Gemeinsam, regenerativ und als lernendes System – wir besprechen mit der Genossenschaft Permagold aus Dresden, wie sie die Agrarwende schon heute in der Oberlausitz ganz praktisch werden lässt.
Hand in Hand mit landwirtschaftlichen Akteur*innen vor Ort werden Flächen in Perma- und Agroforstkultur bewirtschaftet. Die Genossenschaft Permagold steht mit Know How, nachhaltigen Systemlösungen und Innovationen an der Seite des Erzeugerbetriebs – ob beim Personalmanagement, der Anbauplanung oder regionalen Vermarktung von Produkten. Sie hilft bei der Suche nach Fördermöglichkeiten, und die Mitglieder sind regelmäßig bei Arbeitseinsätzen auf den Flächen dabei.
Mehrjährige Mischkulturen aus Obstbäumen und Beerensträuchern wachsen neben Gemüse, Speisepilzen und Kräutern. Aber auch Getreide bzw. Kartoffeln werden angebaut, umringt von Nuss- oder Nutzhölzern. Auf mittlerweile 15 Hektar und den Streuobstwiesen gibt es bereits erste Erträge, die mehrheitlich bei dem Erzeugerbetrieb vor Ort bleiben.
Die Genossenschaft hat sich bereits vielfältig mit Wissenschaftler*innen und Forscher*innen vernetzt, denn die umweltaufbauende Bewirtschaftung bietet wichtige Erkenntnisse über die Skalierbarkeit von Erträgen, über Artenvielfalt und Bodenqualität.
Im Gespräch mit dem Vorstand der Genossenschaft - Anke Hahn und Andreas Kretschmer – erfahren wir mehr über “enkeltaugliche Landwirtschaft”.
Die Genossenschaft Permagold wurde 2017 gegründet. Könnt ihr kurz sagen, wer oder was euch zusammengeführt hat?
Andreas Kretschmer: Am Anfang standen natürlich die Impulsgeber, die die Idee hatten, mit Permakultur und Waldgartensystemen besser im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Sie lösten damit bei vielen eine unglaubliche Faszination aus. Später fand sich ein Gründerteam zusammen, das all die Gedanken weiterentwickelte und konkretisierte.
Und es gab diese Vision, dass man diese aufbauenden Bewirtschaftungsweisen als naturnahe Systeme wirtschaftlich skalieren kann, sodass man aus der Nische der Selbstversorgung, wo das ja bekannt ist, aus der Subsistenzwirtschaft herauskommt und tatsächlich reale regionale Wertschöpfungsoptionen entwickeln kann, die auch einen Beitrag zu einer gesunden Ernährung der städtischen Bevölkerung liefern können. Skalieren heißt, dass man eben tatsächlich auf einem Hektar hoch skalieren kann, auf fünf Hektar, auf zehn Hektar, auf 20 Hektar, um so entsprechende Ertragsmengen hervorbringen zu können, immer aber noch im regionalen Vertriebsmodell.
Und dann war es natürlich der Wille vieler nach Veränderung in der Lebensmittelerzeugung und Ernährung: Durch eigenes und gemeinschaftliches Handeln etwas Positives zugunsten einer nachhaltigen Agrarwende bewegen zu können.
Mich selbst hat von Anbeginn die Jugendlichkeit und Dynamik des Kernteams fasziniert, ihre tollen Fähigkeiten und das mit einer Vision verbunden, eine demokratisch verfasste Genossenschaft aufzubauen. Das Geschäftsmodell war überzeugend und einfach sehr passend zu meinem eigenen Werteverständnis. Und ich glaube, dass das für alle gilt.
Wenn ihr eure Arbeit mit fünf Adjektiven beschreiben müsstet, welche wären das? Und warum fällt die Wahl auf genau diese fünf?
Andreas Kretschmer: Also mir fällt zunächst regenerativ, innovativ und praxisnah ein. Anke dir?
Anke Hahn: Ich würde noch gemeinschaftlich und lernend hinzufügen.
Andreas Kretschmer: Regenerativ, weil es im Kernmodell der Permagold-Genossenschaft steckt, dass wir nur Humus aufbauende Bodenbewirtschaftung machen und diesen regenerativen Ansatz leben. Innovativ, weil wir alles neu, auch in neuen Formen probieren. Und die Praxisnähe ist mir ganz wichtig, weil wir es eben nicht am grünen Tisch tun, sondern tatsächlich draußen auf dem Feld.
Anke Hahn: Gemeinschaftlich und lernend, weil es uns wichtig ist, dass wir neue, innovative Dinge gemeinschaftlich schaffen und beim Tun voneinander lernen. Ob das jetzt beim Wühlen in der Erde vor Ort auf einer der drei Flächen in Nebelschütz oder bei einem Brainstorming zur Kommunikationsstrategie oder zum Relaunch der Webseite der Genossenschaft ist oder ähnliches. Also wir legen bewusst Wert darauf, dass Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Horizonten zusammenkommen, denken und handeln. Und wir sind überzeugt, dass das letztendlich den bestmöglichen Lerneffekt bringt und den Erfolg der gesamten Mission Permagold ausmacht.
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Open external content on original siteIhr seid noch eine relativ junge Genossenschaft, die sich am Anfang ihres Weges befindet. Ich gehe mal davon aus, dass da noch sehr viel Bewegung ist. Deswegen würde mich interessieren, ob ihr im Laufe eures bisherigen Weges Änderungen vorgenommen habt, Euch von Dingen verabschiedet bzw. ganz bewusst Dinge hinzugefügt habt.
Andreas Kretschmer: Die wichtigste Erfahrung und Erkenntnis hängt schon mit dem Gründungs- und Entwicklungsprozess des ersten Jahres zusammen. Die Permagold-Genossenschaft wurde in einem Impact Investing Modell gegründet, also mit einer Schwarmfinanzierung. Relativ schnell haben wir festgestellt, dass das aber gar nicht dem Werteverständnis des Kernteams und der Organe der Genossenschaft und vor allem auch vieler Genossenschaftsmitglieder entspricht. Vielmehr war es der tatsächliche Unterstützungswille für reale Veränderungen in der Bewirtschaftung, so dass es eigentlich eher ein Impact Funding war, das sehr gut funktioniert hat.
Es folgte eine Abkehr, aus Bodenwerten Zinsversprechen heraus abzugeben, also dass im Kern Boden gekauft wird, um ihn zwar anders zu bewirtschaften, aber sozusagen die Bodenwerte anzuheben. Von dem Modell haben wir uns verabschiedet.
Eine wesentliche Veränderung war, dass wir im letzten Quartal des Jahres 2022 den Übergang zur Gemeinnützigkeit der Genossenschaft beschlossen und eine entsprechende Neufassung der Satzung vorgenommen haben. Wir warten gegenwärtig noch auf die Bestätigung des genossenschaftlichen Prüfverbandes. Das Finanzamt hat schon geprüft und zugestimmt.
Ich glaube, dass dieser gemeinnützige Charakter viel besser die Realität widerspiegelt und auch das, was wir unter Permagold-Genossenschaft beschrieben haben - die “Agrarwende aus Bürgerhand”.
Auch hinsichtlich des Regionalisierungsgedankens haben wir eine wichtige Erkenntnis gemacht: Unser Modell funktioniert nur, wenn es regionale Aktionsgruppen gibt, die es selbst wollen. Und dann sollten die, die vor Ort wirken und arbeiten, natürlich auch mehrheitlich den Fruchtertrag ernten. Und so ist dann eben auch unser erster Erzeugerbetrieb in Nebelschütz, die Permagold Oberlausitz GmbH, aufgebaut worden.
Die Permagold eG stellt ihrKnow How zur Verfügung und wirkt mit ihrer Marke unterstützend.
Und die letzte Erkenntnis ist, dass wir - wie viele im Bereich der aufbauenden Landwirtschaft – Forschung und Entwicklung brauchen für viele offene Fragen.
Das geht schon los mit der Fragestellung “Wie ist denn jetzt die CO2-Bilanz von Humus aufbauenden Böden?” Ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen, aber alle, die sich damit ein bisschen beschäftigen, wissen wie komplex es ist und wie schnell man falsche Behauptungen in den Raum stellt.
Auch insofern ist es gut, dass wir den Schritt zur Gemeinnützigkeit als Genossenschaft gehen, um dieses Feld der Forschung und Entwicklung viel stärker zu öffnen.
Und ich glaube, das wir in letzter Konsequenz in der Community der Agrarwende-Bewegung besser mitwirken können, weil das Momentum wirtschaftlichen Wettbewerbs de facto raus ist: Man muss sich also nicht beäugen, Kooperation vor Konfrontation. Das ist, glaube ich, das Kernelement, was auch die Agrarwende-Bewegung braucht.
Mein persönlicher Frohsinn ist geprägt von den tollen Menschen. Davon lebt Vieles! Es macht die Permakultur oder auch urbane Waldgartensysteme oder vergleichbares aus, dass eben das soziale Miteinander einen hohen Stellenwert hat.
Anke Hahn: Als relativ junges Mitglied der Genossenschaft und ihres Vorstandes kann ich nur für das zurückliegende Jahr sprechen. Neben den bereits von Andreas angesprochenen Veränderungen bezüglich Gemeinnützigkeit und Abkehr von Renditeversprechen hat sich auch personell einiges verändert: Mehr Frauen haben Funktionen in den Genossenschaftsgremien übernommen. Amanda Groschke ist in den Aufsichtsrat berufen worden. Elli Scheibe ist angestellte Gärtnerin des ersten Erzeugerbetriebes, und ich unterstütze Andreas im Vorstand. Das war auch schon strategisch so vorgesehen, Frauen noch mehr Raum zu geben bei der Weiterentwicklung einer gemeinnützigen Genossenschaft. Und wir wollen diesen Vorsatz auch in Zukunft weiterverfolgen bei der Ergänzung unseres Teams.
Wir wollen uns als Genossenschaft weiter öffnen und aktiv an aktuellen Forschungs- und Entwicklungsdebatten im Bereich regenerative Landwirtschaft, insbesondere Permakultur und Agroforstwirtschaft, teilhaben - im deutschsprachigen Raum als auch gesamteuropäisch. Dazu gehört natürlich auch eine aktive Vernetzungsarbeit und die Kooperation in Projekten, um darüber dann im Idealfall neue Erkenntnisse zu generieren und Innovationen gleich im “Reallabor Nebelschütz” erproben zu können.
Was ist denn aktuell bei Euch geplant bzw. in nächster Zeit? Gibt es schon konkrete Pläne oder Dinge, über die ihr berichten könnt?
Anke Hahn: Im Moment beschäftigt uns in erster Linie der Aufbau und die Stabilisierung des im letzten Jahr gegründeten ersten Erzeugerbetriebes, der Permagold Oberlausitz GmbH. Dazu gehört von der Personal- und Anbauplanung bis zur Vermarktungsperformance im Hofladen in Nebelschütz als auch auf dem Wochenmarkt in Dresden eigentlich alles. Und die Permagold eG unterstützt den Erzeugerbetrieb in seinem alltäglichen Geschäft und kümmert sich auch um begleitende Projekte und Fördermöglichkeiten, um den Betrieb mittelfristig auf feste Beine zu stellen.
Andreas Kretschmer: Vielleicht da anschließend und ergänzend: Uns fehlt organischer Dünger. Und so haben wir uns zunächst auf die ökologische Hühnerhaltung fokussiert.
An der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde wird sehr intensiv seit sechs Jahren in dem Projekt “Öko2Huhn” an dem Thema ökologische Hühnerhaltung geforscht und ich bin erst letzte Woche in Eberswalde gewesen, um mit Annemarie Kaiser, die das dort als Wissenschaftlerin seit Jahren betreut unter Federführung von Professor Hörning in den Dialog zu kommen, aber auch neue Forschungsfragen aufzuwerfen, die man gemeinsam in Angriff nehmen kann. Wir wollen also eine Hühnerhaltung mit einem Hühnermobil insbesondere in den Streuobstwiesen etablieren: Nicht nur, weil das Ei ein wertvolles Lebensmittel ist, sondern auch, weil wir es verbinden mit dem Thema des Zweinutzungshuhns, also nicht nur auf die hybride Legehenne Wert legen. Auch wollen wir vom Aussterben bedrohte Haustierrassen halten – wie etwa das Sachsen-Huhn.
Ein anderes Forschungsfeld ist Humusbildung, Bodengesundheit etc. Wir haben gerade eine Praktikantin der Hochschule Zittau-Görlitz in Nebelschütz für 20 Wochen, die sich im Vorpraktikum mit dem Thema Terra Preta-Aktivierung befasst und plant, ihre Bachelor-Arbeit darüber zu schreiben - auch das ein sehr interessantes Entwicklungsthema!
Schon länger besteht eine gute Zusammenarbeit mit dem Institut für Ökologischen Landbau in Pillnitz der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden, aber eben auch - und das sieht man im Beirat unserer Genossenschaft - mit dem europäischen, führenden Forschungsinstitut, dem FiBL. Prof. Knut Schmidtke ist da ein sehr wertvoller, anregender Impulsgeber für unsere weitere Entwicklung, um die richtigen Fragestellungen zu formulieren, aber dann auch die richtigen Methoden auszuwählen, um Erkenntnisse wirklich valide publizieren zu können. Und letztlich ist ja das Entscheidende, dass man valide Ergebnisse einem breiteren Publikum bereitstellt - auch das dann wieder als Rückkopplung zur Gemeinnützigkeit.
Ein mir wichtiges Anliegen ist, dass wir nach dem gelungenen Aufbau einer ersten Regionalgruppe in der Oberlausitz eine zweite Regionalgruppe in diesem Jahr motivieren können, zu beginnen und dass wir wirksam in unterschiedlichen Regionen Deutschlands werden. Hoher Anspruch! Aber das treibt uns ja auch an.
Im Zusammenhang mit Eurer Arbeit - vor allem in der Oberlausitz - fällt immer wieder der Begriff “enkeltauglich”. Was können wir uns unter “enkeltauglicher Landwirtschaft” vorstellen?
Andreas Kretschmer: Uns prägt die Nähe und die enge Zusammenarbeit mit Nebelschütz, weil das die erste Gemeinde in Deutschland war, die selbst ein Leitbild für Enkeltauglichkeit aufgestellt hat. Wir selbst sehen da gar keinen Widerspruch zu unserer Arbeit, sondern einfach eine Herausforderung, dass wir, wenn wir heute handeln, eben unsere Kinder und Enkel mitdenken müssen, also in langen Zeithorizonten. Und das spiegelt der Begriff “Enkeltauglichkeit” wider, der so wahrhaftig, gut verständlich ist und nicht so überlagert wie Nachhaltigkeit und von so vielen verschiedenen Interessen getrieben. Es ist ein sehr sympathischer Begriff.
Permakultur und Waldgartensysteme sowie Agroforstsysteme sind enkeltauglich, weil sie über einen hohen Anteil an Obstbaum- und Gehölzstrukturen, an Dauerkulturen im Strauchbereich verfügen, wo wir also nicht einen jährlichen Umschlag auf der Fläche haben: Auf der Fläche können sich über Jahrzehnte Ökosysteme etablieren. Und darin liegt der Unterschied zu ökologischer Landwirtschaft.
Also, auch wir landwirtschaften natürlich ökologisch, aber in unserem Mittelpunkt steht zunächst nicht der Getreideanbau auf größeren Flächen. Der ist notwendig. Wir können sonst Ernährungssicherheit nicht gewährleisten. Aber wir fokussieren uns eben auf Mischkultursysteme und schaffen da auch andere Erkenntnisse und andere Bedingungen. Das geht bei der Bodengesundheit los und reicht bis zum Mikroklima. Weil man natürlich selbst das Mikroklima verändern kann mit solchen Anbausystemen.
Die Herausforderung bleibt die gleiche: Wir müssen ökologisch und ökonomisch nachweisen, dass man so gesund wirtschaften kann. Genau. Aber alle nachhaltigen ökologischen Landbauweisen, Tierhaltungsformen haben ihre Berechtigung und haben ihre Notwendigkeit. Und wir müssen allen Raum geben - ob das biodynamisch, regenerativ oder ökologisch ist. Wir können einen wichtigen Teilbeitrag leisten. Und das wollen wir auch! Denn wir haben gute Antworten auf Zukunftsfragen, und damit sind wir dann wieder bei Enkeltauglichkeit.
Anke Hahn: Durch die Personifizierung auf die Enkel können wir klar machen, dass wir eine Landwirtschaft mit Inhalten füllen wollen, die mit wenig Ressourcen auskommt, so dass eben noch die Kinder, Enkel und Urenkel sich am Land oder an der Natur erfreuen können! Wir wollen zeigen, dass diese Bewirtschaftung sich (wieder) mit natürlichen Stoff-Kreisläufen auseinandersetzt, diese integriert, Vielfalt fördert, die es eigentlich braucht auf dem Acker. Auf das “Wie” kommt es am Ende an. WIE bewirtschafte ich das Land?
Würdet ihr sagen, dass eure Art des Wirtschaftens eine Wirtschaft mit Zukunft ist? Und wie würdet ihr das begründen? Ihr habt ja jetzt gerade schon mit der Enkeltauglichkeit plastisch gemacht, was ökologisch passiert. Jetzt blicken wir vielleicht nochmal auf die Ökonomie?!
Andreas Kretschmer: Das ist natürlich die Herausforderung, der sich die Genossenschaft stellt und die wir sozusagen mit den Erzeugerbetrieben gemeinsam erproben und nachweisen wollen und da auch ein wirklich langjähriges, zehnjähriges Monitoring anstreben: ökologisch und ökonomisch.
Es ist eine Frage insbesondere der Arbeitsintensität und Arbeitskosten. Wir sind zunächst, wenn wir ein Permakultur-, ein Waldgartensystem aufbauen, in einer ganz klassischen Vorfinanzierungssituation. Wir pflanzen mehrjährige Beerensträucher. Wir pflanzen Obstbäume und warten auf den Fruchtertrag, der irgendwann später eintritt, haben aber jetzt sozusagen die investiven Kosten und die Arbeitskosten. Dafür braucht man kluge Modelle, wie man das entwickelt und aufbaut.
Ich greife kurz zurück: Da kann die Hühnerhaltung eine Rolle spielen. Da spielt Direktvermarktung eine große Rolle.
Man muss also wirtschaftliche Standbeine aufbauen und entwickeln, die dieses langfristige Entstehen von Ökosystemen, stabilen Systemen überbrücken kann.
Was wir aber heute schon beobachten bei den ersten Anlagen, die wir nach Permakultur-Prinzipien in Nebelschütz angelegt haben auf zwei kleineren Flächen - so klein nun auch wieder nicht, aber doch noch überschaubar -, dass sich nach vier, fünf Jahren das einstellt, was man erwartet: Der Pflegeaufwand geht gegen Null. Der Aufwand reduziert sich weitgehend auf die Ernte und die Verarbeitung des Fruchtertrags. Und da dreht sich das!
Und unsere Erwartung ist, dass wir das auf einem Hektar, auf 5-Hektar-Flächen usw. werden erleben können. Wir wissen es nicht, aber die Überzeugung und die Fundamente dafür sind da. Wir können uns auch auf ganz gute internationale Erfahrung stützen. Zumindest in Frankreich ist auf einer Ein-Hektar-Fläche wissenschaftlich belegt, dass sehr gute, auch wirtschaftliche Resultate erreicht werden können, sodass wir jetzt nicht ganz der Avatar sind, der fundamentlos daran glaubt. Nein, es gibt schon eine ganze Menge Initiativen, die das belastbar unterlegen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Anke Hahn: Unser Joker ist die Kooperation mit den Landwirten vor Ort, die uns unterstützen bei der Bewirtschaftung. Ohne sie würden die Flächen so nicht bewirtschaftbar sein. Je mehr wir die Hektarzahl erhöhen und dort bestimmte Anbausysteme erproben oder umsetzen wollen, umso mehr braucht man auch die Man- oder Frauenpower. Und da sind wir über die Partnerlandwirte sehr glücklich, dass sie so unterstützen mit Technik und Arbeitszeit. Sie gleichen das ihrerseits wiederum durch eigene Beschäftigungsmodelle, sei es das Freiwillige Ökologische Jahr oder Angestelltenverhältnisse aus.
Ich bin jetzt zwar keine Landwirtin oder Bodenexpertin, aber ich brauch mir nur regenerative Landbewirtschaftungsformen anzuschauen, mir die Methode erklären lassen, um recht schnell zu verstehen, dass nur auf diese Weise der zerstörte Humus im Boden wieder aufgebaut werden kann! Und Humus ist das zentrale Stoffwechselprodukt der Bodenlebewesen. Auf ihn kommt es am Ende an und sein Anteil im Boden entscheidet über Fruchtbarkeit, Effizienz und Ertrag.
Die Art des Bewirtschaftens wird in Folge zunehmender Klima-Herausforderungen noch bedeutender sein und werden. Ohne regenerative Landwirtschaft können wir, glaube ich, auch recht bald schauen, wo wir bleiben mit unseren Bedürfnissen nach einer guten Ernährung, nach einem guten Leben. Ich denke, der Boden ist die entscheidende Materie!
Wie und wer bewirtschaftet denn überhaupt die Flächen?
Andreas Kretschmer: Das ist ein ganz klassischer Landwirtschaftsbetrieb, die Permagold Oberlausitz GmbH, hervorgegangen aus ihrem Vorläufer - der Lausitzer Höfe Laden eG. Das sind Nebelschützer Akteure, die schon begonnen hatten, diesen Weg zu beschreiten, wo aber die Kraft für die weitere Entwicklung fehlte.
Die Permagold Oberlausitz GmbH ist ein Landwirtschaftsbetrieb, der ganz klassisch wirtschaften muss, wie jeder andere Landwirt auch. Das heißt, wir arbeiten mit festangestellten Mitarbeitern. Auch aus dem Gesellschafterkreis heraus sind Kolleg*innen beschäftigt, auch mit Teilzeit-Arbeitskräften.
Gesundes Wirtschaften ist ein Wirtschaften über den Ertrag. Aktuell sind wir noch im Aufbau des Landwirtschaftsbetriebes, aber in einem Fünf-Jahres-Horizont kommen wir hoffentlich auch in den Bereich tatsächlicher Überschüsse. Aber der Vorfinanzierungsaufwand für diesen Betriebsaufbau ist schon erheblich.
In Deutschland haben wir eine große Flächenkonkurrenz. Mich würde interessieren, wie Ihr auf die Flächen gestoßen seid!
Andreas Kretschmer: Ich ergreife mal das Wort, weil ich seit 15 Jahren in dem Geschäft bin und die Gemeinde Nebelschütz, wo die meisten unserer Flächen liegen, eben sehr gut kenne!
Nebelschütz hat aufgrund des Engagements des ehemaligen Bürgermeisters Thomas Zschornack, des Gemeinderates in Richtung Enkeltauglichkeit eine Strategie, konventionell bewirtschaftete Landwirtschaftsflächen nach Möglichkeit zu kaufen, und zwar insbesondere die, die im Konflikt zum Naturraum lagen, z. B. zur Jauer, die die gesamte Gemeinde durchzieht. Ziel ist es, Abstand zwischen dem Naturpotenzial der Aue und einer traditionellen Landbewirtschaftung zu bekommen.
Dann war es ein Prinzip der Gemeinde, diese Flächen ausschließlich dem ökologischen Landbau zur Verfügung zu stellen, entweder den regionalen Partnern, Ökolandwirten oder eben der Permagold Genossenschaft und heute der Permagold GmbH Oberlausitz.
So kann man Kommunalentwicklung, Regional-, und Gemeindeentwicklung gestalten und man bekommt auf beiden Seiten lange Sicherheiten!
Wir, als Pächter der Fläche, haben 20 Jahre Pachtzeitraum. Das ist eine Voraussetzung für mehr Jahreskulturen! Sonst brauche ich gar nicht anfangen.
Die Gemeinde hat die Sicherheit in der Entwicklung des Naturraums, der Bodengüte, in dem Raum der Abflüsse von der Fläche in die Jauer etc..
Kurz: eine Win-Win-Situation, die man erreichen kann in kommunalen Partnerschaften. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich eben auch andere Kommunen, und zwar gleich welcher Größe, öffnen würden!
Natürlich werden wir auch Angebote an traditionelle Bodeneigentümer machen und sie versuchen, mit unserer Art der Bewirtschaftung zu überzeugen. Dann werden wir zur klassischen Landwirtschaft auch mal wettbewerblich auftreten und die Schultern breitmachen. Ob uns das gelingt oder nicht, ist leider oft eine Preisfrage.
Die Klimakrise ist ja auch gleichzeitig eine Wasserkrise. Ist da Permakultur besser aufgestellt als konventionelle Landwirtschaft?
Andreas Kretschmer: Ich denke schon. Wenn ich mich im europäischen Raum bewege, dann ist es der Ansatz, der Wasserrückhalteformen auf der Fläche kennt. Ansonsten gibt es eigentlich nur Bewässerungssysteme, nicht Wasserrückhaltesysteme.
Dabei können wir von einem jahrzehntelangen Erfahrungsschatz von Permakultur-Akteuren weltweit profitieren. Aber auch wir haben in Nebelschütz Dinge neu probiert, etwa mit der Anlage von Rückhaltebecken und der Neuetablierung von Mikroklimata.
Positiver Nebeneffekt und das eigentlich faszinierende war, dass schon nach zwei Jahren die Biodiversität auf der Fläche “explodierte”.Den Zusammenhang von “Wie bewirtschafte ich eine Fläche” und mehre den Artenreichtum, den kann ich unwahrscheinlich schnell positiv beantworten mit den Formen, wie wir sie praktizieren.
Gern möchten wir auch in Stadträumen wirksam werden. Das Thema Essbare Stadt ist für uns ein großes Thema, wo wir, glaube ich, auch gute Beiträge in Zukunft leisten können. Die Kunst hier ist wahrscheinlich, die Willigen zu finden und den Unwilligen nicht ständig hinterherzurennen. Das versuchen wir jedenfalls.
Fühlt ihr Euch aktuell in Eurer Arbeit unterstützt, gut aufgehoben mit der aktuellen Politik oder eher nicht? Was muss besser werden?
Andreas Kretschmer: Da ist gerade sehr viel Bewegung! Wir erfahren tatsächlich Aufmerksamkeit als Voraussetzung für Unterstützung und gute Unterstützung: Ob das jetzt vom neuen Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau in Nossen hier im Freistaat Sachsen ist oder auch von den Regional-Initiativen, die in den letzten zwei Jahren, seit wir einen grünen Landwirtschaftsminister haben, geschaffen wurden: Das unterstützt grundsätzlich, ändert natürlich die realen Verhältnisse noch lange nicht.
Da haben wir dann eher mit der Bundesebene zu tun. Das Landwirtschaftsbeihilferecht kennt keine Mischkultur-Systeme: Da gibt es eben nur Weinbau oder Gartenbau oder Obstbau. Da fällt man sozusagen schon aus der Flächenprämie raus - ein großes und dickes Brett, was man auf Bundes- und europäischer Ebene bohren muss, was die Schweizer erfolgreich gebohrt haben: Da funktioniert das inzwischen. Da gibt es eine Flächenprämie für Permakultur- und Mischkultur-Systeme. Das sind politische Herausforderungen, die man eben auch artikulieren muss, die aber nicht alle Akteure in der Landwirtschaft gleichermaßen treffen, sondern sie betreffen besonders uns. Und da muss man gucken, wie man da Aufmerksamkeit und über Aufmerksamkeit dann zum Schluss auch Mehrheiten bekommt, dass sich eben etwas ändert.
Aber ich glaube, dass das Verständnis der komplexen Auswirkungen von Klimawandel und energetische Ressourcen zunimmt und neues Denken zumindest mal ein Real-Labor bekommt, also mehr Freiheitsgrade. Diesen Trend spüre ich schon.
Dieses Interview führte Grit Ebert im März 2023.