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05 – Sich verbünden, nicht bevormunden

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Es war gut gemeint und ich wollte doch nur helfen. Solidarische Versuche können scheitern, zum Beispiel wenn die einen helfen wollen und dabei die anderen bevormunden, indem sie meinen, sie wüssten doch, was das Beste ist. Das ist „Paternalismus“. Wenn eine Seite von der anderen abhängig wird, wenn einige sich mit ihrer „Solidarität“ heute brüsten und sie morgen aufkündigen können, aber die anderen sie brauchen. Dann fehlt der Solidarität die Gleichheit.  Es bleibt eine Beziehung zwischen Helfenden und Hilfsbedürftigen.

Doch solidarische Organisierung braucht Kooperation, braucht gemeinsames Handeln auf Augenhöhe. Denn niemand will sich immer wieder gegen rechte Angriffe verteidigen müssen. Es soll sich etwas verändern. Dafür braucht es Gleichheit und Anerkennung.

Menschen, die von Rechten angegriffen werden, haben oft schon lange mit alltäglicher Diskriminierung zu tun. Sie wissen, was Rassismus ist oder was es heißt, mit Queer-Feindlichkeit zu leben. Sie haben gelernt, damit umzugehen, zu überleben und sind oft organisiert. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen zu erfragen, stiftet Anerkennung.

Und woher kommt die Gleichheit? Wir sind nicht vollständig gleichberechtigt, haben nicht die gleichen Voraussetzungen und unsere Erfahrungen sind grundverschieden.
Politisches Handeln ist nicht fehlerfrei oder gar unbefleckt, denn es entsteht nicht aus dem Nichts, sondern aus Gesellschaft und Geschichte – im Guten wie im Schlechten gilt das. „Solidarität hat Gleichheit nicht zur Voraussetzung, sondern zum Ziel«, sagt Bini Adamczak, von der wir schon gehört haben. Aber wie kommen wir dahin, in unseren jetzigen Verschiedenheiten und Ungleichheiten?

Wir gründen Bündnisse, wir gehen Allianzen ein. Eine Allianz ist ein Bündnis mit einem bestimmten Ziel. Eine Idee ist die „Postmigrantische Allianz“: Damit ist gemeint: Menschen, ihre Lebensgeschichten und Erfahrungen sind grundverschieden. Manche sind eingewandert, andere haben noch nie ihre Stadt verlassen. Aber sie teilen die Erfahrung in der Migrationsgesellschaft zu leben, also in einer Gesellschaft, die durch Einwanderung geprägt ist – aber auch durch Rassismus, Armut und Vereinzelung. Was sie ebenso teilen können, ist eine Haltung dazu, wie Gesellschaft eingerichtet werden soll. Auch wenn mich Ungleichheit oder Rassismus nicht betreffen, oder ich sogar erstmal davon profitiere, kann ich sie wahrnehmen, mich empören und dagegen organisieren.

Dadurch verschwinden Ungleichheit und Machtgefälle in Allianzen nicht automatisch. Aber sie können besprochen und angegangen werden. Alle können diese Ungleichheit wahrnehmen und sich dagegen entscheiden, sie hinzunehmen. „Involvierte Solidarität“ kann man dazu sagen, also verwickelte Solidarität. Man steht nicht helfend daneben, man gibt sich hinein, man ist verwickelt. Postmigrantische Allianzen machen gemeinsames Handeln möglich ohne Unterschiede zu verwischen.