokal hat meinetwegen 5673 Wähler und davon waren heute 4540 da. Diese Zahl aber ist nie bekannt gegeben wurden. Also, wer nicht gegangen ist, der fiel einfach unter den Tisch.

Und was ist mit dem Ergebnis passiert?

Die Ergebnisse wurden gesammelt. Unser Friedenskreis hat die für sich gesammelt. Dann gab es in Dresden die Superintendantur, die haben sie wiederum für gesamt Dresden gesammelt, also für die Stadt Dresden.

Sind die Ergebnisse für Dresden auch gegenüber den politisch Verantwortlichen ausgewertet wurden?

Wir haben einen offenen Brief geschrieben an Prof. Dr. Lothar Kolditz, er war der Vorsitzende des Nationalrats der Nationalen Front der DDR und er war der Einzige, der gegen die Richtigkeit der Wahl Einspruch erheben konnte. Er hat von uns den offenen Brief bekommen, den er nie beantwortet hat und daraufhin haben wir die Ergebnisse als Flugblatt in Dresden verteilt. Das waren bestimmt 1500 Stück. Da standen dann unsere recherchierten Ergebnisse drauf. Wir haben die Flugblätter hier im Haus gedruckt.

Waren Sie bei den ersten Demonstrationen in Dresden im Oktober 1989 dabei?

Ja. Am 4.Oktober am Hauptbahnhof. Das war aber eher unangenehm. Es war alles noch sehr brutal und Brutalität ist überhaupt nicht mein Ding. Ich war bei einem Bekannten in der Neustadt. Und von dort aus hörte man schon die Blaulichtfahrzeuge mit Sirene den Berg herunter kommen, das war die Bereitschaftspolizei. Da bin ich dann mit einem Freund zum Hauptbahnhof gelaufen, wir wussten ja, dass die Züge an diesem Tag kommen sollten. Der Vorplatz war schwarz von Menschen und dieses eine Polizeiauto brannte auch schon, wo man jetzt weiß, das war alles inszeniert. Das hatte die Stasi selbst angezündet. Man weiß auch nicht, wer die Rowdys waren, die dort mit Steinen warfen. Es wurde jedenfalls heftig mit Steinen geworfen und die Polizei war massiv da und auch Wasserwerfer. Das war schon sehr bedrückend und auch sehr beängstigend. Und dazu noch diese Sprechchöre: WIR WOLLEN RAUS! und WIR WOLLEN WEG! – das war nicht unser Ding. Oder besser gesagt, mein Ding.

Warum sind Sie dann überhaupt hin?

Ich wollte das doch sehen, wenn der Staat mal ein paar auf die Nase kriegt. Das kann man sich doch nicht entgehen lassen.

Wie ging es weiter?

Es kam ja Bewegung in die Sache. Es wurde überhaupt miteinander gesprochen. Von Seiten der Polizei hörte dann auch die Konfrontation auf. Der Frank Richter, ein katholischer Kaplan, war ja mit in der Gruppe der 20 und das war ein sehr aufrichtiger Mann. Solchen Leuten hat man das zu verdanken.

Und Sie?

Ich habe beim Demokratischen Aufbruch mitgearbeitet. Wir haben hier die Dresdener Gruppe des Demokratischen Aufbruchs gegründet.

Wir haben einfach geguckt, was so geht. Das Neue Forum, das waren so viele und das war so unübersichtlich. Damals klang das ganz vernünftig, was der Demokratische Aufbruch so an Zielen formuliert hat – sozial und ökologisch. Das fand ich ganz gut.

Aber in dem Moment, wo aus der Bürgerbewegung eine Partei werden sollte, bin ich ausgestiegen. Partei wollte ich nicht und CDU schon gar nicht. Das war ja dann so eine Mischung: Allianz für Deutschland – CDU, DSU und DA. Damit driftete der Demokratische Aufbruch so an den mittleren bis rechten Rand der CDU. Da kam dann auch Lothar Späth und da war schon klar, in welche Richtung es gehen sollte. Sie versuchten die Leute vom Demokratischen Aufbruch unter dem Versprechen von Posten in die CDU zu kriegen. Der ganze Demokratische Aufbruch ist dann in die CDU übergegangen. Bis auf die Leute die vorher raus sind. Dazu habe ich gehört.

Ich wollte nichts Politisches machen, ich wollte in meinem Beruf weiter arbeiten. Da gab es genug zu tun.

Von heute aus betrachtet, denken Sie, es hat sich gelohnt, was Sie damals gemacht haben?

Na klar, auf alle Fälle.

Ist es heute auch das, was Sie wollten?

Nein. Aber das, was man will, kriegt man doch sowieso nie. Trotzdem ist es eine gute Ausgangsposition. Auch für die Kinder ist es toll. Was die für Möglichkeiten haben. Dafür hat es sich auf alle Fälle gelohnt.

Würden Sie sich politisch links einordnen?

Ja. Obwohl ich nicht in diesen Kategorien denke, aber wenn überhaupt, dann linke Mitte.

Welche Themen sind für Sie heute wichtig?

Meinen Sie, was ich tue? Da muss ich leider zugeben, dass ich nichts tue.

Das wäre die nächste Frage gewesen, erst einmal möchte ich wissen, was heute für Sie wichtig ist.

Nach wie vor finde ich, dass es in diesem Land eine extreme soziale Ungerechtigkeit gibt. Das ist schon bitter. Da fällt mir aber auch nichts ein, was man dagegen tun könnte. Das macht mich schon traurig, dass es wenige Leute gibt, die am Rande leben und wenig dafür können.

Was mich im Moment beunruhigt, das ist, wenn ich gerade jetzt wieder die Wahlplakate der NPD sehe. Die Machtlosigkeit dieses Staates macht mir Angst.

Wenn Sie die Gesellschaftsmodelle Sozialismus und Kapitalismus vergleichen, welches Modell halten Sie für das bessere?

Für das kleinere Übel halte ich den Kapitalismus, der ist wenigstens reformierbar. Der Sozialismus war es leider nicht. Obwohl wir ja den Sozialismus wahrscheinlich nie kennen gelernt haben, vielleicht würde es ja sogar einen Sozialismus geben, der gut wäre.

Engagieren Sie sich heute noch politisch?

Minimal. Dinge, die das Wohngebiet betreffen. Also wenn hier die Bautzener Strasse zur vierspurigen Autobahn ausgebaut werden soll, da engagiere ich mich. Oder gegen die Bebauung des Elbhanges oder gegen die Brücke  - Ja, was mache ich noch? So ein bisschen Obdachlosenarbeit in unserer Gemeinde. Unsere Gemeinde beteiligt sich im Winter an den Nachtcafés und neben den Sozialarbeitern sind immer noch ehrenamtlich Mitarbeiter da, die dann einfach mal mit den Obdachlosen reden oder etwas mit ihnen spielen oder ihnen helfen beim Antrag ausfüllen. Das war aber im letzten Winter dreimal, dass ich dort war. Das ist nicht der Rede wert.

Woran liegt das? Ist der Elan weg?

Ich weiß es nicht. Einerseits ist es beruflich mehr geworden, als es früher war. Irgendwie bleibt weniger Zeit.

Was haben Sie aus den Wendejahren für sich mitgenommen?

Ich habe gelernt, dass es vielleicht doch lohnt, sich an bestimmten Punkten einzumischen. Dass es nicht völlig vergeblich ist, wenn man etwas versucht zu verändern.