Darf die NPD wegen Taten parteiloser Neonazis verboten werden?
Erkundungen zu rassistischen Akteuren in ostdeutschen Regionen und den Folgen eines NPD-Verbots
Anfang März 2016 verhandelt das Bundesverfassungsgericht zunächst für drei Tage über den Verbotsantrag des Bundesrats gegen die NPD. Karlsruhe wird 60 Jahre nach dem KPD-Verbot Grundfragen zum demokratischen Selbstverständnis der Bundesrepublik zu beantworten haben. Umfasst die Freiheit des Grundgesetzes auch die Freiheit gegen das Grundgesetz zu sein? Die populäre Formel „Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“ verneint diese Frage in Bausch und Bogen. Aber sollten Parteien tatsächlich wie zu Zeiten des Kalten Krieges bei Strafe ihres Verbots verpflichtet werden, jederzeit für die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ einzutreten?
Was auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint, beschneidet doch massiv politische Freiheit. Diese Beschneidung trifft nicht nur „Extremisten“, sondern legt auch die Axt an die individuellen Grundrechte wie das Persönlichkeitsrecht, die Meinungsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Parteien haben einen schlechten Ruf, aber eine Partei ist nichts anderes, als ein Verein, in dem ich mich mit anderen zusammenschließe, um an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Parteienfreiheit ist die Verlängerung unserer grundrechtlich geschützten persönlichen Freiheit ins Politische. Ein Staat, der dieser Freiheit mit einer erzwungenen Werteloyalität zum Grundgesetz die Spitze abbricht, wird auch vor anderen Grundrechten nicht haltmachen.
Die Beiträge dieses Bandes erkunden die Argumentationslinien des Verbotsantrags aus verfassungsrechtlicher, sozialwissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Sicht. Sie Die Beiträge zeichnen sich durch einen komplexen und erfahrungsgesättigten Analyseansatz aus. Sie beziehen historische und sozio-ökonomische Ansätze ein, beleuchten auch das Verhalten staatlicher Behörden und örtlicher Amtsträger und klären beispielhaft Einzelereignisse auf. Dabei tritt insbesondere die entscheidende Rolle der Träger des staatlichen Gewaltmonopols und politischer Akteure vor Ort ans Licht. Am Ende entscheiden sie, und nicht Aktionen der Neonazis oder der NPD, ob lokal eine rassistische und extrem rechte Hegemonie entstehen kann. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht dieser Komplexität in seiner Beweisaufnahme zum Begriff des „Anhängerverhaltens“ gerecht wird.
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