Am 8. Mai 1942 wurde Stepan Stepankow als Soldat des 477. Artillerieregiments der Roten Armee bei der Schlacht um die Stadt Kertsch auf der Halbinsel Krim von deutschen und rumänischen Truppen gefangen genommen. Bis Juli 1942 wurde er über verschiedene Gefangenensammelstellen und Kriegsgefangenenlager, unter anderem im besetzten Polen, in das Stammlager (Stalag) XII G Johannis-Bannberg-Bolchen deportiert, das bis zur Besetzung durch die Wehrmacht im Sommer 1940 als Kaserne für 1.200 französische Soldaten genutzt wurde.
Das Stalag XII G, in dem nun bis zu 4.500 Gefangene untergebracht waren, diente als Lazarett für nichtarbeitsfähige sowjetische Kriegsgefangene, deren Arbeitskraft mit Hilfe einfachster medizinischer Mittel wiederhergestellt werden sollte. Für viele sowjetische Gefangene kam jedoch jede Behandlung zu spät. Sie starben an den Folgen der unmenschlichen Unterbringung in Lagern an der Ostfront sowie den Strapazen und der Mangelernährung auf den Transporten.
Stepan Stepankow überlebte: Ab dem 17. August 1942 wurde der 1,58 Meter kleine Landarbeiter beim Arbeitskommando 1258, später 1262, in Bübingen bei Saarbrücken eingesetzt. Bis zum Januar 1943 musste er dort vermutlich Zwangsarbeit für die Reichsbahn leisten. Mit fortschreitendem Kriegsverlauf änderte sich auch der Arbeitseinsatz für die sowjetischen Kriegsgefangenen. Die bisher ausschließlich in der Industrie oder der Landwirtschaft eingesetzten Rotarmisten, vor allem die aus der Ukraine, mussten nun auch als Behelfspersonal an der Flak-Artillerie Dienst tun, womit Streitkräfte der Luftwaffe für die Heeresfronten frei gemacht werden sollten. Dass Kriegsgefangene damit gezwungen wurden, ihre eigene Armee zu bekämpfen, stellte einen Bruch mit dem Völkerrecht und ein Kriegsverbrechen dar. Stepankow war der Flak-Scheinwerfer Abteilung 519 in Frankfurt am Main zugeteilt und musste dort die Munition tragen, die für die Luftschutzabwehr des Chemiekonzerns I.G. Farben benötigt wurde. Ein deutsches Unternehmen, dass wegen seiner Verwicklungen in den Holocaust später vom Alliierten Kontrollrat aufgelöst wurde.
Im April 1943 wurde er in das Stalag Luft in Wolfen gebracht, wo sich ebenfalls ein Werk der I.G. Farben befand. Dort musste Stepankow über ein Jahr Zwangsdienst für die deutsche Luftabwehr leisten, bevor er von Mai bis Ende Oktober 1944 in einen unbekannten Fliegerhorst verbracht wurde. Obwohl laut einer Weisung der Luftwaffe darauf zu achten war, dass „die volle Arbeitskraft [der Kriegsgefangenen] nutzbar gemacht und erhalten werden“ sollte, verschlechterte sich der Zustand Stepankows dort dramatisch. Er verlor stark an Gewicht und wog schließlich nur noch 52 Kilogramm.
Zwischen November 1944 und Februar 1945 wurde Stepankow – vermutlich zur Durchführung von Luftschutzaufgaben – nach Dresden transportiert. Dort kam er Zeugenaussagen zu Folge bei der Bombardierung am 13. Februar 1945 ums Leben. Damit war auch er einer von etwa drei Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkriegs in deutscher Gefangenschaft starben.