Nachhaltig landwirtschaftlich produzieren in einem sich ändernden Klima? Das funktioniert! Wir sprachen mit Claudia Gerster vom Hof Sonnengut in Sachsen-Anhalt über den Umgang mit zunehmender Trockenheit, Starkregen und Wind.
An einem sonnigen Tag besuchten wir das Sonnengut Gerster in der Nähe von Freyburg an der Unstrut. Claudia und Gerhard Gerster bewirtschaften hier seit 1994 einen bäuerlichen biologisch-wirtschaftenden Betrieb, der unter anderem Tierhaltung und Ackerbau sowie Milchverarbeitung und Direktvermarktung umfasst. Insgesamt werden 150 Hektar Ackerland und 50 Hektar Grünland auf den fruchtbaren Hochebenen des Saale-Unstrut-Tals bewirtschaftet. Mit Claudia Gerster, die nicht nur Biolandwirtin sondern auch Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, kurz ABL, in der Region Mitteldeutschland ist, sprachen wir über Landwirtschaft in Zeiten der Wasserkrise und über Klima- und Wasserschutz in der Ökolandwirtschaft.
Rebecca Plassa: Auf was für einem landwirtschaftlichen Betrieb arbeitest du eigentlich? Was macht Eure Landwirtschaft aus?
Claudia Gerster: Also wir haben hier in Dietrichsroda einen Gemischtbetrieb. Momentan bewirtschaften wir 220 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, davon sind 150 Hektar Acker und 70 Hektar Grünland auf extensiven Standorten. Wir haben zudem noch Milchvieh und unsere Rinderherde sind ca. 60 – 70 Rinder, davon werden 30 Kühe gemolken. Die Tiere halten wir muttergebunden, das heißt die Kälber werden mit den Müttern aufgezogen. Ein ganz wichtiger Teil des Betriebs ist die Verarbeitung: Also wir verarbeiten komplett die Milch vor Ort zu Milchprodukten aller Art. Wir haben eine kleine Backstube, ein kleiner Teil des Getreides, was wir auf den Feldern ernten, wird verbacken. Das ist die Grundstruktur vom Betrieb und dazu kommen dann noch kleinere Nischen. Wir machen viel Bildungsarbeit; dazu gibt es noch eine kleine Imkerei auf dem Hof. Dann natürlich die regionale Vermarktung: Wir haben einen Hofladen, gehen auf Wochenmärkte, arbeiten mit anderen Kollegen und Kolleginnen zusammen, sind immer im Austausch und wir liefern auch Naturkost an jeden in der Region. Also die weiteste Entfernung sind 70 Kilometer wo unsere Waren vermarktet werden.
Rebecca Plassa: Und was baut ihr konkret an?
Claudia Gerster: Wir bauen verschiedenste Getreidearten an, also all die üblichen Dinge von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Einkorn, Emmer, auch die älteren Urgetreide; dann natürlich Leguminosen für unsere Fruchtfolge, Futtererbsen, Ackerbohnen, Wicken, Ölgetreide, Sonnenblumen und Luzerne-Kleegras, was dann auch zur Beweidung genutzt wird, eben auch als Stickstoff-Bildner angebaut wird, das sind so die Hauptkulturen.
Rebecca Plassa: Und müsst ihr auf Euren Flächen schon bewässern?
Claudia Gerster: Wir bewässern nichts auf unseren Flächen: Wir haben das Glück, dass wir hier einen sehr prädestinierten Ackerstandort haben, also wir haben Lehm-Löss-Böden, die sehr gut das Wasser halten können. Gerade jetzt, wenn wir Winterkulturen ansäen, dann reicht das Wasservorkommen noch aus. Schwieriger ist es dann natürlich bei den Sommerkulturen, wo es dann oft mittlerweile prekär wird.
Wir etablieren gerade Dammkultur: Wir säen nicht mehr Getreide nebeneinander in den Acker, sondern wir schieben Dämme auf. Auf dem Damm wird gesät. Durch diese Erhöhung, durch diese Hügel zieht das Wasser dann hoch und versorgt die Kultur besser mit Wasser.
(Claudia Gerster, Hof Sonnengut)
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Open external content on original siteRebecca Plassa: Und was für Bodenwerte habt Ihr hier oben?
Claudia Gerster: Also wir haben von 50er bis 70er Böden: Das sind dann doch ganz gute Voraussetzungen, um Ackerbau zu betreiben!
(Anmerkung der Redaktion: Die Ertragsfähigkeit von Acker- und Grünflächenböden in Deutschland werden über sog. Bodenwerte bzw. Bodenwertzahlen angegeben. Sie reichen von 0 (sehr niedrig, z.B. Sand) bis 100 (besonders hoch, v.a. Löss). Klimatische Umstände beeinflussen die Werte positiv bzw. negativ. So können günstiges Klima und Lage den Wert etwas verbessern).
Das Grünland befindet sich auf den nicht prädestinierten Ackerbaustandorten: Hier gibt es viele kleine Schluchten und Täler, die sich in die Landschaft einbetten. Das sind magere Rasenstandorte, worauf extensiv beweidet wird.
Rebecca Plassa: Welche Dünger benutzt Ihr im Ackerbau und warum?
Claudia Gerster: Wir haben im Prinzip in unserem Betrieb eine Kreislaufwirtschaft: Der Mist von unseren Tieren wird als Stickstoff zur Düngung von den Feldern benutzt. Dann gibt es da noch die Schweine, die hatte ich vorhin noch vergessen zu erwähnen. Das sind unsere Molke-Verwerter. Mit der Molke, die in der Käserei anfällt, werden die Schweine gefüttert.
Der anfallende Mist wird ausgebracht und ist im Prinzip dann die Düngergrundlage für unseren Betrieb.
Rebecca Plassa: Und wie errechnet ihr die Düngergabe für den Boden? Wie lässt sich konkret Dünger sparen?
Claudia Gerster: Wir verwenden keinen Stickstoffdünger, der energieaufwendig hergestellt wird. Von daher ist das für uns nicht relevant. Wir streuen noch Kalk. Für Laboranalysen geben wir Bodenproben ab, um zu wissen, in welchem Zustand unsere Böden sind.
Ganz wichtig ist die Frage, wie wir unsere Fruchtfolge platzieren. Wir haben eine sehr weite Fruchtfolge. Wir bauen Leguminosen an, die Stickstoff bilden und als fester Bestandteil mit drin sind. Dementsprechend wird dann auch ein Stark -oder Schwachzehrer angebaut und so funktioniert das eigentlich gut.
Rebecca Plassa: Ihr macht das jetzt schon 30 Jahre, seid einer der ältesten Betriebe in Sachsen-Anhalt. Merkt ihr dass sich der Boden verbessert hat durch Eure Art der Bodenbewirtschaftung über die Jahre, gerade wenn ihr Bodenproben abgebt?
Claudia Gerster: Es kommt ja immer ein bisschen darauf an, nach was für Parametern man sucht. Für uns ist auf jeden Fall wichtig, was für Biodiversität im Boden vorzufinden ist. Was in dem Zusammenhang vielleicht ganz interessant ist: Im Rahmen einer Bachelor-Arbeit ist der Ist-Zustand von unserem Boden untersucht worden, auch im Hinblick auf Parameter wie Würmer oder Kleingetier, was in dem Boden lebt, aber auch in ornithologischer Hinsicht. Es ist also der Zustand mal erfasst worden. Das ist gut auch im Hinblick darauf, wenn man mal ein Agroforst-System etablieren möchte, ob es dann eine Erhöhung an Biodiversität gibt, z.B. andere Bodenparameter. Je nach Standort ist das natürlich auch unterschiedlich und da muss man immer dran arbeiten! Man ist ja ständig damit beschäftigt, wie man Humus aufbaut usw., das lässt sich jetzt schwer in zwei Sätzen zusammenfassen, auch nicht in Zahlen. Neben dem Standort spielen hier viele Faktoren noch eine Rolle: die Vorfrucht, Probleme mit Beikräutern, dann gibt’s eben auch Jahre, wo es wahnsinnig trocken ist, dann kommt wieder ein feuchtes Jahr, dann kommen wieder Disteln, dann hat man vielleicht Probleme mit der Quecke, es ist also sehr komplex. Ich glaube das ist eine langfristige Arbeit mit dem Boden.
Rebecca Plassa: Weißt Du, ob die Einhaltung des Nitrat-Grenzwerts hier ein Problem vor Ort ist?
Claudia Gerster: Damit haben wir überhaupt keine Probleme. Ich denke, das ist dem geschuldet, dass wir so tiefgründige Böden haben und dadurch schon einfach einen guten Wasserfilter. Unser Grundwasser hier oben liegt bei 60 bis 70 Metern in der Tiefe. Dadurch gibt es schon eine starke Filtereigenschaft.
Tritt ein zu hoher Nitratgehalt im Grundwasser auf, dann muss man schauen, wie man wirtschaftet. Für uns jetzt als Biobetrieb, als extensiv wirtschaftender Biobetrieb, haben wir keine große Konzentration an Großvieh-Einheiten pro Fläche. Daher ist das relativ entspannt. Wir haben also keine große Gülle-Konzentration, weil wir alles auf Festmist halten. Daher ist das für uns kein Thema. Für Ackerbaubetriebe, die an Bachrändern arbeiten und die sehr intensiv wirtschaften, ist das ein Riesenthema und dann gibt’s ja auch verschiedene Möglichkeiten damit umzugehen.
Rebecca Plassa: Wüsstest Du woher Du eine Info bekommst, wenn es zu hohen Nitrat-Grenzwerten kommen sollte?
Claudia Gerster: Na klar, das kann man durch die Wasserwirtschaft erfahren. Aber es gibt ja auch diese Diskussion mit den roten Flächen, das war ja mal so ein Riesenthema. Da sind wir immer gar nicht so drin, weil wir als Biobetrieb gar nicht so davon betroffen sind. Bei der Ausweisung roter Gebiete bekommen dann Betriebe die Maßgabe, gar keinen Stickstoff mehr oder nur noch stark reduziert einzusetzen. Ich meine, synthetischer Stickstoff heizt die Klimakrise natürlich ohne Ende an, aber das wissen wir ja alle schon ganz lange.
Rebecca Plassa: Welche Wünsche habt Ihr denn als Hof an die Politik hinsichtlich des Düngens?
Claudia Gerster: Wir müssen weg kommen von dieser energieaufwendigen Stickstoffproduktion und müssen in anderen Kreisläufen denken. Das muss man halt sehr komplex sehen: Für was werden Nahrungsmittel verwendet, wie viel muss pro Hektar geerntet werden und mithilfe von was? Der überhöhten Stickstoffgabe liegt zugrunde, dass man möglichst große Erträge erzielen will und die hohen Erträge sind notwendig, weil so viel Getreide notwendig ist. Aber wenn man sich mal anguckt, wie viel Getreide und Pflanzen generell zur Verfütterung genutzt werden, zur Fleischproduktion und allgemein für die menschliche Nahrung, dann ist das natürlich alles sehr fragwürdig. Das ganze System funktioniert halt so nicht, es muss sich ändern. Wir müssen wegkommen davon, dass wir so eine Art EU-Agrarpolitik betreiben und dass das Tier als Nahrungsmittelkonkurrent des Menschen auf diese Art und Weise fungiert. Dann brauchen wir auch nicht mehr diese Topspitzenerträge pro Hektar, die aber auch nur mit Hilfe von einem wahnsinnigen Energiebedarf eingefahren werden können. Es gibt ja fast nichts Energieaufwendigeres als die Stickstoffherstellung.
Rebecca Plassa: Jetzt hat ja sogar Pricewaterhouse Cooper, eine der größten Beratungsgesellschaften weltweit festgestellt, dass der Fleischkonsum viel zu hoch ist und dass sich das ändern muss. Da kann man zumindest sagen, dass das bemerkenswert ist, denn sie gelten jetzt nicht als "Grün" oder nachhaltigkeitsorientiert. Sie sagen dennoch ganz klar: das Ende des Ackerbaus und der Fleischproduktion ist eigentlich erreicht und wenn wir nicht radikal umstellen, dann ist auch das Ende der Erde erreicht.
Claudia Gerster: Ja genau! Wir müssen komplett unsere Ernährung umstellen und dann ändert sich auch das ganze System! Die Frage ist bloß, wie kriegt man den Wechsel hin? Wir praktizieren das hier in unserem Betrieb schon ziemlich konsequent und klar.
Rebecca Plassa: Kommen wir nochmal zum Problem Landwirtschaft und Klimawandel und v.a. auch Landwirtschaft und Wasser: Wie geht Ihr denn mit einem viel zu hohen auf der einen Seite und viel zu geringen Niederschlag auf der anderen Seite in Folge des Klimawandels auf dem Hof um?
Claudia Gerster: Ich hatte vorhin ja schon von den weiten Fruchtfolgen gesprochen. Auch bauen wir sehr viele Herbstkulturen an, das heißt, dann können wir immer noch auf Niederschläge im Herbst und Winter hoffen.
Dann etablieren wir gerade Dammkultur: Wir säen nicht mehr Getreide nebeneinander in den Acker, sondern wir schieben Dämme auf. Die Saatenreihen sind ein Stück weiter auseinander, dafür gibt’s dann in der Mitte Dämme und auf dem Damm wird gesät. Durch diese Erhöhung, durch diese Hügel zieht das Wasser dann hoch durch die hydrostatischen Kräfte und versorgt die Kultur die auf dem Damm ist besser mit Wasser! Und wenn es schneit, dann sammelt sich ein bisschen der Schnee in den Kuhlen zwischen den Reihen, sodass er dann auch länger liegen bleiben kann, er wird dann nicht über die Ebene geweht, sondern bleibt ein Stück weit länger auf dem Acker und versorgt die Kultur nachhaltiger mit Feuchtigkeit. Das ist ein System, das sich in Spanien schon seit vielen Jahren etabliert hat, da es hier sehr starke Trockenheitsprobleme gibt.
Und unsere große Leidenschaft ist auch, ein stückweit Struktur in die Landschaft zu kriegen durch Agroforstanpflanzung: Wir pflanzen noch zukünftig Hecken an, um damit Kleinklimate zu schaffen, die die Wettereignisse anders gestalten als vorhergesagt ist, weil jeder Baum, jeder Strauch ist einfach Beschattung, ist also Gold wert.
Und natürlich muss Ackerboden immer bedeckt sein und kann nicht einfach so liegenbleiben! Das sind Dinge, die ganz wichtig sind. Mobcraising(?, 14:49) bisschen bei der Beweidung, dass man halt länger das Gras stehen lässt, nur kurz drüber weidet, dass sind so Schlagworte die man mittlerweile bekannt ist, also es gibt einige Möglichkeiten.
Und dann spielt natürlich unsere ganze Bearbeitung eine Rolle, was uns natürlich auch Zeit und Energie kostet, aber wo wir wirklich gucken, wann kann ich überhaupt welche Arbeitsgänge machen.
Wir schauen immer, wo kriegen wir Saatgut her, das auch ein bisschen an Standort und die regionalen Wetterereignisse angepasst ist. Das ist eine große Stellschraube.
(Claudia Gerster, Hof Sonnengut)
Rebecca Plassa: Ihr seid eigentlich schon mittendrin in den Anpassungsmaßnahmen?
Claudia Gerster: Ja, wir sind mittendrin!
Wir bauen auch viel nach: Das Saatgut, was auf den Standorten gut funktioniert, bauen wir immer weiter nach, standortangepasst. Das ist auch ganz wichtig. Das ist auch im Gemüsebau wichtig. Und das ist etwas, was unbedingt noch weiter etabliert werden muss.
Rebecca Plassa: Und was ist mit Nachbau?
Claudia Gerster: Naja, wir haben ja eine relativ rigide Nachbaupolitik in Deutschland: Es müssen Abgaben gezahlt werden, die das eigene Nachbauen im Prinzip erschweren. Wir arbeiten deshalb fast nur mit Züchtern zusammen, die nur nicht patentierte Sorten anbauen, wo wir keine Nachbau-Gebühren zahlen müssen an große Konzerne. Und die haben wir etabliert auf dem Hof.
Wir schauen immer, wo kriegen wir Saatgut her, das auch ein bisschen an Standort und die regionalen Wetterereignisse angepasst ist. Das ist eine große Stellschraube. Sowas ist eine total lange, nachhaltige Arbeit! Du siehst in einem Jahr keinen Erfolg. Und das geht natürlich auch oft auf Kosten des Ertrags, wenn man erstmal etwas etabliert. Aber ich denke, langfristig ist es die beste Lösung.
Dann wählen wir natürlich auch Kulturen und Sorten aus, die angepasster sind. Wir haben jetzt die letzten drei Jahre Sonnenblumen angebaut, die super mit der Trockenheit klar kommen.
Rebecca Plassa: Was erwartet ihr denn für die Zukunft? Man denkt ja im landwirtschaftlichen Bereich nicht nur bis zum nächsten Jahr, sondern eher an die nächsten zehn, 20 oder sogar in der Hofnachfolge an die nächsten 30 oder 40 Jahre... Was habt ihr denn an Möglichkeiten?
Claudia Gerster: Was die ganzen Zukunftsprognosen anbetrifft, wissen wir ja nicht, was wirklich am Ende eintritt. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass vor Corona die CO2-Emission mal runtergegangen waren. Jetzt, 2022, haben wir wieder ein Hoch erreicht. Im jüngsten, weltweiten Carbon-Budget-Bericht wurde gesagt, es ist wieder ein Peak erreicht worden, also noch mehr CO2-Ausstoß, noch mehr Methan-Ausstoß. Darauf müssen wir uns irgendwie vorbereiten.
Wir versuchen hier, ein nachhaltiges System aufzubauen. Das ist unsere einzige Möglichkeit. Man kann dabei nicht nur ein einziges Modul verfolgen, sondern muss viele Dinge im Blick haben: Sortenauswahl, Fruchtfolge, Schaffung von Kleinklimaten, noch nachhaltigere extensive Tierhaltung. An diesen Stellschrauben weiterarbeiten, ist die unsere einzige Chance.
Ich erwarte nicht, dass sich die Situation entspannen wird. Ich denke, dass wir mehr Extremwetterereignisse haben werden. Wir haben hier jetzt schon sehr viel Wind. Dadurch kommt das Problem der Winderosion dazu. Deswegen versuchen wir, unsere Böden immer bedeckt zu halten mit Zwischenfruchtkulturen. Das machen konventionelle Kollegen mittlerweile auch so. Von anderen Problemen wie Starkregen sind wir bisher noch verschont geblieben, das kann aber natürlich auch noch kommen. Das muss uns klar sein.
Unsere große Herausforderung ist es im Agroforst die Jungbäume zu etablieren, das ist von Jahr zu Jahr schwerer geworden.
Wir lösen nicht das Problem, wenn wir von irgendwoher Wasser hochpumpen: Das wird uns definitiv nicht retten.
(Claudia Gerster, Hof Sonnengut)
Rebecca Plassa: Wo holt ihr denn das Wasser her, z.B. für die Bewässerung?
Claudia Gerster: Wir haben hier viele Dachflächen, da wird das Wasser einfach gesammelt und dann wird das mit Kanistern und Containern rausgefahren. Es ist auch geplant, dass wir noch einen großen Teich graben wo sich das Regenwasser sammeln kann. Momentan arbeiten wir da eher mit kleinen Systemen mit Tanks und so weiter.
Rebecca Plassa: Weil ihr eure großen Flächen ja auch gar nicht bewässert.
Claudia Gerster: Genau, das muss auch so gehen! Bewässerung sehe ich kritisch, auch mit den ganzen Brunnen die gebohrt werden. Für ganz relevante Kulturen, die angebaut werden - wie Gemüse etwa -, ist das punktuell okay. Aber eine dauerhafte Bewässerung senkt ja nur den Grundwasserspiegel: Da muss man sehr vorsichtig sein! Ich hoffe, dass das von der Politik auch mal vorsichtig behandelt wird.
Auf der einen Seite verstehe ich Winzer hier in der Region. Auf der anderen Seite finde ich, dass auch die anfangen müssen, nachhaltig zu denken. Vor zwei Jahren war ich im Burgund. Hier hat man noch viel größere Trockenheitsprobleme, aber da wurde auch diskutiert, mehr Struktur in den Weinbergen zu schaffen, wie es auch mal war. Aprikosen und Pfirsiche können gesetzt werden, dass man wieder wegkommt von dieser Monokultur. Das müssen wir auch diskutieren!
Wir lösen nicht das Problem, wenn wir von irgendwoher Wasser hochpumpen: Das wird uns definitiv nicht retten. Man sieht ja auch in den USA, wo schon jahrzehntelang bewässert wird, was das macht: Irgendwann hat man gar kein Wasser mehr! Das ist nicht die Lösung. Da müssen wir uns anders aufstellen! Dann gehen vielleicht manche Kulturen nicht mehr und andere Kulturen gehen vielleicht ein bisschen besser, aber diese wirklich kleine, regionale Lösung hinzubekommen, das halte ich für unabdingbar. Aber da muss man halt mal anfangen!
Und die Leute müssen ein Bewusstsein entwickeln - da kommen wir wieder zum Thema nachhaltige Bildung -, dass mein Geldbeutel gar nicht mal so strapaziert wird, wenn ich all diese Dinge mal zusammenrechne.
Claudia und Gerhard Gerster erwarben den alten Vierseitenhof in Dietrichsroda 1994. In den vergangenen 30 Jahren bauten sie hier ihren bäuerlichen, biologisch wirtschaftenden Betrieb auf. Sowohl Kreislaufwirtschaft als auch der verantwortungsbewusste Umgang mit Tieren und Böden sowie der Erhalt traditioneller, handwerklicher Verarbeitung prägen ihre Arbeit. Damit wollen sie ihren Beitrag zu einer ressourcenschonenden und gesunden, enkeltauglichen Landwirtschaft leisten. Das Sonnengut ist ein familiengeführter Betrieb. Neben den Familienmitgliedern arbeiten festangestellte Mitarbeiter*innen auf dem Hof. Auszubildende, Praktikant*innen und FÖJ-ler*innen unterstützen sie in der Arbeit.
Das Interview führte Rebecca Plassa der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt im Herbst 2022.