The North Drift: Plastikmüll aus Deutschland in der Arktis

Lesedauer: 17 Minuten
Steffen Krones und Tourguide Kris sammeln Müll in den Lofoten

Steffen Krones ist Filmemacher. Eine Reise weit in den Norden von Norwegen hat den gebürtigen Dresdner zu seinem Dokumentarfilm „The North Drift“ angeregt. Fasziniert von der Natur der Lofoten stieß er in dem arktischen Paradies immer wieder auf Plastikmüll, auch aus Deutschland. Kann es wirklich sein, dass unser Müll in der Arktis angespült wird? Mit sogenannten Driftern vollzieht er die Reise von Plastik aus Dresden bis nördlich des Polarkreises nach. Entstanden ist dabei nicht nur ein für die Wissenschaft interessantes Werk, sondern auch ein unterhaltsames Lehrstück für uns alle!

Eine 45-minütige Version des Film wurde im Dezember 2021 unter dem Titel "Wie gelangt unser Müll in die Arktis? - Flaschenpost aus Dresden" ausgestrahlt.

 

Grit Ebert: Eine Bierflasche aus Deutschland war es, die Dich anregte, über Müllströme aus Deutschland in Richtung Arktis nachzudenken. Kannst Du kurz noch einmal zu diesem Moment zurückkehren, was Dir damals durch den Kopf ging?

Steffen Krones: Ich erinnere mich noch ziemlich gut daran. Wir sind auf eine kleine Insel gepaddelt, ausgestiegen und rumgewandert. 10 Minuten, nachdem wir aus den Kajaks raus sind, finden wir eine deutsche Bierflasche. Alle so: Ey, Du hast Deinen Müll hier gelassen! Ja, es war eher lustig am Anfang. Auf dem Rest des Spaziergangs haben wir dann immer mehr Müll gefunden und eingesammelt. Als die Reise vorbei war, habe ich mich damit auseinander gesetzt und festgestellt, dass das gar nicht lustig ist.

 

Grit Ebert: Da warst Du aber in Gedanken noch nicht bei einem Film, so wie das klingt? Das heißt, Du hast Dich erst einmal mit dem Thema Plastik auseinander gesetzt. Und wie kam es dann zur eigentlichen Filmidee?

Steffen Krones: Ich hatte auf meiner Reise die Kamera sowieso dabei, weil mich die Lofoten visuell sehr reizen. Durch Kris (Anm. der Red.: Tour-Guide und Freund) kam zu den faszinierenden Motiven noch eine wichtige Message hinzu, dass man nicht nur diesen Trip nach Draußen hat, sondern eben auch was zusätzlich macht, nämlich Müll sammeln. Für ihn habe ich einen kleinen Clip unserer Reise zusammengeschnitten, einfach als Dankeschön für diese Inspiration und dafür, dass er uns mitgenommen hat. Beim Schnitt bin ich immer wieder über das Material der Bierflasche gestolpert und habe gedacht: Eine Bierflasche aus Deutschland in der Arktis angespült? Das wäre ja zu krass!

Parallel habe ich also mit ersten Recherchearbeiten begonnen, was möglich ist. Wie sind die Strömungen? Dabei bin ich auf die ersten Webseiten gestoßen, die mir gezeigt haben, dass es tatsächlich möglich ist, etwa die Seite zum arctical drift von einem meiner späteren Interviewpartner. Hier sieht man eine Weltkarte, wo man reinklicken kann. Eine animierte Quietscheente zeigt Dir dann, wo Dein Müll mal in 3 bis 5 Jahren landen wird. Und wenn Müll in der Nordseebucht startet, dann zieht er in die Arktis. Mein Heimatgewässer mit der Arktis oben bei Kris im Norden wirklich verbunden!?

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Grit Ebert: Mit Deinen Recherchen zu Plastik war die Idee eines Films geboren. Nun kann man natürlich sagen, okay, Du hast ganz viele Sachen recherchiert, darüber nachgedacht, nun könnte man auch z.B. sich an Demonstrationen beteiligen, Petitionen auf den Weg bringen. Warum nun ausgerechnet der Film?

Steffen Krones: Für mich liegt es natürlich auf der Hand, einen Film zu machen, weil es mein Beruf ist. Es ist für mich auch immer noch ein sehr starkes Medium, weil Du natürlich sehr viel miteinander verbinden kannst: die starken Bilder, das Emotionale, die Wissenschaft, die Fakten, … Du kannst das alles zusammenbringen! Ich würde dem Film zuschreiben, dass er schon fast eine gewisse Macht und damit natürlich auch Verantwortung hat.

Klar, ich kann auf eine Demonstration gehen und Petitionen starten oder auch unterschreiben. Das mache ich ja auch alles als Privatmensch. Aber ein Film kann eben beides auch auslösen. Ein Film kann zu Zuwachs bei Demonstrationen führen, natürlich auch eine ganz eigene Demonstration loslösen. Er kann Menschen dazu bringen, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, wo vielleicht eine Petition draus startet. Ja, er verbindet all das!

In dem postfaktischen Zeitalter, in dem wir nun mal sind und in dem für viele Menschen emotionale Fakten wichtiger sind als „echte“ Fakten, spielt Film ebenfalls eine herausragende Rolle. Ich kann diesen Film emotional erzählen und dann mit Wissenschaftskontext belegen. Damit kann ich Menschen erreichen und ihnen auch wirklich die Augen öffnen, die ich vielleicht mit reinen Fakten nie erreicht hätte. Film hat so eine Power! Auch wenn es schwer messbar ist, aber ich denke, dass er ein sehr wichtiger Teil einer langen Reise ist.

Plastiktüte im Meer treibend

Grit Ebert: Deutschland ist nach den USA und Japan der drittgrößte Exporteur von Plastikmüll nach Asien. Mit anderen Worten: wir exportieren quasi unser Plastikmüllproblem in Regionen, wo wir selten sind, wo der Müll für uns unsichtbar ist. Ist ja auch sehr praktisch. Beginnst Du Deinen Film dennoch oder genau aus diesem Grund in Dresden, also in Deutschland?

Steffen Krones: Beides. Bei der Recherche stellte ich fest, dass wir ganz viel Plastikmüll exportieren und der Anteil, den wir hier lassen, der wird großteilig - im Fachbegriff - thermisch verwertet, oder kurz: verbrannt. Da versteht man zumindest, wieso Müll für viele Bürger kein großes Thema ist. Man sieht ihn ja nicht! Man kennt das Problem ja nicht. Erst recht, wenn wir es exportieren nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“.

Aktuell ist zum Thema Recycling ein Film in der ARD Mediathek zu finden „Die Recyclinglüge“. Da merkt man, dass das Thema Recycling so viel Stoff alleine birgt, um einen eigenen Film draus zu machen. Währenddessen ich schauen wollte, was passiert eben mit dem Müll, der bei uns in der Natur landet, der eben nicht da landet, wo er mal landen soll – im Mülleimer.

 

Grit Ebert: Wir sitzen ja gerade an der Elbe, währenddessen wir das Interview machen. Nun ist gerade heute bis auf einige Bierflaschen nicht so viel Müll sichtbar, aber mir fällt schon auf, dass das Müllaufkommen hier an den Elbwiesen enorm gestiegen ist in den letzten Jahren. Werden die Leute einfach bequemer, interessiert es sie nicht?

Steffen Krones: Ich denke, dass ist definitiv ein komplexeres Problem!

Der Mensch lässt den Müll liegen. Das ist ganz klar. Auf der anderen Seite wird aber auch immer mehr in Plastik verpackt. Und damit wird auch mehr Plastik gekauft. Wenn mehr Plastik gekauft wird, ist die Wahrscheinlichkeit einfach höher, dass es auch in der Umwelt landet, egal, ob absichtlich oder unabsichtlich.

Es gibt auch mehr Leute, die draußen sein wollen. Dementsprechend sind auch mehr Leute an der Elbe. Es gibt mehr Gelegenheiten für aus Versehen liegen gelassenen Müll.

Aber auch die Stadt ist da in einer gewissen Verantwortung, Kommunen generell müssen das Problem selber angehen mit besserer Infrastruktur. Ein Beispiel: An den Elbwiesen gibt es ja hier und da Mülleimer, aber die sind a) in zu großen Abständen und b) sind sie überhaupt nicht für das jetzige Müllaufkommen gemacht. Sie haben immer noch kleine Öffnungen, etwa für To-go-Kaffeebecher und Plastik-Bierbecher. Aber tatsächlich ist das ja gar nicht mehr das, was das große Müllaufkommen ausmacht! Das sind Grillzeug, Pizzaverpackungen, was auch immer – das passt da gar nicht rein! Und wenn sie doch reingestopft werden, verstopfen sie sofort den Mülleimer. Dann wird alles daneben gelegt. Die Raben holen sich die Reste und verteilen alles über die ganzen Elbwiesen. Und so gelangt der Müll ins System. Dagegen kann man schon sehr viel machen, wenn man mehr Mülleimer hat und größere.

 

Grit Ebert: Weil Du gerade die Kommunen erwähnt hast: Hier in Dresden zumindest finden Reinigungen der Elbwiesen statt: Ich kann mich erinnern an die Vorpremiere von Deinem Film, da war ein Thema im anschließenden Gespräch, ob man den Strand lieber dreckig lassen und die Leute so für das Thema sensibilisieren sollte oder tatsächlich die Strände säubert. Was sagst Du?

Steffen Krones: Ich finde, das könnte man inzwischen fast kombinieren. Ich glaube, dass Clean Ups dem Ökosystem extrem viel helfen. Sie haben auch einen Lerneffekt und auch eine gewisse mediale Aufmerksamkeit.

Aber wenn es diese Clean Ups, die Stadtreinigung bzw. den Tourismus nicht geben würde, dann würde es ganz anders aussehen! Und da sind wir wieder bei dem Problem. Ich sympathisiere immer mehr mit dem Gedanken, mal fast schon wie so ein Protest den Müll einen Monat nicht aufzuräumen. Dann könnte sich vielleicht ein großer öffentlicher Clean Up anschließen.

Manchmal denke ich, das ist nötig, um wirklich den Menschen die Mülldimension zeigen zu können!

 

Grit Ebert: Du hattest vorhin schon angesprochen, dass die Industrie zunehmend ihre Produkte in Plastik verpackt. Die Industrie meint ja, das ist der Wunsch von Konsument*innen. Auf der anderen Seite hat man als Konsument*in ja kaum noch Chancen, was Unverpacktes zu finden! Es sei denn, man kauft bei Unverpackt-Läden ein oder ja, auch in Bioläden. Die großen Discounter bieten kaum offene Ware an. Wo siehst Du denn eine Möglichkeit anzusetzen? Oder sind beide in der Pflicht, Konsument*in und Industrie?

Steffen Krones: Ich glaube defnitiv, dass die Industrie mehr in die Pflicht genommen werden muss, weil sie selber nichts macht und wenn, dann leider nur so ein bisschen scheinheilig. Nehmen wir etwa das Bioplastik: Es ist zwar schön, dass kein Rohöl dafür geopfert wurde, ja, das ist schon richtig, aber am Ende wird auch das verbrannt und es entsteht CO2. Wenn es wirklich gute Argumente geben würde dafür, dass man Sachen in Plastik einpackt, meinetwegen damit die Lebensmittel länger haltbar sind, dann müsste es wenigstens Regularien für das verwendete Plastik geben. Ich sage mal, dass es zertifiziert und irgendwie sortenrein ist. Es wird also nur eine Sorte Plastik genutzt und diesem Plastik werden dann auch nicht irgendwelche Zusätze wie etwa Weichmacher beigemischt. Im Prinzip gibt es dann eine handvoll Plastiksorten, die definierbar sind, die vorgegeben sind und keine anderen dürfen verwendet werden, erst recht nicht als Mix. Das Mischen verschiedener Sorten und Zusätze sind ja das Problem im Recyclingprozess, wieso es so schwer ist, Plastik zu recyceln.

Die klarste und einfachste Leitlinie für mich ist Reduce, Reuse, Recycel. Das bedeutet generell: viel weniger Plastik, aber auch Plastik im Kreislauf zu halten, bis es irgendwann vielleicht nicht mehr recyclingfähig ist. Und man muss die Möglichkeit auf Mehrweg haben, zumindest da, wo es möglich ist.

Wie kommt Plastik aus Dresden in die Arktis? In einem Interview sprachen wir mit Steffen Krones, Filmemacher von The North Drift über seine Reise von Dresden in die Lofoten.

Grit Ebert: Ich will jetzt doch nochmal auf Deinen Film zurückkommen. Gibt es da eine Filmszene, die Dir bis heute noch besonders nahe geht, die Dich besonders berühert?

Steffen Krones: Ich finde bis heute sicherlich das Ende schön und emotional, weil es diesen Aufbruch beschreibt.

Der Film zeigt aber auch krasse Müll-Hotspots - Norwegen mit diesem so heftigen Spot, wo so viel Plastik ist. Das beschäftigt mich natürlich auch immer mal wieder. Deutschlands beliebtester Fisch, der Lachs, kommt aus Norwegen, zumindest der Mammutanteil. Wenn die Leute wüssten, dass die weltgrößte Lachsfarm im Gebiet des Hotspots liegt, sähe das sicherlich anders aus. Die Fischindustrie hat ein Stück weit dieses Gebiet gewählt, weil eben die Strömung gut durchzieht, aber gleichzeitig sind sie da in dieser riesengroßen Plastikschneise. Wenn ich jetzt wirklich mal Lachs kaufe, dann schaue ich nach! Ich kenne zumindest die Bilder aus Norwegen und das hemmt mich extrem, wirklich diesen Fisch zu kaufen. Wenn man das sieht, es ist Wahnsinn! Es ist einfach Wahnsinn!

 

Grit Ebert: Ihr habt die norwegischen Müllsammler*innen im Rahmen der Dreharbeiten begleitet, die jeden Tag aufs Meer rausfahren und dort Tonnen an Müll von den vielen kleinen Inseln einsammeln. Kannst Du was zu dem da gefundenen Müll sagen? Um was für Müll handelt es sich? Ist es eher Hausmüll? Sind es eher Reste von der Fischerei? Oder Gewerbemüll? Und ließen sich auch Länder zurückverfolgen? Gab es Marken, die Euch aufgefallen sind?

Steffen Krones: Bei so viel Müll findest Du gefühlt alles, was man sich so vorstellen kann! Das sichtbarste ist Müll von Industrie und dementsprechend auch Fischerei. Wenn man sich ein bisschen damit auseinander setzt, ist das aber auch ganz logisch: Wellen und Sonne machen den superkrass robusten Fischereiutensilien nicht wirklich viel aus. Die sind ja extra dafür geschaffen. Am Strand kommen sie fast noch im selben Zustand an. Wenn man dann ein bisschen in den angespülten Netzen schaut, dann zeigt sich mal ein Plastikbecher, Feuerzeuge; Kinderspielzeug findet man sehr oft. Das sehe ich auch immer wieder an der Elbe. Kinder verbuddeln ihr Sandspielzeug und dann geht es ganz schnell verloren. Der Rest ist schwer zu definieren. Und das ist auch ganz klar: Wenn in Dresden etwas in die Elbe gerät, dann kann es Jahre dauern, wenn nicht sogar Jahrzehnte, bis es wirklich in der Nordsee landet. In der Zeit ist das Meiste Mikroplastik oder klein, wirklich fragmentiert. Das ist auch der Grund, wieso wir in Nord-Norwegen so einen großen Mikroplastik-Anteil haben. Das Meiste ist zum Teil zehn, zwanzig, dreißig Jahre alt.

Während für große Tiere die herrenlosen Netze ein Problem sind, leiden die kleinen Mikroorganismen am Anfang der Nahrungskette unter dem Mikroplastik. Und das ist auch das eigentliche Problem, dass Plastikmüll fast überall in jeder Größe ansetzt und Schaden anrichtet.

Bei den Marken erinnere ich mich an Becher von Danone. Es war auch immer mal wieder eine Cola-Flasche dabei, Coca-Cola natürlich. Müll von Nestle war auch darunter.

Bei den Ländern ist es immer so eine Sache: Müll gab es aus allen Ländern zu finden, aber man kann nicht sagen, ob er auf dem Meer von Bord geworfen wurde, ob Touristen ihn mitgebracht und liegen gelassen haben oder ob er wirklich die lange Reise durchs Meer angetreten hat. Und genau das war eben auch ein Grund, wieso ich gesagt habe, das will ich mir jetzt anschauen und genauer untersuchen!

Steffen Krones auf dem Forschungsschiff Aldebaran.

Grit Ebert: Tatsächlich habt Ihr also in Dresden angefangen, Drifter auszusetzen. Die sind dann auch immer mal ein Stück weit gekommen. Dann wurden sie irgendwo angespült, genau wie Plastik auch. Du bist dann los, konntest mit GPS nachverfolgen, wo sie liegen. Ihr habt die Drifter ein Stückchen weiter wieder reingeworfen. Und so habt Ihr die Strecke nachempfunden, wie Plastikmüll treiben würde, wenn er denn in die Elbe gerät. Die Drifter, die an den Lofoten angelandet sind, habt Ihr in der Nordsee ausgesetzt, um zu sehen, welchen Weg sie nehmen. Wie lange haben sie denn von der Nordsee kommend bis auf die Lofoten gebraucht?

Steffen Krones: Es waren am Ende 140, 150 Tage. Bis nördlich des Polarkreises waren sie ca. 170 Tage unterwegs. Das geht dann doch recht schnell. Ich glaube, bei idealen Wetter- und Strömungsbedingungen kann das unter Umständen auch nur 1 bis 2 Monate dauern. Die Drifter machen ja keine Pause. Sie sind nonstop mit 3, 4 Kilometern pro Stunde unterwegs, dabei machen sie natürlich ein paar Wirbel und ein paar Umwege.

Weil Du es schon angesprochen hast mit der Elbe. Im Fluss sind die Drifter tatsächlich viel länger unterwegs, weil sie längere Zeit liegen, als dass sie driften. Das war auch der Grund, wieso wir sie dann auch in der Nordsee ausgesetzt haben. Die Drifter waren auch nicht dafür gemacht, dass sie so superlange halten. Wir mussten immer mal wieder Akkus wechseln, mal die Schwimmkörper tauschen. Die waren ja aus Kork, damit sie auch wirklich schwimmen. Über die Zeit haben wir auch gemerkt, dass die Drifter viel robuster und viel größer werden müssen, um die Reise bis nach Norwegen antreten zu können. Wir hatten Angst, dass sie uns hier an der felsigen Küste zerscherbeln und wir sie nie wieder finden würden! Es war uns ja auch wichtig, keinen zusätzlichen Müll in das System zu bringen.

 

Grit Ebert: Ist eine Welt ohne Plastik überhaupt noch möglich? Und wenn ja, was ist jetzt zu tun? Und wer muss was tun? Was hast Du dazu aus den Gesprächen mit den Wissenschaftler*innen mitgenommen?

Steffen Krones: Möglich ist ja alles und immer! Bloß wie wahrscheinlich ist das? Ich glaube nicht, dass es eine Welt ohne Plastik geben wird, auch in Zukunft nicht. Das glaube ich einfach nicht!

Plastik ist ein günstiger Rohstoff. Es lässt sich einfach transportieren, damit wird zumindest beim Transport selbst weniger CO2 ausgestoßen. Und Plastik hat die hygienischen Bedingungen verbessert. Aber es ist eben auch so, dass der Rohstoff einfach falsch genutzt wird und die Gefahren in all die Kalkulationen nicht mit einbezogen werden.

Was ich mir schon vorstellen kann, ist eine Welt mit viel, viel, viel weniger Plastik, mit Dingen aus Plastik, die wir dann auch mal zehn Jahre nutzen können, bevor sie dann hoffentlich auch wieder recycelt werden. Wie gesagt: Reduce, Reuse. Recycle! Da müssen wir hin! Und schon heute wäre so viel möglich!

Trotzdem stehen aktuell alle Weichen darauf, dass mehr und mehr an Plastik hergestellt und konsumiert wird. Das hat sicherlich mehrere Gründe. Einer davon mag sein, dass die Ölindustrie den Verkehrssektor in Gefahr sieht. Verkehr der Zukunft setzt auf Elektromobilität und vielleicht noch auf Wasserstoff. Mittelfristig wird also der Ölindustrie ein großer Markt wegbrechen. Natürlich suchen sie schon seit Jahren neue Zweige: Und das ist – ganz klar – die Plastikindustrie! Jetzt ist die Politik gefragt, Vorgaben für die Industrie zu machen. Jetzt ist es ganz wichtig zu sagen, wir reduzieren die Anzahl an Plastiksorten und Zusatzstoffen. Das würde so viel helfen, glaube ich! Wenn dann noch Firmen auf die Idee kommen, auf Plastik zu verzichten, wäre das ein weiterer großer Schritt. Politik steckt den Rahmen für die Industrie. Die Industrie handelt. Dann erst hat der Konsument auch die Kraft zu entscheiden.

 

Grit Ebert: Als Filmemacher hattest Du sicherlich ein Ziel bzw. ein Bild im Kopf, was Du bei den Zuschauer*innen auslösen möchtest. Wie sieht das aus?

Steffen Krones: Am Anfang war meine Vorstellung, dass ich es schaffen könnte, den Menschen zu zeigen, was unser Handeln auch mit ganz weit entfernten Regionen der Erde zu tun hat, vor allem mit der Arktis, die schon sowieso bekannt ist für den Einfluss des Klimawandels. Was passiert, wenn eben jetzt oben drauf zu diesem hohen Druck auch noch Müll kommt? Und ich dachte, dass ich vielleicht eben diese Welten gerade mit Plastik verbinden kann. Weil Plastik ist eben visuell. Man kennt es. Die meisten Leute wissen, dass es ein Problem ist. Und während das CO2 zumindest nicht greifbar und nicht sichtbar ist, könnte das konkrete Plastik die Leute vielleicht dazu bewegen, das große Ganze besser zu verstehen.

Es ist und bleibt mein Ziel, dass sie sagen: Ey krass, ich hab niemals gedacht, dass a) wir so viel Müll produzieren und b) davon so viel in der Umwelt landet und c) dass wir nachweislich diesen Einfluss auf das fragile Ökosystem in der Arktis haben, von dem wir ja dann doch so krass abhängig sind. Und ich hoffe, dass die Leute dann mehr sensibilisiert sind im Alltag! Ich möchte ihnen zeigen, dass sie einen großen Einfluss auf das Ganze haben. Dann ist viel geschafft!

Gerade in der aktuellen Krisenzeit, wo Pandemie und Krieg sowie die sich zuspitzende Energie- und Wärmekrise viele andere Themen überlagern, ist es wichtig, sich und anderen immer wieder bewusst zu machen, wie abhängig wir von fossilen Energieträgern sind. Wir müssen genau hinschauen, welche Firmen Gas und Öl verbrauchen, wie viel Rohöl allein der Chemiesektor braucht, um Plastik herzustellen. Dann sieht man erst, was und wo man eigentlich alles einsparen könnte!

Veränderungen sind zumindest in den ersten Schritten immer hart und schwer. Doch sie werden auch immer schwerer, je später wir sie machen. Aber um so sensibilisierter die Gesellschaft ist, um so mehr Unterstützung gibt es dann auch für die Politik, die dann diese großen Schritte gehen kann und um so größer ist auch die Toleranz, diese Veränderung auszuhalten, bis sie dann wirklich greift.

 

Porträtaufnahme Steffen Krones

Steffen Krones:

Steffen Krones ist ein in Dresden ansässiger Regisseur und Filmemacher. Nach erfolgreich absolvierter Ausbildung zum Mediengestalter und Fachabitur für Kunst und Gestaltung, zog er nach Kanada. In Zusammenarbeit mit anderen Filmemachern (wie z.B. Sebastian Linda) bereiste er weitere Orte der Welt und es entstanden preisgekrönte Videos, Kurzfilme und Dokumentarfilme. So auch der Dokumentarfilm The Journey of the Beasts, welcher mit vielen Festivalpreisen ausgezeichnet und in der ARD als MUST SEE präsentiert wurde. Als freiberuflicher Filmemacher arbeitet er crossmedial und genreübergreifend für Film-, Fernsehen- und Internetproduktionen, hauptsächlich im Bereich Werbe- und Image- bzw. auch Dokumentarfilm.

Das Interview führte Grit Ebert im Juni 2022.

 

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