Die Autorin und Künsterlin Jana Zimmer liest Ende Januar viermal in Sachsen aus ihrem Buch "PRALINEN AUS TANGER- Erinnerungen eines Holocaust-Ersatzkindes über Kunst und Transformation". Aus diesem Anlass dokumentieren wir hier ein Interview mit Jana Zimmer sowie ihren Lebenslauf.
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Auszüge aus einem Autorinneninterview mit Jana Zimmer zum Buch:
Sie haben dieses Buch als ein Projekt beschrieben, an dem vierzig Jahre gearbeitet wurde. Können Sie uns mehr über seine Ursprünge erzählen?
Seit ich ein Kind war, war das, was meiner Familie im Holocaust angetan wurde, ein verbotenes Thema, und ich habe bis jetzt, wo ich alt bin, gebraucht, um einen Weg zu finden, das auszudrücken, was ich darüber sagen muss. Das Buch beschreibt den Weg, wie ich schließlich meine Stimme gefunden habe, ohne meinen Eltern übermäßige Schmerzen zuzufügen oder verbotene Fragen zu stellen. Es ist also keine direkte Antwort auf Ihre Frage, aber das Buch ist aus verschiedenen Materialien entstanden, die ich im Laufe der Zeit angesammelt hatte. Wie Sie im Buch sehen werden, schreibe ich seit etwa 40 Jahren mit Unterbrechungen über all das, meist in sehr privaten Tagebüchern, und in Gedichten, die bis auf eines nie veröffentlicht wurden. Einige der ersten Stücke entstanden in den frühen 1970er Jahren, als ich noch an der Universität studierte.
Auf etwa einem Drittel der Seiten der Memoiren finden sich Ihre künstlerischen Arbeiten. Können Sie mir mehr über Ihren künstlerischen Weg erzählen?
Ich habe erst 1995 angefangen, Kunst zu machen, 11 Jahre nach dem Tod meines Vaters, als meine Mutter zu uns zog. Der größte Teil meiner Kunst und meines Prozesses in den letzten 25 Jahren hat damit zu tun, meine eigene Stimme zu finden, um das auszudrücken, was ich als Überlebende der zweiten Generation ausdrücken muss, zuerst für meine Eltern und jetzt für mich. Auf einer meiner Collagen ist das Gesicht meiner Mutter über ein Bild der Fabrik gelegt, in der sie Zwangsarbeit leisten musste.
Wann hat der eigentliche Prozess der Zusammenstellung des Buches begonnen?
Die Idee, alles zusammenzufügen, kam mir während der Covid-Pandemie, nachdem ich an einem Kurs zum Schreiben von Frauenerinnerungen teilgenommen hatte. Es war eine merkwürdige Zeit, in der sich das Konzept der Zeit selbst zu verändern schien. Mir wurde klar, dass ich mich nicht allein auf mein Gedächtnis verlassen musste. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern jedes Familiendokument, das sie retten konnten, aufbewahrten, einige vergruben und einige bei Nachbarn hinterließen, als sie deportiert wurden. Das älteste dieser Dokumente stammt aus dem Jahr 1829, die neueren aus der Zeit des Krieges. Nachdem meine Mutter diese Fundgrube nach Santa Barbara gebracht hatte, scannte ich alle Dokumente und Fotos ein. Ich begann, die verschiedenen Fragmente während des Lockdowns zusammenzufügen. Dann schlug meine Stieftochter vor, ich solle mich an einen Verlag wenden. (…)
Das ist eine ganz schöne Reise. Übrigens, hatte Ihre Schreibgruppe einen Namen?
(Lacht) Nicht offiziell, aber wir nennen uns inoffiziell "Der Hexenzirkel". Wir sind alle Feministinnen in einem bestimmten Alter. Und ja, ich schreibe immer noch mit ihnen.
Es ist toll, dieses unterstützende Netzwerk zu haben. Ihr Buch behandelt Themen wie Mitgefühl und Verbundenheit. Wie kann die Veröffentlichung Ihres Buches Ihrer Meinung nach das Gefühl der Verbundenheit nicht nur zwischen Einzelpersonen, sondern auch zwischen traumatisierten Gemeinschaften fördern?
Genau das ist meine Hoffnung. Als ich anfing, das Buch zusammenzustellen und zu veröffentlichen, war das zunächst kein bewusster Wunsch oder eine Absicht. Es ist jedoch zu meinem Hauptanliegen geworden. Der Aufbau von Allianzen zwischen traumatisierten Gemeinschaften, die historisch gesehen gegeneinander ausgespielt wurden, ist ein entscheidender Aspekt. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass die Menschen zusammenkommen und verstehen, wer wirklich für ihr Leid verantwortlich ist. (...)
Jetzt frage ich mich: "Wie können wir das überwinden, was uns von anderen traumatisierten Gemeinschaften trennt?" Obwohl ich mir dessen nicht bewusst war, als ich begann, mein Buch zu schreiben, fühle ich mich jetzt gezwungen, diese Frage zu beantworten.
Übersetzt aus Montecito Journal
Jana Zimmer
* 1946 in Prag
Rechtsanwältin i.R. in St. Barbara, Kalifornien
Jana Zimmer wurde 1946 als Tochter einer Holocaust-Überlebenden geboren. Ihre Mutter Klara Zimmer wurde 1912 in Kromĕříž (dt. Kremsier), Mähren, als Klara Kohn geboren. 1938 heiratete sie in erster Ehe den Kinderarzt Dr. Alfred Löff. Nach dem Einmarsch der Deutschen in die Tschechoslowakei kam sie im Juni 1942 zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer Mutter (Elsa Kohn) nach Theresienstadt. Ehemann Alfred und ihre Mutter Elsa wurden 1944 in Auschwitz ermordet. Klara Löff wurde von dort aus im Herbst 1944 als „arbeitsfähig“ zur Zwangsarbeit nach Freiberg verschleppt.
Im KZ Mauthausen erlebte sie die Befreiung durch amerikanische Truppen. Sie ging nach Prag und lernte dort kurz darauf Josef Zimmer kennen, der ebenfalls ein Überlebender des Ghettos Theresienstadt und von Auschwitz war. Sie heiratete ihn in zweiter Ehe. 1946 wurde ihre Tochter Jana geboren.
Josef Zimmer, geb. 1898 in Soběslav (dt. Sobieslau), Böhmen, war seit 1930 in erster Ehe mit Katerina („Kitty“) Trieben in Prag verheiratet gewesen. 1932 kam deren Tochter Margarethe („Ritta“) zur Welt. Im Februar 1942 wurden Josef, Kitty und Margarethe nach Theresienstadt deportiert, wo ihre Tochter Zeichenunterricht bei der Künstlerin Friedl Dicker-Brandeis erhielt. 1944 wurde Ritta nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Kinderzeichnungen von Ritta überdauerten Ghetto und Krieg. Sie befinden sich heute im Jüdischen Museum in Prag.
1948 emigrierten Josef, Klara und Tochter Jana Zimmer nach Kanada, nach Montreal. 1963 zogen sie nach San Diego, Kalifornien, USA. Jana Zimmer studierte an der San Diego State University und an der University of California in Santa Barbara Französische Literatur und Linguistik. Von 1969 bis 1974 arbeitete sie als Lehrkraft für Französisch. An der Loyola Law School in Los Angeles erwarb sie ihren Abschluss in Rechtswissenschaften und arbeitete mehrere Jahre in einer Rechtsanwaltskanzlei in Los Angeles als Anwältin. Janas Vater starb 1984.
Seit 1986 wohnt sie in Santa Barbara. Hier und in Los Angeles war sie bis 2005 als erfolgreiche und hochangesehene Rechtsanwältin in den Bereichen Umweltrecht, Staats-und Eigentumsrecht tätig. Für ihr aktives Engagement in zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen u.a. im Komitee für Frauenrechte, in Naturschutzorganisationen, im Segelverein, aber auch als Küstenschutzbeauftragte in der California Coastal Commission, der wichtigsten Umweltschutzagentur in Kalifornien, ist Jana Zimmer hochgeachtet.
Ihren Weg zur Kunst fand Jana Zimmer erst spät. Mitte der 1990er Jahre zog ihre Mutter zu ihr. Bilder rund um die geschichtlichen Themen des Lebens ihrer Mutter zu schaffen, empfand Jana nun als einen Weg, ihre Mutter zu ehren und neue Wege der Kommunikation zwischen ihnen zu öffnen. Dies setzte sie auch nach dem Tod der Mutter im Jahr 2000 fort. Viele der frühen Werke reflektieren ihre Auseinandersetzung mit dem Leben ihrer Eltern unter deren Erfahrungen des Holocaust. In ihren Monotypien und Grafiken verarbeitet Jana Zimmer immer wieder Zeichnungen ihrer Schwester aus dem Ghetto, historische Familiendokumente, aber auch die Hand geschriebene Lebensgeschichte ihres Vaters.
Sie erwarb ihre künstlerische Ausbildung durch Abendkurse der Erwachsenenbildung am Santa Barbara City College. Sie vertiefte ihre künstlerischen Fähigkeiten in gemeinsamen Studienzeiten mit zeitgenössischen amerikanischen Künstlern in Santa Fe und New Mexico, sowie bei einem Studienaufenthalt in Florenz. Nach ihrem künstlerischen Debüt in der Jewish Federation mit Grafiken und Collagen zum Thema „Kunst der Überlebenden“ wurde sie 2007 auch in Europa durch Ausstellungen in Prag und Terezín bekannt, wo sie der Prager Künstlerin Helga Weissová-Hošková – wie ihre Mutter Überlebende des Holocaust und eine der Freiberger Zwangsarbeiterinnen – begegnete.
Mit Ausstellungen in Neuseeland, Spanien und Bulgarien gehört Jana Zimmer mit ihren Collagen und modernen Druckgrafiken zu den international anerkannten zeitgenössischen Künstlerinnen.
Sie arbeitet zu Themen der Holocaust-Erinnerungen und deren Verarbeitung durch die heutigen Generationen und zur Emanzipation der Frau. Ihr Buch "Chocolates from Tangier" erschien 2023 bei DoppelHouese Press. In deutscher Übersetzung erschien es 2024 bei Hentrich&Hentrich unter dem Titel "Pralinen aus Tanger".
Die Autorin und Künsterlin Jana Zimmer liest Ende Januar viermal in Sachsen aus ihrem Buch "PRALINEN AUS TANGER- Erinnerungen eines Holocaust-Ersatzkindes über Kunst und Transformation". Termine und Informationen zu den Lesungen