Als „kalt und formell“ beschrieb Victor Klemperer das Zeremoniell, bei dem am 14. November 1934 die Dozentenschaft der Technischen Hochschule Dresden (TH) ihren Treueeid auf den „Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“ schwor. Damit war die Gleichschaltung der Hochschule vollzogen.
Einer dieser Dozenten war Otto Oesterhelt, außerordentlicher Professor für Höhere Geodäsie und Katasterkunde, der einen starken Einfluss auf diese Entwicklung hatte.
Bereits 1930 trat Dr. Gotthold Otto Israel der NSDAP bei, für die er im November 1932 in das Dresdner Stadtparlament gewählt wurde. Doch nach der Machtübernahme der NSDAP erschien ihm sein „undeutscher“ Name hinderlich für die weitere Karriere, sodass er ihn zu Oesterhelt ändern ließ. Zuvor schon wurde er 1933 zum Obmann der Hochschulfachschaft des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) ernannt. In seiner Doppelfunktion als Stadtrat und Obmann des NSLB bemühte er sich im Januar 1934 erfolgreich darum, die Gauleitung der NSDAP in den Prozess der Ernennung des Hochschulsenats einzuschalten. Damit war – nachdem das sächsische Ministerium für Volksbildung bereits im Dezember 1933 die Ernennung des Rektors für sich beanspruchte – auch die letzte autonome Entscheidung der Hochschule den nationalsozialistischen Bestrebungen zum Opfer gefallen: Das Führerprinzip war nun vollends an der TH Dresden umgesetzt.
Oesterhelts politisches Engagement brachte zudem Vorteile für sein akademisches Fortkommen. Vom Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, sowie vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wurde er 1935 zum ordentlichen Professor ernannt. Der Ernennung folgte die Leitung des NS-Dozentenbundes an der TH Dresden im Studienjahr 1936/37 sowie der Aufstieg zum Kreisamtsleiter der NSDAP 1938. Beide Funktionen sorgten dafür, dass Oesterhelt einen immer größeren Einfluss auf die Personalpolitik der TH Dresden gewann. Mindestens 32
Hochschullehrer der TH wurden zwischen 1933 und 1945 der Hochschule verwiesen oder zwangsemeritiert. Oesterhelt wirkte aber nicht nur institutionell auf Personalfragen ein. Unter anderem von ihm verbreitete Gerüchte über die vermeintliche jüdische Abstammung des Prof. für Kraftfahrtwesen Otto Wawrziniok (1873–1934) sowie die anhaltenden Unterschlagungsvorwürfe gegen diesen trieben den Hochschullehrer in den Selbstmord. Auch sein Vorgesetzter, und Leiter des Geodätischen Instituts, Prof. Paul Werkmeister wurde von Oesterhelt angefeindet und forcierte damit dessen Entschluss, sich 1938 vorzeitig emeritieren zu lassen. Die Leitung des Instituts, das sich während der NS-Zeit vor allem aufgrund seiner Forschung im Bereich der Luftbildvermessung für die Luftwaffe einen Namen machte, hatte Oesterhelt dann selbst von 1941 bis zu seinem Tod am 14. Februar 1945 inne. Ein Baum erschlug ihn im Großen Garten.