Kohle in Sachsen

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Bis spätestens 2038 wird in Sachsen Braun­kohle abgebaut, um daraus Energie zu gewinnen.
Dabei zählt Kohle zu den klima- und umweltschädlichsten Energieträgern.

Die Schäden durch Abbau und Verbrennung von Kohle sind enorm: Verlust von fruchtbarem Land, Zerstörung intakter Ökosysteme sowie menschlicher Siedlungen, globale Erwärmung und extreme Beeinträchtigungen des natürlichen Wasserhaushalts. An dieser Stelle wollen wir uns mit den konkreten Folgen des Kohleabbaus in Sachsen beschäftigen, sie dokumentieren und diskutieren.

Fokus: Wasser

Leipziger Wasserkonferenz 2023 - GrueneLeipzig

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Trocken gelegt

Damit die Tagebaue nicht volllaufen, wurde in der Lausitz auf rd. 2.000 km² – einer Fläche etwa so groß wie das Saarland bzw. Mauritius - bis in eine Tiefe von 100 Metern das Grundwasser abgepumpt. Auf rund 8,4 Mrd. Tonnen geförderte Rohbraunkohle im Zeitraum 1900-2020 kommen rund 58 Mrd. Kubikmeter Grundwasser, die abgepumpt werden mussten (1)!
Allein im Lausitzer Revier wird TÄGLICH ÜBER 1 MILLION KUBIKMETER Wasser abgepumpt ((2), Stand: 2019) - Wasser, das Pflanzen und Gewässern der Region auf natürlichem Weg fehlt.

Im Mitteldeutschen Revier ist eine Fläche von über 1000 km² (ungefähr so groß wie Rügen) betroffen.
 

Verdampft

Über die Kühltürme von Kohlekraftwerken werden enorme Mengen Grund- bzw. Flusswasser verdampft. 2019 gingen der Lausitz so 78,5 Mio. Kubikmeter Wasser verloren (3). Allein 35 Mio. Kubikmeter Wasser dürfen jährlich für das Kraftwerk Lippendorf im Mitteldeutschen Revier aus Wyhra, Eula und Mulde genutzt werden (4).

Geflutet

Für Tagebau-Betreiber ist das Fluten von Restlöchern aufgrund des Massendefizits nicht selten alternativlos, aber auch attraktiv: Für sie entfällt in diesem Fall die aufwändige und kostenintensive Aufbereitung des Bodens. Kommunen und die Menschen vor Ort hoffen auf spürbare Verbesserungen der Lebensqualiät mit See vor der Tür. Es eröffnen sich neue Erwerbsquellen, etwa im Tourismus- und Freizeitbereich - nicht nur mit und am Wasser. Die Seen können aber auch dem Hochwasserschutz bzw. als Wasserspeicher dienen.

Doch bereits heute kämpfen viele Tagebauseen mit erheblichen Problemen: Zu wenig Wasser zum Fluten. Schlechte Wasserqualität durch Eisen und Sulfat. Wasserverluste durch Verdunstung. Instabile Böschungen.

Zunehmende Trockenheit und Hitze in Folge der Klimakrise machen das Fluten neuer und die Stabilisierung bereits vorhandener Seen in den kommenden Jahrzehnten noch schwieriger. Die bereits unter Klimastress stehenden Flüsse müssen über Jahrzehnte Wasser an die entstehenden Seen abführen. Sogar die Überleitung von Wasser aus Elbe, Neisse und Oder in die Lausitz werden (wieder) ins Spiel gebracht (5), auch um die Trinkwasserversorgung aus der Spree etwa in Berlin abzusichern. Bislang wurde die Spree mit abgepumptem Grundwasser gestützt, was allerdings künftig immer weniger wird.

Verschmutzt

Die Tagebaue in der Lausitz haben eine Besonderheit: der im Vergleich hohe Anteil an den Gesteinen Markasit und Pyrit im Boden. Kommen diese mit Sauerstoff in Berührung - z.B. beim Abbau der Kohle -, oxidiert Eisen und es bildet sich Sulfat. Kommt Wasser hinzu - wie etwa beim Wiederanstieg des Grundwassers - entsteht eine saure Brühe mit niedrigem pH-Wert. Diese löst wiederum Eisen, das oftmals einhergeht mit Schwermetallen. Dieses Gemisch ist lebensfeindlich.

"Auf einer Fläche von rund 1.800 km² liegt die Sulfatkonzentration im Grundwasser der oberflächennahen Hauptgrundwasserleiter über 250 mg/L. Das Grundwasser ist damit formal für eine Trinkwasserversorgung nicht mehr nutzbar."
(Umweltbundsamt, Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz – Abschlussbericht (2023), S. 137 f.)

Während das Eisen noch in der Lausitz aus dem Oberflächenwasser geholt werden kann, ist dem gut in Wasser löslichen Sulfat deutlich schwerer beizukommen. So gelangt es etwa in der Spree weit flussabwärts und gefährdet die Trinkwasserwasserversorgung Berlins und von Frankfurt Oder. Hier bereiten die Wasserwerke Friedrichshagen (Berlin) und Briesen (Frankfurt) Uferfiltrat der Spree zu Trinkwasser auf. Dabei müssen die Wasserwerke immer öfter Wasser aus anderen Quellen zumischen, um den gesetzlichen Grenzwert von 250 mg Sulfat je Liter im Trinkwasser einhalten zu können (6). Ist zu viel Sulfat im Wasser enthalten, kann dies zu Durchfall führen und den Geschmack des Trinkwassers verändern.

In die Pleiße im Mitteldeutschen Revier gelangt bis heute rund eine Tonne Eisen pro Tag! Adäquate Maßnahmen dagegen fehlen bis heute (7). Die Folgen für Fische sind erheblich, da der feine Eisenschlamm die Kiemen zusetzt und damit die Sauerstoffzufuhr beeinträchtigt wird. Auch die Wasserqualität des Zwenkauer Sees muss stabilisiert werden hinsichtlich seines pH-und Sulfatwerts: Pro Jahr werden entweder 18 Mio. Kubikmeter Frischwasser aus der Weißen Elster benötigt. In Ergänzung bzw. statt Flusswasser wird der See gekalkt. Ohne menschliches Eingreifen hätte der See einen Sulfatanteil von 3.000 mg pro Liter (8)!

Verdunstet

Mit den Tagebauseen werden riesige Wasserzehrgebiete geschaffen. Im Vergleich zu den Landflächen vor dem Bergbau verdunstet über den künstlichen Seen deutlich mehr Wasser.
Für die Ermittlung konkreter Verdunstungsraten gibt es unterschiedliche Ansätze, so dass je nach Ansatz auch unterschiedliche Zahlen für die Reviere im Umlauf sind.
Laut Umweltbundesamt kann aber davon ausgegangen werden, dass es insbesondere bei größeren Seeflächen auf eine negative Wasserbilanz hinausläuft (9, S. 109).

In einer öffentlichen Vorlesung der BTU Cottbus stellte Dr. Andreas Will im Mai 2023 einige Ergebnisse seiner Forschungstätigkeit in der Lausitz vor (10): Über die Seefläche von 258 Quadratkilometern gingen in heißen und trocknen Sommern bis zu 14 m³/Sekunde Wasser verloren. Einen (positiven) Einfluss der Verdunstung über den Seen auf sich bildenden Niederschlag in der Region konnte er hingegen nicht bestätigen.

Ein Zahlenbeispiel nach dem Lausitz-Modell der BTU Cottbus-Senftenberg für das Jahr 2006 zeigt, dass die Verdunstung über der Wasseroberfläche Lausitzer Tagebau-Seen weit höher ist, als über Land (Tabelle 1); auch der gefallene Niederschlag kann die hohe Verdunstung über dem Wasser nicht ausgleichen - es bleibt ein Wasserdefizit.

Gesamtjahr 2006       Verdunstung (mm)       Niederschlag minus Verdunstung (mm)     
Über Land 479 571
Über Wasser 731 -195
 Tabelle 1: Verdunstung nach dem Lausitz-Modell der BTU Cottbus-Senftenberg, aufbereitet in: Kohle. Wasser. Geld. (GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus e.V., 2022), S. 9

Für das Mitteldeutsche Revier geht die Landestalsperrenverwaltung Sachsen von einer Verdunstung über Land von ca. 500 mm/m² pro Jahr aus, über Wasser von ca. 900 mm/m² pro Jahr. Daraus ergäbe sich ein Verdunstungsdefizit aller Tagebauseen im Südraum Leipzig von ca. 13,5 Mio m³ im Vergleich zu einer Landnutzung.(11)

Wenn der im Osten Deutschlands durch die Klimakrise abnehmende Niederschlag die Verdunstung nicht ausgleichen kann, werden die (ehemaligen) Kohlergionen im Osten Deutschlands perspektivisch noch trockener. Ob und inwiefern die künstlichen Seen auch natürliche Gewässer stützen können in niederschlagsarmen Zeiten ist offen.

Fokus: Boden

Nicht nur um Lützerath wird sehr guter Ackerboden abgetragen, um an die Kohle zu kommen. Auch im Mitteldeutschen Revier wurden zahlreiche Felder auf 4 bis 5 Meter dicken lößreichen Schichten (12) vernichtet. Aber auch wertvolle, humusreiche Feuchtgebiete und Wiesen sowie Auen mit strukturreichen Landschaften sind unwiederbringlich verloren.

Die geförderte Kohle hinterlässt ein ungeheures Massendefizit, das sich großflächig nicht mit Boden auffüllen lässt. Daher werden Restlöcher oft geflutet.
Wo "neues Land" geformt wurde, hat sich die Zusammensetzung des Bodens erheblich verändert: Nährstoffarme bis saure Kipp-Substrate sind an Stellen von einst humusreichen Schichten. Es lässt sich nicht an die Zeit vor den Tagebauen anknüpfen. Andererseits können sich auch karge Flächen zu wertvollen Landschaften für seltene Arten entwickeln.

Neben einzigartiger Natur wurden und werden menschliche Siedlungen zerstört, die teils auf mehrere Hundert Jahre Geschichte zurückblicken - in Sachsen zuletzt das Dorf Heuersdorf im Mitteldeutschen Revier, deren Kirche mit viel Aufwand versetzt und gerettet wurde (13). Allein seit 1945 fielen in Sachsen 260 Ortschaften dem Tagebau zum Opfer. 80.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Im bis heute noch bedrohten Ort Mühlrose in der Lausitz dauert die Angst an: Obwohl bis heute keine bergrechtliche Genehmigung zur Abbaggerung des "Sonderfelds Mühlrose/Miłoraz" exisitiert, reißt die LEAG bereits leerstehende Häuser ab, die in ihren Besitz gelangt sind: Es ist die sinnlose Zerstörung eines sorbischen Dorfes, obwohl Gutachten von Ernst & Young (14, 2020) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) (15, 2021) feststellen, dass die Kohle unter Mühlrose im Boden bleiben kann.

Fokus: Luft & Klima

Thru.de

Hier alle aktuellen, kraftwerksbezogenen Werte einsehen.

Über die Kraftwerke gelangen große Mengen klimaschädlichen Kohlendioxids und an Schadstoffen in die Luft.
2020 entstanden allein knapp 103 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen durch die Verbrennung von Braunkohle in Deutschland (16, S. 92). Hinzu kommen noch Emissionen des gesamten Prozesses, also etwa Förderung, Transport und Bearbeitung der Kohle. Darüber hinaus werden noch weitere, hochwirksame Treibhausgase wie etwa Methan und Lachgas freigesetzt.

  Kohlendioxid (kg)           Quecksilber und Verbindungen (kg)        Schwefeloxide (kg)              Stickoxide (kg)            
Kraftwerk Jänschwalde (Brandenburg)   15.500.000.000 484 7.500.000 11.500.000
Kraftwerk Boxberg (Sachsen) 19.100.000.000 406 6.750.000 12.100.000
Kraftwerk Lippendorf (Sachsen) 11.900.000.000 432 11.400.000  7.900.000
Tabelle 2: Schadstoffausstöße (Auswahl) ausgewählter Kraftwerke im Jahr 2022 (Quelle: https://thru.de)

Neben Treibhausgasen stoßen Braunkohlekraftwerke trotz Filteranlagen auch heute noch erhebliche Mengen an Luftschadstoffen aus: Quecksilber, Schwefeloxide sowie Stickoxide und Feinstaub sind dabei die bedeutsamsten. Reichlich 50 % aller Quecksilberemissionen und über ein Viertel der Schwefeloxid-(SOx-)Emissionen in Deutschland gehen allein auf das Konto der Strom- und Wärmeerzeugung aus der Kohle (17, S. 99).

Fokus: Strukturwandel

Die Nutzung der Kohle hat ihre Spuren tief in den Regionen eingegraben: wirtschaftlich, ökologisch, gesellschaftlich. Der beschlossene Ausstieg aus der Kohle eröffnet neue Perspektiven, sorgt aber auch für Verunsicherung - nicht nur bei den reichlich 17.000 Menschen, die heute noch in der Baunkohle bundesweit beschäftigt sind (Stand: 2022, davon: 7.675 in der Lausitz und 1.827 im Mitteldeutschen Revier, Quelle: DEBRIV, 18). In jedem Fall stellen sich existentielle Fragen: Wie geht es weiter mit industriell geprägten Energieregionen? Wie wollen und können wir in Zukunft leben?

Der Auf- und Ausbau erneuerbarer Energien, neue Forschungsinstitutionen und zukunftsfeste Technologien made in Lausitz, die Entwicklung eines naturnahen Tourismus, Raum (und nicht nur Platz) für Bildung, Jugendarbeit und Kultur: Damit all das keine Luftschlösser in den sich wandelnden Regionen bleiben, müssen Leitbilder für den Strukturwandel vor Ort selbst entwickelt und ausgestaltet werden – mit allen Beteiligten auf Augenhöhe. Wie das gelingt und wo es Nachbesserungsbedarf gibt, besprechen wir hier.

Einfach machen!? - Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier - BoellSachsen

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Einfach machen!? - Strukturwandel in der Lausitz - BoellSachsen

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