Abtreibungsreisen in die Niederlande in den 1970er Jahren

Interview

Bis heute stellt eine „Reise“ in die Niederlande für ungewollt Schwangere aus Ländern, in denen Abbrüche illegalisiert sind wie Polen oder Malta, aber auch für Personen aus Deutschland, die eine Spätabtreibung benötigen, eine existenzielle Notwendigkeit dar. Eine Abtreibung ist dort bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich. Bereits vor 40 Jahren reisten fast 100.000 Schwangere für einen Schwangerschaftsabbruch in die Niederlande. Viele von ihnen wurden von feministischen Aktivist*innen unterstützt. Gemeinsam fuhren sie im Bus über die Grenze nach Holland. Ute Wellstein war eine der „Reisebegleiter*innen“ in den 1970er Jahren, als Schwangeren in der damaligen BRD ihr Recht auf reproduktive Selbstbestimmung versagt wurde.

Lesedauer: 14 Minuten
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Liebe Ute, vielen Dank für deine Zeit und schon vorweg für dein Engagement, damals und heute.

Kannst du dich noch daran erinnern, wann du das erste Mal mit dem §218 in Berührung gekommen bist?

Da war ich ungefähr 16 oder 17. Eine Klassenkameradin von mir war schwanger. Man hat sie der Schule verwiesen. „Raus aus unserer Klasse, raus aus unserer Schule!“ Das fand ich empörend. Ehemals war das ein evangelisches Gymnasium, da hätte man das vielleicht erwartet. Zu der Zeit aber war es ein staatliches Mädchengymnasium. Da hab ich Theater gemacht! Ich war ja auch Klassensprecherin und Schulsprecherin.

Ich hatte damals eine Klassenlehrerin, die gleichzeitig die Schulleiterin war. Sie war wegen ihres evangelischen Glaubens aus der DDR zu uns gekommen. Sie traf auf mich, die an ihrem 15. Geburtstag aus der Kirche ausgetreten ist und da gab es verschiedene Konfliktpunkte. Einer der wichtigsten war dieser mit der Klassenkameradin. Ich habe auch noch Fotos von meiner Klasse. Von manchen weiß ich die Namen gar nicht mehr. Von ihr aber sehr wohl.

1,5 Jahre später, da studierte ich schon im 1. oder 2. Semester Medizin, wurde eine ehemalige Klassenkameradin schwanger. Da musste man erstmal 250 Mark zusammen kriegen. Das war damals viel Geld. Der Schwängerer hat auch nichts bezahlt. Ich habe sie dann in der Nähe von Frankfurt zu einem illegalen Abtreiber gefahren. Sie hat herausgefunden, wo es einen gibt. Ich wartete 1,5 Stunden draußen in meinem R4 auf sie.

Davor sah ich alle möglichen schwarzen Dienstwagen, also des Ministers oder Bürgermeisters. Deren Frauen gingen alle da rein, machten einen Schwangerschaftsabbruch. Ich dachte mir dann: „Das ist doch eigentlich verboten? Warum müssen wir eigentlich Angst haben, wenn die das alle machen?“ Für mich war das ein Zweiklassensystem. Wenn reiche Frauen abtreiben, deren Männer politisch wichtig sind, da unternehmen sie scheinbar nichts. Das war eine wichtige politische Erkenntnis für mich.

Du hattest gerade erwähnt, dass du Medizin studiert hast. Du bist dann Ärztin geworden. Warst du dann dementsprechend auch gut vernetzt unter den Abtreibungsärzt*innen?

Ich war ja Arbeitsmedizinerin. Aus der 1968er Bewegung und auch aus der Frauenbewegung kannte ich Gynäkolog*innen, die entsprechende Informationen hatten. Die haben das aber selber nicht gemacht, sondern haben die Frauen überall hin geschickt. Das war eine ganz schöne Doppelmoral. Das konnte ich noch nie leiden. Ich konnte auch noch nie Privilegien leiden. Beides hat mich geleitet.

Du warst im Komitee-218 in Mainz organisiert. Kannst du das etwas beschreiben? Was waren eure Ziele?

Wir waren ein Teil des Frauenzentrums Mainz. Da gab es eine Lesbengruppe und eine 218-Gruppe. Die 218-Gruppe hat zweimal in der Woche regelmäßig Beratungen durchgeführt für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wollten. Dafür musste man damals nach Holland fahren. Die Fahrten haben wir auch organisiert. Die andere Aufgabe war die Aufklärung der Öffentlichkeit über den Skandal des §218, ein rein politisches Engagement. Und aus den beiden Gruppen ist das Frauenzentrum zusammengewachsen. Meine Partnerin habe ich da in der Lesbengruppe kennengelernt.

Wie habt ihr versucht eure Ziele zu erreichen? Gab es besondere Protestaktionen, die dir im Gedächtnis geblieben sind?

Wir haben an großen Demonstrationen zum Beispiel in Berlin und in Frankfurt teilgenommen. Wir haben auch in Mainz eine gemacht, bei der immerhin 8.000 Menschen gewesen sind. Da habe ich auch die Rede gehalten hinten auf dem LKW. Wir sind am Mainzer Dom vorbeigekommen. Da haben ganz viele Nonnen und andere katholische Frauen gestanden. Sie haben uns als Mörderinnen beschimpft. Da haben wir natürlich zurückgerufen: „Hätt Maria abgetrieben, wär uns viel erspart geblieben“. Damit hatten die nicht gerechnet. Die haben gedacht, ihr Protest wäre der einzige, der kommt.

Sind dir noch ein paar Slogans im Gedächtnis?

Es gibt spannende Bücher zu den ganzen Themen, wo über die Demos berichtet wird. In denen kann man auch Slogans finden.

Wir haben gesungen: „Ob Kinder oder keine entscheiden wir alleine - Für die Gynäkologen ist Schluss mit den extra Profiten aus dem Uterus“. Wir haben außerdem Lieder aus den persönlichen Gesprächen mit den Frauen gemacht, die mit uns nach Holland gefahren sind:

„Hört ihr Leute, wie es den Frauen hier in Rheinland-Pfalz ergeht, die eine Abtreibung brauchen, die man als sozial versteht. Nach dem neuen 218 ist das schließlich auch legal, sie müssen nur ´nen Doktor finden und ´ne Klinik ihrer Wahl. Hier zum Beispiel Karen Werum, ledig 17 Jahre alt. Seit ´nem halben Jahr in Lehre mit 150 Mark Gehalt. Wurde schwanger trotz Pariser. Doktor T der meinte bloß: Liebes Kind, gib Gott ein Häschen, schenkt er ihnen auch ein Gräschen.“ 

Du bist Medizinerin und hast auch mit pro familia zusammengearbeitet. Wie kam das?

Zu pro familia bin ich 1967 gegangen, weil ich eine Pille haben wollte. Hatte ja meinen ersten Freund. Rheinland Pfalz war damals ein konservativ regiertes Land. In Rheinland-Pflaz gab es kein Pro Familia. Aber wir wohnten an der Grenze zu Hessen. Die Hälfte von Mainz auf der anderen Seite gehört heute zu Wiesbaden. Da gab es eine sozial liberale Koalition und pro familia. pro familia hatte einmal in der Woche eine Sprechstunde im Gesundheitsamt. Das hat damals eine ältere Ärztin gemacht. Das medizinische Risiko der Pille hat man damals häufig unterschätzt. Sie hat mir aber gesagt: „Sie tragen das medizinische Risiko, da kann ihr Freund auch die Kosten tragen.“ Auf die Idee bin ich damals gar nicht gekommen. Er hat das dann auch sofort gemacht.

Die Ärztin hat dann auch gesagt: „Aha, Sie studieren ja Medizin. Wollen sie nicht auch mal, wenn sie fertig sind, hier einsteigen?“ Da habe ich zugestimmt. Jahre später haben wir dann die pro familia in Mainz aufgemacht. Dann war ich 60 Jahre im Vorstand und 30 Jahre Vorstandsvorsitzende.

In den 1970er Jahren habt auch ihr Busreisen in die Niederlande organisiert, um ungewollt Schwangere in Abtreibungskliniken der Niederlande zu bringen. Von manchen werden die Fahrten auch als „Protestaktion“ beschrieben. Wie sehr Protest war es für dich?

Also Protestaktion eher nicht. Wir haben das nicht laut angekündigt oder sind mit Transpis am Bus gefahren, weil wir wussten, dass dann die Frauen Angst haben. Wir selber hatten keine Angst. Wir dachten, wenn die uns kriegen, dann machen wir einen politischen Protest daraus. Auf politischer Ebene haben wir darüber als Protestaktion berichtet.

In den 1970er Jahren gab es weder Internet, Social Media noch Whatsapp. Wie habt ihr euch vernetzt? Wie sind ungewollt Schwangere auf euch gestoßen? Wer waren diese Personen? Was waren deren Lebenssituationen?

Es waren durchaus unterschiedliche Personen. Klar, die Reichen, die Privatpatientinnen, die haben im Allgemeinen auch immer in Frankfurt ihren illegalen Abbruch bekommen. Bei uns waren eher die Jüngeren, Ärmeren. Es waren aber auch Mittelschichtsfrauen dabei.

Das Frauenzentrum hat damals öffentlich Plakate geklebt. Dort stand drauf, dass es Sprechstunden gibt, wo das Frauenzentrum ist und sowas. Die Gynäkolog*innen, die nichts dagegen hatten, die haben die Frauen auch an uns überwiesen. Wieder Doppelmoral: Sie haben sich geweigert, es selbst zu machen, haben den Frauen dann aber die Informationen gegeben. Sie haben auch die Voruntersuchungen gemacht, wenn zum Beispiel Frauen vorher bereits komplizierte Schwangerschaften hatten.

Manchmal wollten auch die Männer mitfahren. Das haben wir abgelehnt. Vor allem wegen der Frauen, die alleine fahren mussten. Außerdem passten so viele Leute in einen kleinen VW-Bus gar nicht rein.

Magst du die Hin- und Rückfahrten und auch die Zeit in den Niederlanden beschreiben? Wie lief das ab, habt ihr währenddessen etwas unternommen?

Erstmal mussten wir die Frauen beraten, dass sie einigermaßen sicher in ihrer Entscheidung und nicht ambivalent sind. Andererseits konnte das nicht immer ausgelebt werden, weil es auch in Holland Fristen gab. Das Zweite war, dass die entsprechenden Papiere der Voruntersuchungen, Blutuntersuchungsergebnisse für die holländischen Ärzt*innen dabei sei mussten.

Wir haben uns dann freitags nach der Arbeit – wir arbeiteten ja alle auch – in der Nähe des Bahnhofs getroffen. Manche kamen ja nicht aus Mainz. Wir sind dann nach Holland gefahren und wurden dort meistens in billigen Zweibettzimmern untergebracht, die die Klinik organisiert haben. Am nächsten Morgen wurden die Abbrüche gemacht. Die Frauen mussten dann eine Zeit bleiben für die Nachuntersuchung. Wir, die die Fahrten gemacht haben, haben währenddessen meistens gelesen, was gegessen oder einen Spaziergang um den Block gemacht. Danach haben wir mit allen einen Spaziergang gemacht, damit sie vor der langen Fahrt nochmal an die Luft kommen. Mit einer Frau mussten wir nochmal zurückfahren wegen des Kreislaufes. Zurück in Deutschland haben wir die Frauen wieder in der Nähe des Bahnhofs abgesetzt. Die Orte haben wir immer gewechselt. Wenn jemand an die Frauen ran kommen wollte, wollten wir es denen nicht leicht machen. Das ist aber nie passiert. Es gab auch keine Bedrohung oder Verfolgung.

Kannst du etwas zur Stimmung auf der Hinfahrt, aber auch auf der Rückfahrt sagen?

Wir haben auf der Hinfahrt versucht, die Stimmung aufzulockern. Die Frauen untereinander kamen selten ins Gespräch. Wir sind immer zu zweit gefahren, die eine am Steuer und die andere hat versucht, mit den Frauen zu sprechen oder auf die Landschaft hinzuweisen. Es war tendenziell etwas angespannt. Aber viele habe auch geschlafen. Am Anfang der Schwangerschaft geht’s einer ja auch hormonell manchmal nicht so gut.

Auf der Rückfahrt war es eher entspannt. Muss man eindeutig sagen. Da war Erleichterung und es wurde auch schon mal ein Witz gemacht.

Während des Lockdowns aufgrund von Corona wurden die europäischen Grenzen geschlossen. Es wurde vermehrt kontrolliert. Die medikamentöse Versorgung bzw. die Reisen ungewollt Schwangerer aus Polen ins Ausland wurden stark behindert. In den 1970er Jahren waren Grenzkontrollen Standard. Wie haben die Kontrolleur*innen damals auf euch reagiert?

Wir kamen an die Grenze und mussten bei den Grenzer*innen anhalten. Nach ein paar Mal kannten die uns, sie kannten den Bus aus Frankfurt auch schon. Sie wussten, dass wir Freitag am frühen Abend kommen und haben uns schneller durchgewunken als andere. 

Habt ihr da eigentlich etwas Illegales getan und hattet deshalb Angst vor Repressionen?

Das wussten wir nicht genau. In Deutschland war es verboten, in Holland nicht. Wenn das dort nun deutsche Frauen mit deutscher Hilfe machten – das wussten wir nicht genau. Repressionen hätten an der holländischen Grenze passieren können. Sind sie aber nicht. Die deutsche Polizei guckte weg und die holländische hat es eher positiv gesehen.

Wir haben letztlich so viele Sachen gemacht, die streng genommen illegal waren, bei Demonstrationen zum Beispiel, Übertreten der Bannmeile etc. Ich bin elfmal festgenommen worden. Da war da keine Angst. Das war natürlich anders bei den Frauen. Uns war es eher ein Anliegen, den Frauen solche Auseinandersetzungen zu ersparen.

Stehst du noch in Kontakt mit deutschen Reisenden, mit medizinischem Personal aus den Niederlanden und/oder Aktivistinnen?

Die Frauen, die mitgefahren sind, mit denen hatten wir keinen Kontakt mehr. Die waren dann schon bei ihren Gynäkolog*innen zur Nachuntersuchung angemeldet. Dazu haben wir sie auch angewiesen. Die Frauen, mit denen ich das gemacht habe, mit denen bin ich heute noch größtenteils befreundet. Weil wir auf der politischen Ebene miteinander arbeiten und uns aber auch persönlich verstehen.

Zu den holländischen Ärzt*innen hatten wir in der Zeit Kontakt, danach nicht mehr so, außer zu denen, die wir dort abgeworben haben. Viele der Ärzt*innen haben dann in Deutschland in unseren Abbruchszentren gearbeitet, teilweise heute noch. Sie haben auch die deutschen Ärzt*innen ausgebildet, weil das, bis heute, in der normalen gynäkologischen Facharztausbildung nicht vorkommt.

Im letzten Jahr wurde der §218 150 Jahre alt. Seit 1871 ist es ungewollt Schwangeren in Deutschland verboten, eine Schwangerschaft abzubrechen. In der DDR wurde 1972 die Fristenlösung eingeführt. 1976 die Indikationslösung in der BRD. Seit 1993/1995 ist im wiedervereinigten Deutschland ein Abbruch unter bestimmten Bedingungen „rechtswidrig, aber straffrei“.  Mit der Fristenlösung und Beratungspflicht aber hat Deutschland eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa, selbst die aktuelle Regierung aus SPD, Grünen und FDP wagt sich nicht an den §218 heran. Du verfolgst die Kämpfe gegen den Paragrafen nun seit Jahrzehnten. Mit welchem Gefühl würdest du die bisherigen Kampfesbemühungen und Entscheidungen der Legislative umschreiben?

Ich bin immer noch empört, klar. Aber ich habe als Jugendliche schon gelernt, dass Vieles oft nicht so nach meinem Kopf läuft, sondern dass es Kompromisse gibt. Ich will mal ein Beispiel nennen: Als ich aus der Kirche ausgetreten bin, habe ich in der Schule gesagt, dass ich nicht mehr am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen werde. Meine Lehrerin fand das sehr schade, musste mich in den zwei Stunden Unterricht aber irgendwo unterbringen. Da ich mal Sportärztin werden wollte, schlug ich Sportunterricht vor. Die (evangelische) Direktorin meinte dann, dass man nicht belohnt werden könnte, wenn man aus der Kirche aussteige. Sie wollte mich in den Matheunterricht schicken. Ich erwiderte, dass ich wegen meiner Religionsfreiheit auch nicht bestraft werden könne. Letztlich ging ich eine Woche in den Sportunterricht, die andere in Mathe.

Dieser §218 ist ja auch ein Kompromiss. Es ist ein Skandal, dass er immer noch im Strafgesetzbuch steht und immer wieder nur angekratzt wird. Aber seit den 1990ern hat sich die Praxis für die Frauen sehr verändert. Heute ist das doch viel liberaler und humaner. Ich lass mir jedenfalls von diesem Kompromiss nicht die Kraft oder das Motiv rauben, da immer weiterzukämpfen. Wir von den säkulären Grünen sind diejenigen, die ganz deutlich darauf drängen, das zu realisieren, was im Koalitionsvertrag steht. Ich bleibe da weiter dran, so viel Motivation habe ich mit meinen fast 75 Jahren noch.

Waren die Entwicklungen Ostdeutschlands für euren Kampf der Legalisierung um Abtreibungen in der damaligen BRD von Relevanz?

Von Reisebewegungen in den Osten, was schwangere Frauen angeht, weiß ich nichts. Ich kenne keine einzige Frau, die gesagt hat, dann fahre ich eben nach Leipzig. Wir hatten damals schon persönlich und politische Kontakte im Osten. Mit Christa Wolf zum Beispiel.

Den Paragrafen abzuschaffen, ist für uns ein Muss. Da gibt es keine Kompromisse für uns.

Stellen wir uns vor, wir treffen uns in fünf Jahren wieder. Der §218 wurde bis dahin abgeschafft. Wie ist das deiner Meinung nach passiert?

Ich arbeite ja daraufhin, dass die Gegnerinnen dieser notwendigen Veränderungen in den Parteien SPD und Grüne dazu gebracht werden, diese Gesetzesänderung zu machen. Man darf eben nicht nur auf der Straße bleiben. Man muss auch in die Parteien reinarbeiten.  Wenn es endlich passiert, dann machen wir aber ne Feier!

Wenn dann die Gegnerinnen, insbesondere in den Kirchen, grummeln, da habe ich dann überhaupt kein Mitleid.

Das Interview mit Ute Wellstein führten wir mündlich. Am Ende des Interviews sang sie die erste Strophe des Liedes „Die Ballade von der unverhofften Last“ von Walter Mossmann aus dem Jahr 1977. Mossmann singt von einem Mann, der schwanger wird:

Am Montag wacht Herr Kaffke auf - mein Gott, wie ist ihm schlecht!

Er kotzt sich erst mal aus und bleibt zuhaus'

Und sagt zu seiner Frau: "Mein Schatz, ich weiß nicht recht -

Drei Wochen schon bleibt meine Regel aus!"

Die Frau ist mächtig sauer, sagt: "Du bist ja blöd!

Warum hast du nicht besser aufgepasst?

Jetzt bring das schnell in Ordnung, denn es ist zu spät

Wenn du erst einmal schwer zu tragen hast!“

Herr Kaffke fährt in die Niederlande, bricht die Schwangerschaft ab und wird zurück in Deutschland wegen Mordes angeklagt. Am Ende der Ballade heißt es:

“Das Leben”, sagt der Richter, “ist dem Staat egal.

das ungeborne Leben aber nicht.”

Herr Kaffke sagt: “Herr Richter, Mann! Ich hatte keine Wahl!”

“Die Abtreibung ist Mord.” Sagt das Gericht.

So könnte dieses Lied auch schon zu Ende sein

und jeder sagt: “Na ja, ein blödes Lied.”

Da fällt mir grad noch eine Wendung ein,

damit der Fall auch seine Kreise zieht:

Am nächsten Morgen wacht der Richter auf, was ist ihm schlecht!

Er kotzt sich erst mal aus und bleibt zu Haus.

Und sagt zu seiner Frau: “Mein Schatz, ich weiß nicht recht,

drei Wochen schon bleibt meine Regel aus …”

Vielen Dank Ute, für deine Worte und für deine Taten!

Das Interview mit Ute Wellstein führte PRO CHOICE DRESDEN.