Ellen Regina Beer

Ellen Regina Beer

Eigentlich hatte der berühmte Cirkus Sarrasani schon 1934 Dresden verlassen und war auf Südamerika-Tournee gegangen, ohne eine Rückkehr einzuplanen. Denn Hans Stosch-Sarrasani waren die neuen Machthaber suspekt und er wollte sich der NS-Ideologie nicht unterordnen. Ganz anders hielt es sein Sohn Hans mit den Nationalsozialisten. Er trat 1932 der NSDAP bei und stellte bereits vor 1933 wohlwollend das Zirkusgebäude für Veranstaltungen zur Verfügung. Nicht selten endeten diese mit Randale und Aufmärschen der SA. Selbst in Südamerika organisierte Hans eine Gedenkfeier anlässlich des zweiten Jahrestages der „Machtübernahme durch unseren Führer Adolf Hitler“.

Nach dem Tod des Vaters 1935 übernahm Hans die Geschäfte des Zirkus und kehrte umgehend mit dem Unternehmen nach Dresden zurück. Als auch er 1941 unerwartet starb, wurde seine 28-jährige Frau Trude die neue Leiterin. Anders als ihr Mann war sie weitaus zurückhaltender und vermied es, sich in der Öffentlichkeit pro-faschistisch zu äußern.

Zwei Jahre war sie bereits Zirkusdirektorin, als Regina Beer der heiß ersehnte Sarrasani-Mitgliedsausweis ausgestellt wurde. Für das Mädchen ging damit ein Traum in Erfüllung. Der Zirkus wurde schnell ihr zweites zu Hause, in dem sie täglich 15 Stunden inklusive Probe verbrachte. Sie mistete Ställe aus, half beim Einlass und Telefondienst, war Nummerngirl, Platzanweiserin und Assistentin für andere Artist*innen. Um ihrem Traum näher zu kommen, war Regina bereit, alles zu geben. Die Zirkusleute schätzte sie für ihren Ehrgeiz und Mut genauso wie für ihre Begeisterung und Hingabe für den Zirkus. Man erkannte und förderte schnell ihr Talent, sodass sie sich bis zur eigenen Voltige hocharbeiten konnte. Doch Gerüchte kursierten im Zirkus über sie und den künstlerischen Direktor Gabor Nemedi. Als Trude Sarrasani, Nemedis Lebensgefährtin, davon erfuhr, verwies sie Regina umgehend aus dem Zirkus. Für das Mädchen brach eine Welt zusammen. Doch die Zirkusleute setzten sich dafür ein, dass die passionierte Artistin wenigstens als Telefonistin im Zirkus bleiben konnte.

Am Abend des 13. Februar 1945 spielte der Zirkus wie gewohnt vor etwa 2.000 Gästen. Nachdem die Vorwarnung für einen Luftangriff erging, wurden die Besucher*innen und Angestellten in die Luftschutzräume gebracht. Der Luftschutzwart bestand darauf, dass alle bis zur Entwarnung dort ausharren sollten. Doch Trude Sarrasani sorgte sich um ihre wertvollen Pferde und suchte nach Freiwilligen, die die Tiere ans Elbufer führen würden. Lange Zeit war Schweigen die Antwort, bis sich die 17-jährige Regina meldete. Sie hoffte wohl, durch ihren Einsatz die Sympathie der Direktorin zurückzugewinnen. Zusammen mit vier Männern führte sie nach dem ersten Angriff 17 Pferde in der Nähe der Carolabrücke an die Elbe, wo sie der zweite Angriff tödlich traf. Regina fand man – die Zügel ihres Doppelponys fest umschlossen – unter den toten Tieren.