von Peter Hettlich
Ich zog im Herbst 1990 aus Köln nach Sachsen, wenige Wochen nach einer denkwürdigen Bundestagswahl, bei der die westdeutschen Grünen an der 5%-Hürde gescheitert waren. Sie hatten zwar mit ihrem Motto „Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter“ ein wichtiges Thema – nämlich den Klimaschutz – thematisiert, dafür allerdings grandios den falschen Zeitpunkt gewählt. Ihr Sturz in die außerparlamentarische Opposition wurde nur dadurch abgemildert, daß die ostdeutsche Listenvereinigung Bündnis 90/Die Grünen den Einzug in den Deutschen Bundestag schaffte. Und ihre 8 ParlamentarierInnen leisteten in den folgenden vier Jahren heroische Oppositionsarbeit, sie waren der Rettungsanker, ohne den 1994 der Wiedereinzug der dann gesamtdeutschen Bündnis 90/Die Grünen und erst recht unsere Regierungsbeteiligung 1998 kaum denkbar gewesen wäre.
„Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen - wir wollen regieren“ sagte Franz Müntefering am 21.03.2004 als er von Gerhard Schröder den Parteivorsitz übernahm. Ob er sich heute nach weiteren 5 quälenden Jahren in einer Regierung nicht doch heimlich nach den Oppositionsbänken sehnt, wer weiß? Ich habe in meinen sieben Jahren Bundestag drei Jahre rotgrüne Koalition und vier Jahre Opposition erlebt, und ich kann partout nicht bestätigen, daß die vergangenen vier Oppositionsjahre Mist waren. Ganz im Gegenteil, auch Bündnis 90/Die Grünen waren nach sieben Jahren in Regierungsverantwortung mit einem immer weniger zuverlässigen Partner SPD physisch und psychisch verschlissen. In den vergangenen Oppositionsjahren haben wir uns personell und vor allem inhaltlich regenerieren können.
Aber wir sollten nicht vergessen, Oppositionsarbeit in einem Parlament ist vergleichsweise angenehm im Vergleich zu einer außerparlamentarischen Opposition, wie wir sie in Sachsen 10 Jahre oder in Thüringen 15 Jahre „erdulden“ mußten. Bündnisgrüne Landespolitik wurde in diesen Zeiten fast ausschließlich von ehrenamtlichen PolitikerInnen vertreten. Wir waren auf die Gnade von wohlmeinenden Journalisten angewiesen, wenn wir einen Artikel in die Zeitung bringen wollten. Und wie wollte man Öffentlichkeit herstellen und seine guten Ideen und Vorschläge den WählerInnen vermitteln, wenn beim Schatzmeister Ebbe in der Kasse herrschte?
Und selbst das ist noch höchst komfortabel im Vergleich zur Opposition in der DDR, unter immerwährendem Druck einer Obrigkeit, die keinen Kratzer am Hochglanzlack ihres deutschen Arbeiter- und Bauernstaates duldete. Was es heißt, unter solchen Umständen Oppositionsarbeit zu leisten, das kann ich nur erahnen. Ich habe zu mindestens aus vielen Erzählungen ein Gefühl bekommen, was es bedeutete, konspirativ arbeiten und der Stasi einen Schritt voraus sein zu müssen, noch dazu in der Sorge, daß die Kumpel oder Freunde an Deiner Seite Dich möglicherweise morgen verraten könnten. Aber manchmal klingt aus den Erzählungen etwas Wehmut heraus über eine vergangene Zeit, die viele Menschen für ihr Leben prägte und in der Opposition noch für Mut, Courage und den Kampf gegen eine Diktatur stand.