Versammeln auf der Straße - Ein Recht selbstbewusst vertreten

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Interview mit Dr. Jasper Prigge // Rechtsanwalt und Autor

1) Können sich in Deutschland alle Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft versammeln? Wie ist der Grundgesetz-Artikel zu verstehen?

Die Staatsbürgerschaft entscheidet nicht darüber, ob eine Versammlung zulässig ist. Denn auch wenn Artikel 8 die Versammlungsfreiheit dem Wortlaut nach nur „Deutschen“ gewährt, ermöglichen die Versammlungsgesetze allen Menschen das Recht, sich zu versammeln. Aber selbst wenn es diese Regelung nicht gäbe, folgt schon aus der allgemeinen Handlungsfreiheit, die in Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes geregelt ist, ein Recht zur Versammlung.

2) Braucht es denn zwingend eine Anmeldung einer Versammlung? Wann ist eine spontane Demo möglich?

Das Grundgesetz sagt zwar, dass Versammlungen „ohne Anmeldung“ möglich sind. Auch hier darf man den Wortlaut aber nicht ganz genau nehmen. Die Versammlungsgesetze sehen eine Pflicht zur Anmeldung vor. Die Versammlungsbehörde muss daher mindestens 48 Stunden vor der Bewerbung einer Versammlung informiert werden. Dies sollte am besten per E-Mail erfolgen. Zu nennen sind nach dem sächsischen Versammlungsgesetz das Thema, zudem sollte beschrieben werden, was geplant ist, also Ort, Zeit, wer Veranstalter:in ist und ob geplant ist, eine bestimmte Wegstrecke zu laufen.

Wenn es nicht möglich ist, die Anmeldefrist einzuhalten, beispielsweise wenn ein aktuelles Ereignis der Anlass ist, darf die Versammlung trotzdem stattfinden. In diesen Fällen muss die Anmeldung aber, wenn möglich, vor dem Beginn so schnell, wie es eben geht, nachgeholt werden. Dabei braucht niemand die Sorge zu haben, Ärger zu bekommen, weil die Anmeldung zu spät kommt. Denn das Gesetz kennt keine Sanktion für eine verspätete Anmeldung. Erst wenn eine Versammlung beginnt, ohne dass die Behörde informiert war, kann eine Straftat vorliegen.

Nur wenn die Versammlung spontan entsteht, kann ausnahmsweise auf die Anmeldung verzichtet werden. Solche Spontanversammlungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht vorbereitet werden (können), weil sie so kurzfristig stattfinden. Zur Sicherheit sollte aber eine Anmeldung immer erfolgen, wenn dies vor dem Beginn der Versammlung irgendwie möglich ist.

3) Was können Sie Menschen, die Lust haben, Demonstrationen und Proteste zu organisieren, Ermutigendes mitgeben, damit sie selber Versammlungen anmelden?

Es schadet nie, sich im Vorfeld gut zu informieren. Denn dann wissen die Veranstalter*innen, was im Ernstfall zu tun ist. Bei den meisten Versammlungen gibt es aber keine Probleme und mit jedem Mal sammelt man neue Erfahrungen. Aber niemand braucht Angst davor haben, eine Versammlung selbst zu organisieren. Eine Demokratie braucht den Protest auf der Straße. Jede*r kann etwas tun und eine Versammlung anzumelden, ist gar nicht so schwer.