Freie Berufswahl, Gleichberechtigung, Privatssphäre, Menschenwürde - das Sanktionsregime Hartz-IV höhlt allerlei Grundrechte aus. Sozialpolitik wirkt hier ignorant und entmündigend und folgt autoritär einer Marktlogik. Alternativ sollte Sozialpolitik jedoch den Bedarfen folgen und dabei möglichst viel Autonomie zulassen.
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Wie Grundrechte im 'Hartz-IV'-System ausgehöhlt werden - und was das mit Rechtspopulismus zu tun hat
- Soziale Rechte als Kern von Wohlfahrtsstaatlichkeit
- Wandel des Wohlfahrtsstaates im neoliberalen Zeitalter: «autoritärer Kapitalismus»?
- Analyse autoritärer Tendenzen in der «aktivierenden» deutschen Arbeitsmarktpolitik
- Grundrecht auf freie Berufswahl
- Mangelnde Gleichberechtigung und Eingriffe in die Privatsphäre
- Sanktionsregime gegen Menschenwürde
- Fortwährende Verschärfungen, weniger Rechte – trotz vielfacher Kritik
- Kosteneffizienz statt bedarfsgerechte Weiterbildung und Betreuung
- Ignoranz bis Entmündigung
- Soziale Dienstleister unter Druck: Kosteneffizienz vor Berufsethik und Qualität
- Gegentendenzen und Alternativen zu autoritärer Sozialpolitik
- Literatur
Einleitung
Ein Drittel der deutschen Bevölkerung fühlt sich als Bürger*in nicht anerkannt, sondern als Mensch zweiter Klasse behandelt und Ämtern und Behörden ausgeliefert, so die Leipziger Autoritarismusstudie (Decker et al. 2018: 164f). Die Autoren erklären diesen Befund mit einer allgemeinen „autoritären Dynamik“ von Gesellschaft und staatlicher Politik, „die (das Individuum) der Schutzrechte beraubt und (es) einer autoritären Aggression aussetzt“ (Decker 2018: 57).
Im Licht solcher und ähnlicher Befunde und Interpretationen soll es hier nicht allein um die Frage gehen, ob und inwiefern es Tendenzen autoritärer Sozialpolitik gibt, sondern es gilt auch, diese Entwicklung aus einer soziologischen Perspektive heraus zu erklären. Weshalb finden bestimmte Politiken relativ breite Zustimmung? Dies ordnet sich in die Debatte um den zunehmenden so genannten Rechtspopulismus ein, ohne dass diese hier in ganzer Breite mit verhandelt wird.
Gesellschaftliche Entwicklungen und Politiken in modernen, demokratisch verfassten Gesellschaften sind nie gleichförmig und gleich gerichtet, sondern weisen oftmals Merkmale der Ambivalenz auf. Daher soll es auch um die Frage gehen, ob neben identifizierbaren autoritären Tendenzen in der Sozialpolitik zugleich auch gegenläufige Trends zu beobachten sind. Daran schließt sich ein kurzer Ausblick auf die Diskussion alternativer Entwürfe von Sozialpolitik an, die sich an anderen Leitbildern orientieren.
Autoritäre Elemente in der deutschen Sozialpolitik spiegeln hauptsächlich eine "Autorität des Marktes" wider.
Die Kernthese des Beitrags lautet, dass autoritäre Elemente in der (hier nur untersuchten deutschen) Sozial- und vor allem Arbeitsmarktpolitik zu erkennen sind, wobei diese hauptsächlich eine „Autorität der Marktlogik“ widerspiegeln. Oftmals werden solche Elemente in bestimmte quasi-marktliche Steuerungsinstrumente „verpackt“, die eine ebenbürtige Beziehung zwischen Vertragspartnern suggerieren, aber keine Selbst- und Mitbestimmungsrechte der adressierten Bürger*innen beinhalten. Betroffen von solchen illiberalen Einschränkungen sind v.a. einkommensarme Bürger*innen, in deren Selbstbestimmungsrechte massiv eingegriffen wird.
Wir beziehen uns in der folgenden Analyse auf die begrifflichen Definitionen autoritärer politischer Tendenzen im Intro zu diesem Dossier (Eitel 2018), insbesondere die Einschränkung oder Aushöhlung von Grundrechten oder eine tendenzielle Entmündigung von Bürger*innen und ihre pauschale Beurteilung als „gefährlich“. Es folgt zunächst eine knappe theoretische Einordnung in die bereits seit längerem geführte Debatte um soziale Bürger*innenrechte im Wohlfahrtskapitalismus, bevor wir den Wandel zum „Aktivierenden Sozialstaat“ im Hinblick auf autoritäre Tendenzen genauer analysieren.
Soziale Rechte als Kern von Wohlfahrtsstaatlichkeit
In frühkapitalistischen, vor-sozialstaatlichen Gesellschaften war der Umgang mit den Armen stark durch autoritäre, disziplinierende Zwangsmaßnahmen wie (kommunale) Arbeits- und Armenhäuser gekennzeichnet, wodurch der mittelalterliche, religiös motivierte, das Seelenheil des Spenders sichernde, karitative Umgang mit Armen und Bettlern abgelöst wurde (vgl. Sachße/Tennstedt 1980). Demgegenüber zeichnet sich der nach langen sozialen Kämpfen errichtete moderne Wohlfahrtsstaat – oder besser: „Wohlfahrtskapitalismus“ – dadurch aus, dass er neben zivilen und politischen Grund- und Bürgerrechten auch (mehr oder minder) umfangreiche soziale Rechte garantiert, d.h. die Sicherstellung eines soziokulturellen Existenzminimums und sozialer Teilhabe gewährleisten soll.
Eine wichtige wohlfahrtsstaatliche Zielsetzung besteht in der Erreichung von Chancengleichheit, um auf diese Weise als gesellschaftlich illegitim, also nicht gerechtfertigt, erachtete soziale Ungleichheiten zu reduzieren (vgl. Marshall 1950). Dies bedeutet zugleich, dass sich ein ausgebauter Wohlfahrtsstaat nicht auf die Alimentierung, Verwaltung und Betreuung der Ärmsten beschränkt, sondern (in unterschiedlichem Grad) wohlfahrtsstaatliche Leistungen für die Gesamtbevölkerung bereitstellt. Diese Merkmale eines ausgebauten Wohlfahrtsstaates stehen damit zunächst einmal in grundsätzlichem Widerspruch zu einer „autoritären“ Sozialpolitik, die es an individuellen Teilhabe- und Selbstbestimmungsrechten fehlen lässt. Ein ausgebauter Wohlfahrtsstaat stellt mithin unzweifelhaft einen großen zivilisatorischen Fortschritt dar, der bisher keineswegs weltweit durchgesetzt werden konnte.
Auch im modernen Wohlfahrtsstaat besteht gleichwohl eine grundsätzliche Spannung zwischen individuellen Ansprüchen und Rechten auf soziale Unterstützung einerseits, und gesellschaftlicher Solidarität und Bereitschaft der Solidargemeinschaft zur (Finanzierung von) Hilfe für die/den Einzelnen andererseits. Der Kernbegriff lautet hier Reziprozität, das Prinzip der Gegenseitigkeit, das ein Wohlfahrtsstaat in spezifischer Weise durch seine Institutionen und Programme fixiert (vgl Lessenich/Mau 2005). Wir zahlen z.B. Steuern und Krankenkassenbeiträge und können uns darauf verlassen, bei Krankheit oder Unfall durch öffentliche Einrichtungen gut versorgt zu werden.
Grundsätzlich muss eine Analyse von Sozialpolitik nicht nur das (quantitative) Niveau von Sozialleistungen insgesamt betrachten, sondern die Art und Weise, wie der Wohlfahrtsstaat seine Leistungen bereitstellt und welche Zielsetzungen damit verfolgt werden.
Die sozialpolitischen Entscheidungen über Zielsetzungen, Prinzipien und Instrumente sind entscheidend für „das was, hinten rauskommt“, sprich: die Qualität sozialer Rechte und Wirkungen auf soziale Ungleichheitsstrukturen (vgl. Ullrich 2005) – mithin auch im Hinblick auf die Frage, ob Sozialpolitik eher autoritäre oder emanzipatorische Züge trägt. Dafür ist es nicht nur wichtig, wie Bürger*innen Zugang zu (Geld-)Leistungen erhalten und wie hoch diese sind, sondern es muss auch die Infrastruktur sozialer Dienstleistungen (vgl. Bode 2013), betrachtet werden – wie sieht es mit Umfang und Qualität z.B. von Kinderbetreuung, Altenpflege oder beruflicher Beratung und Qualifizierung aus.
Für unsere Fragestellung nach autoritären Tendenzen in der Sozialpolitik ist die Betrachtung der sozialen Dienstleistungen ebenfalls wichtig, weil sich hier die Bürger*innen und die „Agenten“ oder Sachwalter des Sozialstaats praktisch begegnen und dies mehr oder weniger auf Augenhöhe geschehen kann und geschieht. Aus Platzgründen beschränken wir unsere Analyse vor allem auf die Ziele und die Logik, nach der soziale Dienstleistungen heute erbracht werden, sowie deren Auswirkungen auf soziale (Grund-)Rechte und soziale Ungleichheiten. (↑nach oben)
Fachliche und ethische Standards sozialer Dienstleistungen
Im deutschen Arbeitsmarkt werden soziale Dienstleistungen typischerweise von Angehörigen der Sozialberufe erbracht, insbesondere der Sozialen Arbeit. Sie kann (im Unterschied zur Vollprofession des Ärztestands) als Semi-Profession verstanden werden, die fachlich-professionelle Standards und Prinzipien im Umgang mit ihrer Klientel entwickelt hat, aber die Rahmenbedingungen ihres Berufes – insbesondere Finanzierung und Berufsstandesrecht – nicht autonom kontrolliert, sondern (sozial-)politischen Vorgaben unterworfen ist und diese umzusetzen hat.
Das oben angesprochene Spannungsfeld zwischen Individuum und Solidargemeinschaft besteht seit jeher auch im Verhältnis zwischen der Semi-Profession Sozialer Arbeit und ihrer Klientel, das grundsätzlich asymmetrisch – also durch ein Macht-Ungleichgewicht – geprägt ist: Die Sozialarbeit soll Problemstellungen wesentlich (wenn auch nicht ausschließlich) durch den Anstoß zu und die Unterstützung von Verhaltensänderungen ihrer Klientel lösen („Normalisierungsfunktion“). Dies kann einerseits in traditionell autoritär-paternalistischer Weise („von oben herab“) geschehen, indem der (als hilfebedürftig definierten) Bürger*in unabweisbare Vorschriften in der Lebensführung gemacht werden, um den Hilfebedarf zu verringern und gesellschaftliche Konformität zu erzwingen. Andererseits können die sozialpolitischen Vorgaben für Sozialarbeit stärker emanzipatorisch ausgerichtet sein, wenn den Bürger*innen ein gesellschaftsverträgliches,[1] möglichst hohes Maß an Selbst- und Mitbestimmungsrechten eingeräumt wird und die sozialarbeiterische Interaktion durch wertschätzenden Respekt geprägt ist.
In der Praxis ist allerdings oftmals „keine widerspruchsfreie Realisierung“ der sozialen Rechte möglich, da ihre Einlösung „meist mit einer Einschränkung von Freiheitsrechten verbunden“ ist (Staub-Bernasconi 2007: 30), so beim Zwang zur Arbeitsaufnahme. Umso essentieller sind daher Teilhabe-, Wahl- und Mitbestimmungsrechte („voice and choice“; „to have a say“). Dagegen scheint eine vollständige Machtsymmetrie (also genau gleich verteilte Macht) zwischen Nutzer*innen und Professionellen unrealistisch. Es stellt sich auch die Frage, wie legitime von illegitimen individuellen Ansprüchen zu unterscheiden sind.
Die Festschreibung von Wahl-, Mitbestimmungs- und Widerspruchsrechten der Sozialbürger*innen gegenüber sozialstaatlichen Instanzen und ihren „Agenten“ ist also ein wesentliches Kriterium für die Bestimmung einer Sozialpolitik als mehr oder weniger „autoritär“ oder „emanzipatorisch“. (↑nach oben)
Wandel des Wohlfahrtsstaates im neoliberalen Zeitalter: „autoritärer Kapitalismus“?
Wie hat sich das Verhältnis Sozialstaat und Bürger*in mit dem Wandel zum „postindustriellen“ Wohlfahrtsstaat verändert und inwieweit lassen sich darin autoritäre Tendenzen identifizieren, die paradoxerweise an den vor-modernen Sozialstaat erinnern könnten?
Die westlichen „reifen“ Wohlfahrtsstaaten haben sich bekanntlich in den letzten Jahrzehnten aufgrund veränderter polit-ökonomischer Rahmenbedingungen im neoliberalen Zeitalter einer „globalisierten“ Welt, angesichts neuer sozialer Risiken und vielfältigeren (individuellen) Bedarfen stark gewandelt. Schon seit den 1970er Jahren wurde in der kritischen Sozialtheorie bzw. –forschung die Unterwerfung des Politischen und Sozialen unter die Logik des Marktes kritisiert (Foucault [1978]2000).
In der seit langem geführten Debatte um die „Ökonomisierung des Sozialen“ wurde diese Kritik an der Vorherrschaft des Neoliberalismus fortgeführt (vgl. z.B. Lessenich 2008; Buestrich/Wohlfahrt 2008; Butterwegge et al. 2007). So gehe der Neoliberalismus einher mit der Herausbildung eines „unternehmerischen Selbst“ (Bröckling 2007) oder „Arbeitskraftunternehmers“ (Voß/Pongratz 1998) und einer disziplinierenden „Selbstversklavung“, die den Einzelnen die alleinige Verantwortung für wirtschaftlichen Erfolg und eine „gelingende“ Biografie aufbürdet. Klaus Dörre (2009) spricht von der erneuten kapitalistischen Landnahme.
Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer prägte den Begriff des „autoritären Kapitalismus“ (Heitmeyer 2001), der sich in Folge einer globalisierten Ökonomie und ihrer Dominanz gegenüber staatlicher Politik herausgebildet habe. Heitmeyer und sein Team untersucht indes weniger den (sozial-)staatlichen Wandel als solchen, sondern vielmehr die Wirkung polit-ökonomischer Entwicklungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dieser wird gefährdet, so die Autor*innen, durch „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) gegen Minderheiten und sozial Schwache sowie die seit den 1990er Jahren grassierenden rechtspopulistischen bis -extremistischen Einstellungen in Teilen der deutschen Bevölkerung.
Heitmeyers empirisch fundierte These lautet, dass die zunehmende Unterwerfung von Gesellschaft und Politik unter Gesetze des Marktes zu gesellschaftlicher Desintegration sowie zu einer „Entleerung“ der Demokratie führe, was schließlich autoritäre Tendenzen in der Bevölkerung befördere (Heitmeyer 2012, 2018).[2] Aufgezeigt wird, wie die dominante ökonomische Effizienzorientierung zur illiberalen Aushöhlung von Grund- und (zivilen) Freiheitsrechten geführt hat. Die eingangs erwähnte Leipziger Autoritarismusstudie versteht das Phänomen GMF dagegen als Teil eines vielschichtigeren „autoritären Syndroms“, das sich aufgrund der gesellschaftlichen Widersprüche im Kapitalismus unter bestimmten Bedingungen herausbilde, insbesondere wenn Bürger*innen zu wenig Anerkennung innerhalb des Statusgefüges erfahren und seitens staatlicher Instanzen ihrer Schutzrechte beraubt wurden (Decker 2018: 57). Demnach ist dieses autoritäre Syndrom nicht (wie bei Heitmeyer) Ausdruck gesellschaftlicher Desintegration, sondern vielmehr eine spezifische Form der Integration in eine marktradikale Gesellschaft, in der sich die Bürger*innen selbst den Anforderungen des Wettbewerbs unterwerfen.
Eine besonders extreme Ausprägung eines „autoritären Kapitalismus“ bescheinigt der französische Soziologe Loïc Wacquant den USA, in deren neoliberaler Entwicklung er eine „Wendung vom wohltätigen Staat zum strafenden Staat“ (Wacquant 1997; 2009) erkennt, da ein„schrittweise(r) Umbau eines Semi-Wohlfahrtsstaats in einen Straf- und Polizeistaat“ zu beobachten sei, in der dieser „die Kriminalisierung von Randgruppen und die ‚punitive (strafende, S.B.) Ausgrenzung‘ sozial Benachteiligter zu einem zentralen Bestandteil seiner Sozialpolitik macht“ (ders. 1997: 50). In der Tat ist auch in jüngerer Zeit nachweisbar, dass in den USA der Teil der Armutsbevölkerung, der hierzulande typischerweise vom Jobcenter betreut wird, dort in den (privat betriebenen) Gefängnissen einsitzt (Seeleib-Kaiser 2014: 274) – Ausdruck eines extrem marktliberalen und (jedenfalls im europäischen Verständnis) unvollständigen Wohlfahrtsstaates.
Mitte der 1990er Jahre schien die Entwicklung noch offen zu sein, die der deutsche (Sozial-)Staat angesichts der entfesselten globalen Marktkräfte nehmen würde. So formulierte jedenfalls der bekannte (bürgerlich-liberale) Soziologe Ralf Dahrendorf (1997) die Hoffnung, dass es Deutschland und der Europäischen Union gelingen möge, die „Quadratur des Kreises“ gleichzeitigen wirtschaftlichen Wachstums, sozialen Zusammenhalts und Demokratie im Sinne eines „Dritten Wegs“ zu bewältigen (bereits damals skeptisch-kritisch: Altvater/Mahnkopf 1996).
Aus heutiger Sicht hat sich diese Hoffnung nicht bewahrheitet. Heitmeyer und andere rechneten bereits früh auch in Deutschland mit einem „Dominanzwechsel von wohlfahrtsstaatlicher Verteilungspolitik hin zu autoritärer Kontrollpolitik“ (Heitmeyer 2001: 522), wobei dies „für die Schwachen mit einer Entliberalisierung im gesellschaftlichen Bereich einher(gehe)“ (ebd.). Zehn Jahre und einige grundlegende „Reformen“ später kann vom „entsicherten Jahrzehnt“ (Heitmeyer 2012: 15; Betzelt/Bode 2018) und verfestigten rechtspopulistischen bis -extremistischen Tendenzen gesprochen werden (Decker/Brähler 2018; Dörre et al. 2018).
Nun wurden bisher Analysen und Interpretationen skizziert, die sich v.a. auf gesellschaftliche Folgen polit-ökonomischer Transformationsprozesse – wie z.B. die Zustimmung zu autoritären Einstellungen – beziehen. Im Folgenden geht es um die Analyse wohlfahrtsstaatlicher Transformationen im Feld der Arbeitsmarktpolitik mit der Frage, ob und inwieweit hier tatsächlich autoritäre Tendenzen festzustellen sind.[3] (↑nach oben)
Analyse autoritärer Tendenzen in der „aktivierenden“ deutschen Arbeitsmarktpolitik
Der „alte“ Typus des Fürsorgestaates wurde seit etwa den 1990er Jahren in vielen europäischen Staaten durch den neuen Typus des „Gewährleistungsstaates“ (Dingeldey 2006) ersetzt, womit eine neue Art der sozialpolitischen Steuerung für die Bereitstellung wohlfahrtstaatlicher Leistungen einherging. Dies beinhaltete die Orientierung am „Aktivierungsparadigma“ in vielen Politikfeldern und bedeutete die Erhöhung des Erwerbszwangs (Re-Kommodifzierung) für die Bürger*innen, z.B. durch verschärfte Zumutbarkeitsregeln für Erwerbslose, Kürzungen von Sozialleistungen u.ä. Maßnahmen. Mit dieser Transformation verbunden ist eine verstärkte Inpflichtnahme der einzelnen Bürger*in und die Einforderung von „Eigenverantwortung“ und Selbsthilfe zur Behebung ihrer sozialen Notlage. Für die Bundesrepublik lässt sich dieser Wandel an den „Hartz-Reformen“ und insbesondere der Einführung des Zweiten Sozialgesetzbuches im Jahr 2005 („Grundsicherung für Arbeitsuchende“ SGB II oder „Hartz IV“) festmachen.
Die arbeitsmarktpolitischen Ziele hatten sich gegenüber dem früheren Arbeitsförderungsgesetz (AFG, 1969-1997) bereits während der Kohl-Ära Ende der 1990er Jahre verschoben. An die Stelle einer keynesianisch orientierten Ausrichtung auf einen hohen Beschäftigungsstand, die Vermeidung unterwertiger Beschäftigung und besondere Förderung von Zielgruppen wie Älteren oder Menschen mit Schwerbehinderungen im AFG trat stattdessen eine angebotsorientierte Politik mit dem fiskalisch [4] getriebenen Ziel möglichst schneller Vermittlung in Arbeit und der Vermeidung von Hilfebedürftigkeit, mithin eine Individualisierung des Arbeitslosigkeitsproblems durch verstärkt eingeforderte „Eigenverantwortung“ (vgl. Dingeldey 2006).
Mit den „Hartz-Reformen“ (2002-2004) wurde diese Ausrichtung am aktivierenden „workfare“-Ansatz – keine (Sozial-) Leistung ohne Gegenleistung – deutlich verstärkt, weshalb sie als Pfadbruch mit dem bundesdeutschen Sozialstaats-Modell zu begreifen sind (vgl. z.B. Mohr 2004; Bothfeld/Rosenthal 2014). Der Zugang zum Arbeitslosen-Versicherungssystem, das Leistungen entsprechend lohnbezogener Beiträge gewährt, wurde erschwert und die ebenfalls lohnbezogene Arbeitslosenhilfe abgeschafft. Damit können immer weniger Menschen ihren einmal erreichten beruflichen Status absichern und rutschen gleich in das Fürsorgesystem „Hartz IV“ ab. Das neue Fürsorgesystem der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ nach SGB II auf früherem Sozialhilfeniveau wurde zum Regelsicherungssystem für die weit überwiegende Mehrheit (ca. 75%) der arbeitslos Gemeldeten sowie für Erwerbstätige mit Niedriglöhnen unter der Bedürftigkeitsgrenze.
Die stärkere Inpflichtnahme der arbeitsuchenden bzw. hilfebedürftigen Bürger*innen durch verschärfte Zumutbarkeitsregelungen und „Mitwirkungspflichten“ – das „Fordern“ – im SGB II bedeutet ein erheblich engeres Verständnis von Reziprozität (Gegenseitigkeit) als es im deutschen Sozial(versicherungs)staat bisher gegolten hat (vgl. Rosenthal 2012). Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen – das „Fördern“ – wurden zudem asymmetrischer ausgestaltet: Ihre Gewährung wurde in das Ermessen der Sachbearbeiter*innen gestellt, während die Arbeitsuchenden ihrerseits dazu verpflichtet wurden. Paradoxerweise wurde zugleich das Budget für Qualifizierungsmaßnahmen stark beschnitten und das „Fördern“ beschränkte sich damit zunehmend auf kurzzeitige Trainingsmaßnahmen (vgl. Bosch 2012).
Gleichzeitig wurde die Deregulierung des Arbeitsmarktes fortgesetzt, infolgedessen „flexible“, niedrig entlohnte Erwerbsformen (Leiharbeit, Befristung, Minijobs etc.) stark zunahmen, so dass Deutschland inzwischen den EU-weit größten Niedriglohnsektor von mehr als einem Fünftel der Gesamtbeschäftigung hat (vgl. Kalina/Weinkopf 2018). Insgesamt bedeutete das „Reformpaket“ eine Rekommodifizierung der Arbeitskraft (Verstärkung des Erwerbszwangs), was kritische Autor*innen als Hinwendung zu einer „autoritär aktivierenden Arbeitsmarktpolitik“ (Oschmiansky et al. 2007: 291; ähnlich Mohr 2004) bewerten. Inwiefern trifft diese Bewertung, 14 Jahre nach Einführung und einige Gesetzesänderungen später, noch zu?
Untersucht wird im Folgenden, inwieweit insbesondere im SGB II individuelle Grundrechte von Adressat*innen durch bestimmte Regelungen und Praxen eingeschränkt oder ausgehöhlt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei (1.) auf dem Zugang zu Geldleistungen einschließlich der Zumutbarkeitsregeln für die Annahme von Jobs und das Sanktionssystem sowie die mit dem Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft zusammenhängenden Eingriffe in die Privatsphäre, (2.) ergänzt hinsichtlich der Qualität und Steuerungslogik der arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen.(↑nach oben)
Grundrecht auf freie Berufswahl
Den Kern der am Workfare-Ansatz ausgerichteten Arbeitsmarktpolitik bildet die verschärfte Regelung der Zumutbarkeit (§ 10 SGB II), wonach als für mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig definierte Arbeitslose jede Erwerbstätigkeit (oder arbeitsmarktpolitische Maßnahme) aufnehmen müssen, auch wenn sie mit verschlechterten Bedingungen verbunden ist, wie längeren Pendelzeiten, niedrigerer Entlohnung oder niedrigerem Qualifikationsniveau als zuvor. Eine untere Lohngrenze existierte (bis zur Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns 2015) nicht mehr; der Berufsschutz wurde bereits 1998 abgeschafft. Jeder Job muss angenommen werden, sonst droht eine Kürzung von Leistungen (siehe unten).
Als zumutbar gilt auch, dass Leistungsbeziehende ihre Erwerbstätigkeit aufgeben müssen, sofern diese ihren Hilfebedarf nicht deckt und dies auch zukünftig nicht zu erwarten ist. Das kann beispielsweise bedeuten, dass eine unbefristete Teilzeitbeschäftigung (womöglich im erlernten Beruf) aufgegeben werden muss zugunsten einer zwar vollzeitigen, doch befristeten Beschäftigung in einem fachfremden Bereich, nach deren Beendigung die Person arbeitslos ist.
Die verschärfte Zumutbarkeit ist zweifellos ein autoritäres Element, als sie das Grundrecht auf freie Berufswahl und freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) für Menschen im Mindestsicherungssystem massiv einschränkt. Dieser Eingriff ist umso problematischer, als er in der Praxis oftmals nicht von vorübergehender Dauer ist, da die ausgeweitete prekäre Beschäftigung (Befristung, Leiharbeit, Minijobs) zu einer verstärkten Segmentierung des Arbeitsmarktes geführt hat und im Allgemeinen keine Brücke in besser entlohnte, reguläre Beschäftigung darstellt (vgl. Bäcker/Schmitz 2016). (↑nach oben)
Mangelnde Gleichberechtigung und Eingriffe in die Privatsphäre
Die deutsche Aktivierungslogik ist überdies widersprüchlich. Denn das SGB II nimmt Personen (in der Praxis typischerweise: Frauen) von der Zumutbarkeit aus, die für unter dreijährige eigene oder Kinder des Partners oder für pflegebedürftige Angehörige sorgen (§ 10 Abs. 1, Satz 3 & 4). Sie zählen somit nicht mehr als arbeitslos und werden daher i.d.R. auch von Eingliederungsmaßnahmen ausgeschlossen (vgl. Jaehrling 2012). Auch dieser Ausschluss widerspricht insofern dem Grundrecht auf freie Berufsausübung, als vor allem Frauen mit Sorgeverpflichtungen am Arbeitsmarkt erheblich benachteiligt und daher auf entsprechende unterstützende Dienstleistungen (etwa Hilfe bei der Suche nach Kinderbetreuung) angewiesen sind.
Während der Ausschluss von Sorgearbeit leistenden Frauen ein paternalistisches Familien- und Frauenbild widerspiegelt und aufgrund der tangierten Grundrechte als autoritär eingestuft werden kann, verlangen die mit den Reformen ausgeweiteten Einstandspflichten der „Bedarfsgemeinschaft“ nach SGB II den Einsatz der vollen Arbeitskraft aller erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder und können (bei traditionellen Erwerbsmustern von Paaren) als „Zwangsemanzipation“[5] am unteren Ende der Sozialstruktur gedeutet werden (auch wenn die Aktivierungspraxis zumindest lange Zeit eher gender-stereotypen Mustern folgte). Das Subsidiaritätsprinzip wird überstrapaziert: Jemand, die oder der für sich allein sorgen kann, aber nicht auch für den oder die Partner*in plus deren Kind/er (bis zum 25. Lebensjahr!), kann gezwungen werden, den aktuellen (Teilzeit-)Job zugunsten eines anderen aufzugeben, um den Hilfebedarf zu reduzieren; dies gilt auch für Unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare (vgl. Betzelt et al. 2010). Anders als in der früheren (ebenfalls bedarfsgeprüften) Arbeitslosenhilfe gibt es keinerlei Schongrenzen für das Partnereinkommen mehr.
Diese umfassenden, das Erwerbs- und Privatleben aller Haushaltsmitglieder betreffenden Verpflichtungen, einschließlich ständig drohender Überprüfungen durch Außendienstmitarbeiter*innen der Jobcenter, bedeuten einen massiven Eingriff in die Privatsphäre einkommensarmer Bürger*innen. Qualitative Studien zeigen, dass sich dies sehr negativ auf das Zusammenleben und die Partnerschaften der Betroffenen auswirken kann. Berichtet wird nicht nur von Partnerschaftskonflikten, sondern auch davon, dass Menschen wegen der drohenden Unterhaltspflichten schwerer eine/n neue/n Partner*in finden oder sich nicht in der Lage sehen, einen gemeinsamen Haushalt zu gründen (Sammet/Weißmann 2010). In prekären Lagen knapp oberhalb der Bedürftigkeitsgrenze wird als allerletzte Notlösung erwogen, den gemeinsamen Haushalt aufzulösen, um leistungsberechtigt zu werden (Betzelt/Schmidt 2018: 164).
Ein staatliches Mindestsicherungssystem, also letztes Auffangnetz zur Sicherung des Existenzminimums, das mit solch gravierenden Zugriffen auf die private Lebensführung und das familiale Zusammenleben von Bürger*innen einhergeht, deren einzige „Normabweichung“ in ihrer Armutslage besteht, kann als autoritäre Sozialpolitik gewertet werden. Grundrechte wie der Schutz der Familie (Art. 6 GG) und allgemeine Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte (Art. 2 GG) sind damit empfindlich tangiert.
Der Grundsatz des „Forderns“ von „Eigenbemühungen“ (§ 2 SGB II) und die daraus abgeleiteten umfangreichen Mitwirkungspflichten der Adressat*innen mit dem Ziel, den Leistungsbezug zu verringern und letzlich zu verlassen, wird durch das Instrument der nun zwingend abzuschließenden „Eingliederungsvereinbarung“ aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (oder stellvertretend durch eines ihrer Mitglieder) sichergestellt. Der beschönigende Begriff verschleiert das Machtungleichgewicht dieses Instruments, das bei fehlender Einwilligung der Adressat*in als Verwaltungsakt in Kraft tritt und in dem Verhaltensanforderungen, weitgehend ohne Diskussion oder Mitbestimmung der Betroffenen festgehalten sind (Schütz et al. 2011; Osiander/Steinke 2011; Ebert 2013; Kupka et al. 2017). Verbriefte Rechtsansprüche der Adressat*innen auf bestimmte Eingliederungsmaßnahmen entstehen andererseits nicht. Es handelt sich insofern unzweifelhaft um ein quasi-autoritäres Steuerungsinstrument. (↑nach oben)
Sanktionsregime gegen Menschenwürde
Die Durchsetzung der festgelegten Pflichten der Leistungsberechtigten gewährleistet das Sanktionsregime des SGB II, das seit 2005 mehrfach verschärft wurde. Bereits bei relativ geringfügigen Verhaltensabweichungen der Adressat*innen werden Geldleistungen gekürzt. Der Umfang der Kürzungen richtet sich nach der „Schwere“ und Häufigkeit der Verfehlungen: Meldeversäumnisse, die mit 77% den häufigsten Sanktionsgrund ausmachen, werden mit 10%, bei Ablehnung eines Jobangebots oder einer Maßnahme mit 30%, bei zwei- oder mehrfacher Ablehnung binnen Jahresfrist mit Kürzung von 60% bzw. 100% des Regelsatzes belegt – inklusive der Kosten für die Unterkunft, für jeweils drei Monate (Statistik der BA 2019: 6). Die Adressat*innen müssen beweisen, dass sie für ihre „Pflichtverletzung“ einen wichtigen Grund hatten, was allerdings keine aufschiebende Wirkung hat.
Zwischen 2007 und 2013 hat die Anzahl der verhängten Sanktionen stetig zugenommen, seither ist sie leicht rückläufig und lag im Jahr 2018 bei rund 904.000 neu verhängten Sanktionen. Auf das Jahr gerechnet wurden damit 8,5% aller mindestens einen Monat ALG-II-beziehenden Personen (absolut: 441.000) mindestens einmal sanktioniert, wobei die durchschnittliche Höhe der gekürzten Leistungen bei 109 € lag (ebd.: 13-14). Bei Betrachtung des monatlichen Bestands für den Monat Dezember 2018 hatten 129.000 Menschen mindestens eine gültige Sanktion (ebd.: 11). Dabei ist es keineswegs so, dass das Sanktionsregime nur die direkt Betroffenen tangiert. Aus vielen Studien ist bekannt, dass die drohenden Sanktionen und die Zumutbarkeitsregeln auch auf „Normalbeschäftigte“ eine disziplinierende Wirkung haben und Ängste auslösen (vgl. z.B. Hürtgen/Voswinkel 2014; Schütt 2014; Beiträge in Betzelt/Bode 2018): Sie üben sich in Lohnzurückhaltung, akzeptieren schlechtere Arbeitsbedingungen und wechseln seltener freiwillig den Job, um Arbeitslosigkeit und damit schlimmstenfalls den „Absturz“ in Hartz IV zu vermeiden, was letztlich zu rechtspopulistischen Tendenzen und Ausgrenzung „schwächerer“ Gruppen beiträgt (vgl. Sauer et al. 2018; Decker/Brähler 2018).
Aktuell besonders in der Kritik sind die verschärften Sanktionen von jungen Menschen unter 25 Jahren, denen sogar schon bei der ersten „Pflichtverletzung“ die Leistung bis auf die Unterkunftskosten gekürzt werden kann, bereits nach zweifachem Verstoß können die Mittel komplett gestrichen werden. Jüngere Menschen (insbesondere Männer) sind mithin auch erheblich häufiger unter den Sanktionierten zu finden. Die stärkere Sanktionierung junger Menschen erinnert besonders an einen autoritären „Vater Staat“, dem die Jugendlichen nicht auf der Tasche liegen, sondern die sich gefälligst intensiv um Arbeit bemühen sollen. Begründet wird die altersspezifische Sanktionierung in der Regel damit, dass junge Erwerbsfähige nicht durch eine Gewöhnung an Alimentierung und fortdauernde Arbeitsmarktferne in der „Armutsfalle“ eingeschlossen werden sollen („locked-in Effekt“). Auch wenn unbestritten ist, dass mit der Dauer der Arbeitslosigkeit die Erwerbschancen schwinden, wurde die Annahme einer „Armutsfalle“, die die Ursache von Langzeitarbeitslosigkeit in einem Anreiz- und Motivationsproblem sieht, empirisch vielfach widerlegt (vgl. z.B. Fehr/Vobruba 2011).
Grundsätzlich wird seit langem diskutiert, ob eine Kürzung des sozio-kulturellen Existenzminimums überhaupt verfassungsgemäß ist. Diese Frage wurde jüngst dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt und man darf auf die Entscheidung gespannt sein. Denn die mit Sanktionen belegten Adressat*innen sind schlimmstenfalls (sofern sie nicht auf private Netzwerke zurückgreifen können) auf Instanzen der karitativen Notversorgung wie Suppenküchen, Tafeln oder Kleiderkammern angewiesen, was sowohl dem Sozialstaatsgebot als auch – aufgrund der mit solchen Hilfsangeboten verbundenen Stigmatisierung – dem Verfassungsgrundsatz des Schutzes der Menschenwürde widerspricht. Mithin lässt sich das stark asymmetrische, autoritäre Sanktionsregime als neoliberale Rückkehr der disziplinierenden „Knute der Armut“ aus vor-sozialstaatlichen Zeiten verstehen. (↑nach oben)
Fortwährende Verschärfungen, weniger Rechte – trotz vielfacher Kritik
Seit Inkrafttreten besonders des vierten Hartz-Gesetzes (SGB II) 2005 steht es u.a. aufgrund seiner Rigidität in vielfältiger Kritik. Gleichwohl hat das keineswegs zu einer Abmilderung des Sanktionsregimes oder der Installierung von Mitwirkungs- oder Vetorechten der Adressat*innen geführt. Das Gegenteil ist der Fall, die „Daumenschrauben“ wurden sogar noch angezogen und die Rechtsposition der Hilfebeziehenden gegenüber den Jobcentern verschlechtert. Mit dem Gesetz zur „Instrumentenreform“ (2009), das als ineffektiv erachtete Eingliederungsinstrumente abschaffte, wurden gleich drei Verschärfungen installiert:
Erstens haben Widersprüche gegen Bescheide des Jobcenters seitdem keine aufschiebende Wirkung mehr (§ 39 SGB II). Das bedeutet, dass die oftmals falsch berechneten Leistungen auf dem (i.d.R. niedrigeren) Niveau gezahlt werden und damit das Existenzminimum unterschritten wird. Einen Beleg für die häufige Fehlerhaftigkeit der Leistungsberechnung liefern die hohen Erfolgsquoten von SGB II-Klagen vor den Sozialgerichten, die bei rund 40% liegen (vgl. BA 2019) und die weit überwiegend die Leistungshöhe, insbesondere hinsichtlich der Unterkunftskosten betreffen. Das heißt, fehlerhafte Bescheide werden rechtskräftig, die Leistungen entsprechend reduziert, auch wenn sich ein Rechtsstreit über längere Zeit hinzieht und die Kläger*innen mit Leistungen unterhalb des Existenzminimums irgendwie auskommen müssen. Studien weisen überdies nach, dass Sanktionen selektiv gegen formal gering Qualifizierte häufiger als gegen höher Gebildete verhängt werden (Zahradnik et al. 2016; vgl. auch Gurr 2018).
Zweitens werden seit 2009 so genannte Sperrzeiten – also Zeiten, in denen kein Arbeitslosengeld II gezahlt wird (in diesem Fall für eine Woche) – auch verhängt, wenn sich eine erwerbstätige Person nicht drei Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsagentur meldet (§ 309 SGB II). Um diesen Ausschluss von Geldleistungen zu vermeiden, muss die betroffene Person beweisen, dass sie von der ihr drohenden Arbeitslosigkeit nicht informiert war. Diese Regelung bedeutet eine weitere Verschiebung von Arbeitslosigkeitsrisiken auf das Individuum und geht mit einer deutlichen Einschränkung von Selbstbestimmungsrechten einher.
Drittens unterliegen seit 2009 arbeitslose Nichtleistungsbeziehende denselben „Mitwirkungspflichten“ wie alle anderen Arbeitslosen, sie werden bei Pflichtverletzung durch eine dreimonatige Vermittlungssperre sanktioniert, was den Verlust von Anrechnungszeiten für die Rentenberechnung bedeutet. Nachdem mit dieser Sanktion keine Mitteleinsparungen verbunden sind, da diese Gruppe kaum durch Eingliederungsleistungen gefördert wird (Betzelt/Schmidt 2018), dürfte diese Verschärfung primär dem Ziel einer „Bereinigung“ der Statistik gedient haben.
Die Rechtsposition der Leistungsberechtigten verschlechterte sich weiter mit der gesetzlichen Änderung des § 31 Abs. 1 SGB II im Jahr 2011. Demnach sind Sanktionen bei Verletzung der „Mitwirkungspflichten“ zulässig auch ohne vorherige schriftliche Rechtsfolgenbelehrung, da die Kenntnis dieser Pflichten einfach vorausgesetzt wird (vgl. Eckhardt 2011). Angesichts des umfangreichen Pflichtenkatalogs, der eine Reihe unbestimmter, das pflichtverletzende Verhalten unpräzise definierende Formulierungen enthält [6], mit gravierenden Folgen einer mindestens dreimonatigen Leistungskürzung, bedeutet dies eine empfindliche Einschränkung von individuellen Rechten. Auch erhöht diese Änderung die ohnehin große Intransparenz der Bestimmungen im Rechtskreis SGB II – es wird für Betroffene immer schwerer das zu durchschauen.
Jüngstes Beispiel für autoritäre Tendenzen liefert das 9. SGB II-Änderungsgesetz (sog. „Rechtsvereinfachung“, seit 1.1.2017). Mit ihm wurden die Ersatzansprüche des Jobcenters bei „sozialwidrigem Verhalten“ von Hilfebedürftigen stark ausgeweitet (§ 34 Abs. 1 SGB II). Schon zuvor mussten diese erhaltene Geldleistungen bis zu drei Jahre rückwirkend (!) zurückzahlen, wenn sie „vorsätzlich“ oder „grob fahrlässig“ einen Leistungsanspruch für sich bzw. die Bedarfsgemeinschaft „herbeigeführt“ hatten. Seit der Änderung wurden die Ersatzansprüche ausgedehnt auf Fälle, in denen aus Sicht des Jobcenters „die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde“. Die Ersatzansprüche gelten seither außerdem auch für Sachleistungen wie Lebensmittelgutscheine, die zurückzugeben sind oder mit Geldleistungen aufgerechnet werden.
Wohl gemerkt macht das Jobcenter diese Ersatzansprüche zusätzlich zu verhängten Sanktionen geltend, und dies rückwirkend für drei Jahre. Zwar kann die betreffende Person einen „objektiv wichtigen Grund“ geltend zu machen versuchen, der ihr „sozialwidriges Verhalten“ rechtfertigt. Die Feststellung eines solchen Grundes obliegt allerdings den einzelnen Sachbearbeiter*innen, die den „gesamten maßgeblichen Lebenssachverhalt(s)“ berücksichtigen sollen, so die Fachlichen Weisungen der BA zum § 34 (BA Zentrale 2016: 4). Die Beweislast für das Fehlen eines wichtigen Grundes liegt zwar „in der Regel“ beim Jobcenter, nicht aber wenn die „Umstände für die Beurteilung des wichtigen Grundes ausschließlich in der Privatsphäre oder dem Verantwortungsbereich der handelnden Person“ liegen (ebd.).
Diese insgesamt doch recht vagen und unklaren Formulierungen zu „sozialwidrigem“ Verhalten sind sehr interpretationsfähig, gehen an der Lebenswirklichkeit vielfach vorbei und halten der Sozialgerichtspraxis nur teilweise stand (vgl. Sell 2019). Was auf den ersten Blick möglicherweise nachvollziehbare Gründe für Sanktionen und damit Ersatzansprüche sein mögen – sofern man der Systemlogik einer solch eng gefassten Reziprozität von sozialen Mindestleistungen überhaupt folgen will – erweist sich in der Praxis als erheblich schwieriger, weil die Lebensumstände einzelfallbezogen vielfach anders zu bewerten sind. Für die Betroffenen sind mit diesen Bestimmungen große Rechtsunsicherheiten aufgrund der undurchschaubaren Praxis einzelner Sachbearbeiter*innen verbunden. Die finanziellen Ersatzansprüche plus Sanktionen können die ganze Bedarfsgemeinschaft in existenzielle Notlagen bringen.
Hinzu kommt eine weitere verfahrensrechtliche Verschlechterung für Leistungsberechtigte durch das 9. Änderungsgesetz, da seither eine Korrektur fehlerhafter Bescheide nur für ein Jahr rückwirkend erfolgt (§ 40 Abs. 1 SGB II), anstatt wie sonst im allgemeinen Sozialverwaltungsrecht (§ 44 SGB X) für vier Jahre. Die von der damaligen Ministerin Nahles als „Rechtsvereinfachung“ titulierte „Reform“ ermöglichte so insgesamt eine noch reibungslosere, schlagkräftigere Durchsetzung des Sanktionsregimes und macht zugleich „viele Dinge komplizierter, belastet Leistungsberechtigte zusätzlich und verschärft die heute schon vorhandene Unwucht zuungunsten der Leistungsberechtigten“ (Sell 2016: 6.). (↑nach oben)
Kosteneffizienz statt bedarfsgerechte Weiterbildung und Betreuung
Die Richtung all dieser Änderungen ist eindeutig: Sanktionen wurden massiv verschärft, individuelle Rechte von Leistungsbeziehenden weiter reduziert. Auch hinsichtlich der arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen der Beratung, Qualifizierung und Vermittlung ist zu konstatieren, dass diese seit der Umsteuerung zur neoklassisch orientierten „Aktivierungspolitik“ noch asymmetrischer zu Lasten der Arbeitlosen oder -suchenden ausgestaltet wurden. Mit der Einführung des Dritten Sozialgesetzbuchs 1998 wurden Leistungen der beruflichen Bildung reine Ermessensleistungen, auf die Arbeitsuchende keinerlei Anspruch haben (vgl. Bosch 2012: 109f). Bei der Auswahl der Teilnehmer*innen sollten fortan, gemäß des vorrangigen Ziels der möglichst schnellen Vermittlung in den Arbeitsmarkt, Personen mit besseren Vermittlungschancen bevorzugt werden. Diese managerielle (betriebswirtschaftliche), kurzsichtige Zielsteuerungslogik wurde später mit den Hartz-Reformen verstärkt, da an Eingliederungsmaßnahmen eine 70% Erfolgsquote beruflicher Wiedereingliederung geknüpft wurde.
Infolge dieser „Verbetriebswirtschaftlichung“ von Arbeitsmarktpolitik und einer massiven Kürzung der Mittel für berufliche Weiterbildung (vgl. Oschmiansky/Ebach 2012) ging nicht nur die Zahl von Weiterbildungsmaßnahmen stark zurück, sondern diejenigen Gruppen Arbeitsloser mit besonders großem Förderbedarf, wie gering Qualifizierte oder Ältere, wurden prozentual erheblich weniger gefördert als zuvor. Zwar wurden seither gewisse Korrekturen vorgenommen (Lockerung der 70% Vorgabe und der schnellstmöglichen Vermittlung; verändertes, individuelle Merkmale stärker berücksichtigendes „Profiling“), doch in der Summe werden noch immer die aus älteren Studien (vgl. z.B. Hielscher/Ochs 2009) bekannten Effekte eines „creaming“ berichtet, das heißt der weiteren Benachteiligung von so genannten „arbeitsmarktfernen“ Personengruppen bei der Vergabe von Bildungsmaßnahmen (vgl. Brülle et al. 2016; Kupka et al. 2017).
Die individuellen Bedarfe nach passgenauen Dienstleistungen – mithin soziale Rechte zur Verwirklichung von Erwerbsteilhabe – wurden der Autorität des Marktes untergeordnet. Mitbestimmungs- und Mitsprachemöglichkeiten der Adressat*innen hinsichtlich einer entsprechenden beruflichen Förderung oder Vermittlung sind nicht als kodifizierte Rechte vorgesehen und hängen vom good-will der Fachkräfte ab. Die Berücksichtigung von „Kundenwünschen“, z.B. nach einer beruflichen Weiterbildung, läuft der Kennzahlensteuerung verfügbarer Ressourcen nach kurzfristiger Kosteneffizienz zuwider (vgl. Hielscher/Ochs 2009). Hinsichtlich der Interaktion Arbeitsuchender mit den Fachkräften werden durchaus große Unterschiede berichtet, wobei eine Ausrichtung an Kriterien der Bedarfsgerechtigkeit und Grundsätzen der Einzelfallgerechtigkeit im Fallmanagement für „schwer vermittelbare“ Arbeitslose eher gegeben ist als bei den für die meisten Adressat*innen zuständigen Arbeitsvermittler*innen. Hier wird teilweise über einen als respektlos empfundenen Umgang berichtet (vgl. z.B. Kupka et al. 2017: 433). (↑nach oben)
Ignoranz bis Entmündigung
Die mangelnde Förderung bestimmter Gruppen wie Nichtleistungsbeziehender bedeutet in der Praxis oftmals zugleich eine schwächere Inpflichtnahme im Vergleich zu arbeitslosen Leistungsbeziehenden. Das kann man einerseits als eher „autonomieschonend“ bewerten, andererseits als Missachtung von Teilhabebedarfen (vgl. Betzelt et al. 2017). Als ambivalent zu betrachten ist ebenfalls der Umgang mit Erwerbslosen, die unter gesundheitlichen Einschränkungen leiden wie z.B. psychischen Problemen, Suchterkrankungen oder anderen Problemlagen, oftmals nach langer Dauer von Arbeitslosigkeit. Auch wenn sie dringend nach einer Erwerbsarbeit suchen und ein neuer Job wesentlich zu ihrer Stabilisierung beitragen könnte, wird seitens der Vermittlungskräfte oftmals prioritär auf Maßnahmen „sozialer Stabilisierung“, Rehabilitation oder Psychotherapien gesetzt, anstatt Vermittlungsangebote zu machen (vgl. Kupka et al. 2017: 437f).
Dies kann einerseits zwar Drucksituationen für die Einzelnen abmildern, andererseits aber als entmündigende Ignoranz individueller Wünsche empfunden werden und kontraproduktiv wirken. Modellversuche zeigen, dass eine ausreichend mit Personalressourcen ausgestattete, konsequent einzelfallorientierte Beratung und Vermittlung auch bei so genannten „Problemgruppen“ des Arbeitsmarkts sehr erfolgreich sein kann (vgl. z.B. Bartelheimer et al. 2012), mithin soziale Teilhaberechte bei entsprechender Ressourcensteuerung (nicht nach kurzfristiger Kosteneffizienz, sondern zielgruppengerecht) eingelöst werden können.
Die Unwucht des SGB II-Regimes – strenge Inpflichtnahme, Eingriffe in die Privatsphäre, mangelnde Mitbestimmungsrechte, wenig bedarfsgerechte Förderung – dürfte hauptsächlich verantwortlich sein für die nach seriösen Schätzungen hohe Rate von Nichtinanspruchnahme von etwa 40% (Becker 2015). Das heißt, zwei von fünf Bürger*innen, die Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hätten, nehmen diese nicht wahr, vielfach aus Angst vor den mit dem Leistungsbezug verbundenen Eingriffen und der allgemeinen Stigmatisierung von „Hartz-IV“ (vgl. z.B. Betzelt/Schmidt 2018; Gurr 2018). Die Ausgestaltung des Mindestsicherungssystems wirkt also eher abschreckend oder intransparent hinsichtlich seiner Zugangswege anstatt dazu einzuladen, seine Grundrechte wahrzunehmen. (↑nach oben)
Soziale Dienstleister unter Druck: Kosteneffizienz vor Berufsethik und Qualität
Die betriebswirtschaftliche Ausrichtung (nicht nur) der Arbeitsmarktpolitik hat sich auch auf nicht-staatliche Einrichtungen, die sozialstaatliche Dienstleistungen anbieten, vielfach negativ zu Lasten der Klient*innen ausgewirkt. Der verstärkte Wettbewerbsdruck zwischen den Dienstleistern (wie z.B. Trägern der Jugendberufshilfe), die Finanzierung auf Basis prospektiver Kostenvereinbarungen [7] mit mehreren Geldgebern und die zunehmende Standardisierung von Maßnahmen führen dazu, dass ökonomische Ziele und Effizienzgesichtspunkte die Soziale Arbeit vielfach dominieren. Professionelle, berufsethische Standards geraten damit unter Druck.
Angesichts gestiegenen Dokumentationsaufwands bleibt für Beziehungsgestaltung und wertschätzenden Umgang immer weniger Raum (Albrecht et al. 2015: 49ff; Albert 2006), für Klient*innen erhöht sich der Anpassungsdruck. Die Maßnahmeträger*innen sehen sich vielmehr zur Aufsplittung von Klientengruppen gezwungen, womit bestehende soziale Ungleichheiten weiter vertieft und benachteiligte Gruppen von sozialen Teilhaberechten praktisch ausgeschlossen werden (Lutz 2008: 9). Menschen, die z.B. mehrfach belastet sind durch Probleme wie Schulden, Drogenabhängigkeit oder andere gesundheitliche Einschränkungen, geraten ins Hintertreffen, weil sie „betreuungsintensiver“ und damit „teurer“ für die Einrichtung sind.
In der berufsfachlichen Kritik stehen auch jene Instrumente, die die „Kundensouveränität“ eigentlich stärken sollen, so Voucher- oder Gutscheinsysteme wie z.B. beim Bildungs- und Teilhabepaket oder Vermittlungsgutscheine für berufliche Qualifizierung (vgl. Schütz et al. 2011; Osiander/Steinke 2011; Ebert 2013; Kupka et al. 2017; zu anderen sozialpolitischen Feldern vgl. Bode 2013; Hielscher et al. 2013).
Nur auf den ersten Blick scheinen damit individuelle Wahlrechte gestärkt zu werden, doch in der Praxis erweisen sich solche Systeme in vieler Hinsicht als untauglich bzw. nachteilig: Ihr Einsatz bedeutet nicht nur einen ungeheuren bürokratischen Aufwand für alle Seiten (vgl. SOFI et al. 2016), sondern der Nutzen aus „Kundensicht“ hängt maßgeblich von der tatsächlichen Angebotsvielfalt ab, die in der Praxis oft nicht gegeben ist, weil große Anbieter aufgrund der Vergaberegeln für Maßnahmen dominieren.
Zudem sind längst nicht alle Bürger*innen in der Lage, „souverän“ die bestehenden Angebote nach ihrem Bedarf und Interesse auszuwählen und zu nutzen. In sensiblen Bereichen, wie z.B. beim Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder, geht ihr Einsatz mit Stigmatisierung einher, was ein weiterer Grund für ihre begrenzte Effektivität ist. So nahmen z.B. im Februar 2018 rund 1,5 Millionen Haushalte ihren Anspruch nicht wahr (= 60% der Anspruchsberechtigten), z.B. weil die Antragstellung zu bürokratisch, die Leistungen zu niedrig oder die Inanspruchnahme stigmatisierend ist (vgl. Selle 2018).
Als Fazit lässt sich feststellen: Die Entwicklung der Arbeitsmarktpolitik seit den 2000er Jahren geht einerseits mit autoritären Einschränkungen von Grundrechten von Arbeitslosen und Einkommensarmen einher, andererseits folgt sie einer Autorität der Marktes, der angeblich zwar die individuellen Freiheiten erhöhen soll. Doch, wie aufgezeigt, führt er zu einer weiteren Schlechterstellung der ohnehin Benachteiligten sowie zu prekären Arbeitsbedingungen (auch) im Bereich sozialer Dienstleistungen. (↑nach oben)
Gegentendenzen und Alternativen zu autoritärer Sozialpolitik
In manchen Feldern – v.a. der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, der Kinder- und Jugendhilfe und (teils) der ambulanten Pflege – war die verstärkte Markt- und Effizienzsteuerung sozialer Dasesinsvorsorge mit einer Ausweitung von Selbstbestimmungsrechten verbunden (vgl. Bode 2013: 220ff). So im Bereich der Eingliederungshilfe bei Behinderung (SGB XII), die nicht primär auf Erwerbsintegration zielt, sondern den Menschen – bei Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung – mit einem persönlichen Budget (idealerweise) die Auswahl frei wählbarer Dienstleistungsangebote eröffnet und so ein stärker selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Einen Ausbau individueller Rechtsansprüche auf Geld-, Sach- und Dienstleistungen fand mit Einführung der Pflegeversicherung auch im Bereich der ambulanten Pflege statt, was – im Idealfall – eine größere Selbstbestimmung und eine Verringerung des Armutsrisikos bedeuten kann (ebd.).
Allerdings trifft auch in diesen Feldern die generelle Kritik am Marktparadigma zu, nämlich einer Bevorzugung „marktkompetenter“ Adressat*innen und damit einer Verstärkung sozialer Benachteiligung weniger „kompetenter“ Nutzergruppen. Eine wirkliche Gegentendenz gegen die „Autorität des Marktes“ ist hier mithin nicht zu konstatieren.
Als nur teilweise einer ökonomischen Logik folgend – Steigerung des Erwerbspotenzials von Müttern und Sicherung zukünftiger Generationen – lassen sich die in den letzten Jahrzehnten eingeführten individuellen Rechtsansprüche auf einen Kindergarten- und Krippenplatz interpretieren, was zu einem erheblichen (wenn auch noch nicht bedarfsgerechten) Ausbau der sozialen Infrastruktur geführt hat. „Teilweise“ deshalb, weil dieser Ausbau zweifellos auch einen Erfolg von Emanzipationsbewegungen mit dem Ziel der Geschlechtergleichstellung darstellt. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wurden zudem Kinderschutzrechte gestärkt, was allerdings zugleich mit vermehrten Zwangsmaßnahmen gegenüber Eltern (Inobhutnahmen) einherging (vgl. Marthaler et al. 2012; Schröder/Burmeister 2018). Verbessert haben sich auch die individuellen Rechte der sexuellen und identitären Selbstbestimmung für Trans*personen und Intersexuelle, einschließlich damit zum Teil verbundener gesundheitlicher Versicherungsleistungen.
Gewisse „neue Töne“ lassen sich in dem sozialpolitisch am meisten umkämpften Feld der Arbeitsmarktpolitik mittlerweile in der Regierungspartei SPD vernehmen, die (zusammen mit den Grünen) die Agenda-Reformen zu verantworten hatte. Diese (partielle und verspätete) Neuorientierung ist dem Sinkflug nach erschütternden Wahlniederlagen und kontinuierlicher Kritik aus Wissenschaft und Verbänden geschuldet. So verspricht ein aktuelles Konzeptpapier des SPD-Parteivorstands eine „Neuorientierung“, mit der man sich von einigen besonders stark kritisierten Teilen der „Agenda 2010“ verabschieden will (vgl. SPD 2019). Der „neue Sozialstaat“ soll „bürgerfreundlicher“ werden und die Menschen mit mehr Respekt vor ihrer Lebensleistung behandeln, die Arbeitslosenversicherung durch eine längere Bezugsdauer bei Teilnahme an einer Weiterbildung („Arbeitslosengeld Q“) gestärkt werden, auf die es einen Rechtsanspruch geben soll. Der Übergang vom Versicherungssystem in das nun mit dem Namen „Bürgergeld“ bezeichnete Fürsorgesystem soll für langjährig Versicherte abgefedert werden, indem während der ersten zwei Jahre das Vermögen und die Wohnkosten von der Bedarfsprüfung verschont werden.
Der bereits eingeführte „soziale Arbeitsmarkt“ für Langzeitarbeitslose soll „perspektivisch“ ausgebaut werden, um ein „Recht auf Arbeit“ für alle einlösbar zu machen. Das verhasste Wort „Hartz IV“ für die „Grundsicherung“ soll durch „Bürgergeld“ ersetzt werden, das für „ein neues Verständnis eines empathischen, unterstützenden und bürgernahen Sozialstaats“ und für eine stärkere Ausrichtung auf Teilhaberechte statt Mitwirkungspflichten und Sanktionen stehen soll. Mitwirkungspflichten werden als Teil des Solidarsystems weiterhin als notwendig erachtet, doch „sinnwidrige und unwürdige Sanktionen gehör(t)en abgeschafft“, so die scharfen Sanktionen von unter 25-Jährigen, die Kürzung von Wohnkosten und die komplette Streichung der Sozialleistungen. In der Interaktion mit der Verwaltung soll es größere Transparenz und weniger Bürokratie geben, und anstelle der bisherigen, stark asymmetrischen Eingliederungsvereinbarung soll es eine „Teilhabevereinbarung“ geben, die „die Interessen der Bürgergeldbezieher stärker berücksichtigt und einer partnerschaftlichen Vereinbarung auf Augenhöhe besser entspricht“. Überdies soll der Niedriglohnsektor durch eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro und stärkere Tarifbindung eingedämmt werden.
All dies wären sicherlich richtige und überfällige Schritte zur Abkehr von einer autoritären Sozialpolitik, wie wir sie oben beschrieben haben. Ob und wie konkret all dies auch umgesetzt werden würde und eine tatsächliche Trendumkehr (in den bestehenden Institutionen) stattfände, muss dahingestellt bleiben. Zu kritisieren bleibt jedenfalls bereits heute, dass substanzielle Verbesserungen vor allem für das sozialdemokratische Stammklientel – die langjährig Versicherten – vorgesehen sind, während sich am System der Bedarfsprüfung für prekär Beschäftigte und Langzeitarbeitslose weniger – wenn auch durchaus manches – verbessern würde (vgl. auch Sell 2019). In unserem Kontext wäre es besonders wichtig, dass die Selbstbestimmungsrechte (Langzeit-)Arbeitsloser, z.B. hinsichtlich der Zumutbarkeit und Bedürftigkeitsprüfung, effektiv gestärkt werden.
Als alternatives Leitbild für Sozialpolitik haben wir an anderer Stelle ausführlich die Orientierung an einem Begriff der individuellen Autonomie vorgeschlagen, der der Einbettung der Einzelnen in die Gesellschaft Rechnung trägt und nicht einfach ökonomisch, sondern emanzipatorisch-partizipativ zu verstehen ist (vgl. ausführlich: Bothfeld 2017; knapp: Betzelt/Bothfeld 2014). In ersten Ansätzen wurde versucht, ein solches Autonomiekonzept einer empirischen Analyse zugänglich zu machen, so im Bereich Wohnen, Umgang mit psychisch Kranken oder arbeitslosen Nichtleistungsbeziehenden (vgl. Krapp/Malottki 2017; Kupka et al. 2017; Betzelt et al. 2017).
Auch wenn der Autonomiebegriff schillernd ist und im Wohlfahrtskapitalismus das Risiko der ökonomischen Vereinnahmung besteht (vgl. Börner et al. 2017: 337f), so kann er doch als orientierende Richtschnur dienen, um konkrete Sozialpolitik hinsichtlich ihrer Wirkungen auf soziale Bürger*innenrechte – also eher emanzipatorisch oder eher autoritär – zu bewerten. Sozialpolitik, die die Selbstbestimmung von Bürger*innen vergrößert, unterstützt (innerhalb allgemein akzeptierter Korridore) die Realisierung zunehmend vielfältiger Lebensentwürfe und -pläne möglichst bedarfsgerecht durch quantitativ und qualitativ gut ausgestaltete, breit akzeptierte soziale Sicherungssysteme von Geld- und Dienstleistungen, so z.B. hinsichtlich Weiterbildung und beruflicher Entwicklung bzw. Neuorientierung, aber auch z.B. hinsichtlich der Unterstützung familialer Sorgearbeit von Männern wie Frauen. Dies wäre das Gegenteil eines autoritären sozialstaatlichen Regimes, das den Individuen mit Disziplinierung, Misstrauen und Stigmatisierung begegnet und auf einer möglichst schnellen Arbeitsmarktintegration ohne Berücksichtigung des bisherigen Erwerbsstatus, der Qualifikation und individueller Mitbestimmung besteht.
Autonomieschonende Sozialpolitik bedeutet in der konkreten Interaktion sozialstaatlicher Instanzen mit den Bürger*innen die Begegnung auf Augenhöhe und die Ausstattung der Bürger*innen mit individuellen Rechten und die bedarfsgerechte Förderung individueller Kompetenzen. Sicherungssysteme müssen transparent und „bürgerfreundlich“ ausgestaltet sein, damit jede/r ihre und seine Rechte auf Teilhabe auch wirklich in Anspruch nehmen kann und soziale Ungleichheiten reduziert werden. Soziale Rechte im 21. Jahrhundert müssen aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit weitestgehend individualisiert sein (wie z.B. in skandinavischen Ländern), das heißt Individuen müssen anspruchsberechtigt sein und nicht der Haushalt.
Doch auch der weitere arbeitsmarktpolitische Kontext von Sozialpolitik ist zur Förderung der Selbstbestimmung sehr bedeutsam, so z.B. die bessere soziale Absicherung und generelle Eindämmung prekärer Beschäftigung (Leiharbeit, „Minijobs“, Scheinselbstständigkeit u.ä.), auskömmliche, an die allgemeine Produktivität gekoppelte Mindestlöhne und die steuerliche Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen, sowie erweiterte, durchsetzbare Mitbestimmungsrechte im Betrieb.
Denn nur ein solcher sozialstaatlicher, von der Gesellschaft als gerecht angesehener kollektiver Ordnungsrahmen ermöglicht im Wohlfahrtskapitalismus die Realisierung relativ weitgehender individueller Selbstbestimmung für Menschen, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind. Dies bedeutet die Abkehr von einer neoliberalen Ideologie der „Autorität des Marktes“, die vom ökonomisch rationalen, voll informierten und marktkompetenten „homo oeconomicus“ ausgeht und die Individuen auf Marktbürger*innen reduziert, die sich für Staat und Unternehmen „rechnen“ müssen. Denn wir erleben derzeit, dass dieser Marktimperativ den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstört und die Demokratie aushöhlt. (↑nach oben)
Fußnoten
[1] Grundsätzlich finden individuelle Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte ihre Grenzen in der Achtung der entsprechenden Rechte anderer Gesellschaftsmitglieder.
[2] Diese Befunde schließen an Karl Polanyis große Studie zur „Great Transformation“ an (Polanyi [1944]1978).
[3] Weitere sozialpolitische Felder, in denen autoritäre Elemente näher zu untersuchen wären, sind das Asylrecht, in dem ein sukzessiver Abbau von Grundrechten und Kürzung von Sozialleistungen stattgefunden hat, oder die Kinder- und Jugendhilfe (vgl. z.B. Schröder/Burmeister 2018), oder auch die Altersvorsorge, in der die „Autorität des Marktes“ verstärkt Einzug hielt (vgl. z.B. Bode/Lüth 2018).
[4] Das heißt, die Reformen verfolgten das Ziel, die damals sehr hohe Arbeitslosigkeit von über 5 Millionen in einer Weise zu reduzieren, die die Staatsausgaben entlastet, z.B. durch Absenkung des Arbeitslosengeldes und verschärfte Regeln der Bedürftigkeit. „Angebotsorientiert“ bezieht sich auf das Angebot an Arbeitskräften, das für Unternehmen verbilligt werden sollte, um die Nachfrage zu erhöhen, z.B. durch die Ausweitung niedrig entlohnter Jobs.
[5] Damit ist gemeint, dass Paare, in denen bislang nur der Mann erwerbstätig war, gezwungen werden, diese (traditionelle) Arbeitsteilung aufzugeben. So muss auch die Frau jeden Job (ggf. in Vollzeit) annehmen, um die Hilfebedürftigkeit möglichst stark zu reduzieren. Für nicht hilfebedürftige Paare wird die traditionelle Arbeitsteilung dagegen durch das Ehegattensplitting u.a.m. nach wie vor staatlich gefördert.
[6] So die Verpflichtung „in ausreichendem Maße“ Eigenbemühungen zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit nachzuweisen, „unwirtschaftliches Verhalten“ zu vermeiden, oder das Verbot, die „Anbahnung“ einer zumutbaren Arbeit oder Maßnahme „durch ihr Verhalten (zu) verhindern“ (§ 31 Abs. 1 SGB II).
[7] Das bedeutet, dass sich die Kostenvereinbarungen auf die Zukunft beziehen.
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