10 Ansätze für mehr Akzeptanz der Energiewende: Kommunale Wertschöpfung und Bürgerbeteiligung im Fokus

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Die Energiewende erfordert breite gesellschaftliche Unterstützung. Kommunale Wertschöpfung und Bürgerbeteiligung sind ein Schlüssel für akzeptable Lösungen. Dr. Steven Salecki und Jan Hildebrand präsentieren zehn Erkenntnisse aus ihrem Projekt "Regionale Wertschöpfung, Beteiligungsmodelle und Energiewende-Akzeptanz" (ReWA).

Für das Gelingen der Energiewende ist die aktive Unterstützung großer Teile der Gesellschaft notwendig. Bei der Umstellung auf eine Versorgung mit erneuerbaren Energien als einem zentralen Transformationsbaustein kommt den Kommunen eine besondere Rolle zu, da hier die konkreten Erneuerbaren-Energien-Projekte (EE) umgesetzt und damit unmittelbar erfahrbar werden.

In den letzten Jahren zeigt sich vermehrt die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz als bedeutsam. Gerade auf kommunaler Ebene kommt es immer auch wieder zu Konflikten im Zusammenhang mit lokalen Energieprojekten. Einen wichtigen Ansatz, um akzeptable Lösungen zu entwickeln, stellen Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen und Bürger*innen dar, sowohl bei der Planung und Genehmigung als auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Teilhabe. Wir zeigen zehn Erkenntnisse auf, die sich aus unserem Projekt „Empirische Untersuchung des Zusammenhangs von regionaler Wertschöpfung, Beteiligungsmodellen und Akzeptanz in der Energiewende (ReWA)“ ergeben haben.

1. Die Beteiligung von Kommunen und Bürger*innen an EE-Anlagen sichert den lokalen Verbleib der Wertschöpfung

2. Gezielte Kommunikation der Ziele und Vorhaben schafft Transparenz

3. Beteiligungsfenster in Planungs- und Genehmigungsprozesse nutzen

4. Kommunen können oftmals selbst aktiv werden

5. Eigene Beteiligung: Sich selbst beteiligen, Gesellschaft gründen

6. Beteiligung für andere: Bürgerenergie einfordern

7. Einen niedrigschwelligen Zugang zu finanziellen Beteiligungsangeboten schaffen

8. Das Momentum für weitere Aktivitäten nutzen

9. Lokale Wertschöpfungseffekte transparent kommunizieren

10. Unterstützung der Kommunen in ihrer Rolle als Gestalter

Resümee


1. Die Beteiligung von Kommunen und Bürger*innen an EE-Anlagen sichert den lokalen Verbleib der Wertschöpfung

Beteiligungsmöglichkeiten sind ein zentraler Faktor, um die wahrgenommene Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit in Verbindung mit lokalen EE-Projekten zu erhöhen. Durch Planungs- und Genehmigungsverfahren, welche durch frühzeitige Information Transparenz schaffen und Mitgestaltung ermöglichen, steigt die Verfahrensfairness. Die wirtschaftliche Teilhabe ermöglicht ein ausgeglichenes Kosten-Nutzen-Verhältnis: neben dem zunächst unsichtbaren Nutzen der CO2-Einsparung werden sicht- und spürbare Mehrwerte in der Region geschaffen.

Die individuelle Mitgestaltung und der direkte Nutzen stärken die positive Verbindung zu und die Identifikation mit dem lokalen EE-Projekt, sichern den lokalen Verbleib der Wertschöpfung, verdeutlichen so den persönlichen Bezug und ermöglichen das Erleben kollektiver Wirksamkeit: nämlich etwas in der Gemeinde für Zukunft und Nachhaltigkeit voranzubringen zu können. Auf diese Weise lassen sich positive Effekte für die lokale Akzeptanz erzielen – dementsprechend sollte dieser Weg aktiv beschritten werden.

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2. Gezielte Kommunikation der Ziele und Vorhaben schafft Transparenz

Grundlage für eine aktive Mitgestaltung von Kommunen und Bürger*innen in der Energiewende ist zunächst die Entscheidung, etwas tun zu wollen und gemeinsam eine Vision und konkrete Ziele zu entwickeln. Dies kann ebenfalls in einem interaktiven und partizipativen Prozess passieren, nach dem Motto: „Wie wollen wir die Energiewende bei uns vor Ort umsetzen?“ Darauf aufbauend sollte aktiv und gezielt nach Informationen gesucht werden, welche EE-Projekte mit welchen Beteiligungsmöglichkeiten für die Kommune (oder Nachbarschaft) passend sein könnten. Beratungsmöglichkeiten bei Fach- und Energieagenturen oder auch Tools wie der Online-Wertschöpfungsrechner für erneuerbare Energien, stellen dabei wichtige Unterstützungsangebote dar. Ebenso hilfreich ist Lernen am konkreten Beispiel anderer Kommunen im Sinne eines Peer-to-Peer-Ansatzes: Erfolgsgeschichten aus Kommunen, die schon EE-Projekte erfolgreich umgesetzt haben, können sowohl begeistern und motivieren, als auch wichtige Hinweise darüber geben, welche Schritte zu gehen sind und wie Herausforderungen begegnet werden kann.

3. Beteiligungsfenster in Planungs- und Genehmigungsprozesse nutzen

Gelungene Kommunikation und Beteiligung sind keine Selbstläufer. Sie müssen genauso wie technische Projekte geplant werden und erfordern Kompetenzen sowie zeitliche und finanzielle Ressourcen. Damit Beteiligung innerhalb der Planung und Genehmigungsverfahren positiv wirksam werden kann, müssen die Strukturen entsprechend angepasst werden: Ausreichend personelle Ressourcen sowie Aus- und Weiterbildungsformate sensibilisieren kommunale Akteure für die Notwendigkeit von Beteiligung und versetzen sie in die Lage, qualitativ hochwertige Beteiligung durchzuführen (ggf. mit externer Unterstützung, vgl. Punkt 10).

Hierdurch können bestehende Ängste und Unsicherheiten auf Verwaltungsebene abgebaut und auch das Verständnis für unterschiedliche und auch kritische Perspektiven erhöht werden – beispielweise ist nicht jede*r Kritiker*in gleich ein*e „EE-Gegner*in“ oder hat jede Person die gleichen Kommunikationsbedarfe. Auch vermeintlich starre formelle Verfahren bieten Spielräume, beginnend von der Bekanntmachung durch Anzeigen, über EE-Planung bis hin zu Anhörungsterminen – alle Schritte bieten das Potenzial, transparenter und bedarfsorientierter gestaltet zu werden. Auf diese Weise bietet Beteiligung im Dialog Chancen, lokalspezifisches Wissen einzubringen und Menschen für lokale EE-Projekte zu begeistern.

4. Kommunen können oftmals selbst aktiv werden

Kommunen haben mit eigenen geeigneten Betriebsflächen bereits deutlich bessere Voraussetzungen, um die Beteiligung zu steuern: Eine wichtige Einnahmequelle, die sich aus eigenen Betriebsflächen ergibt, sind die Pachtzahlungen für diese Flächen, die über 20 Jahre hinweg und zumeist abhängig von der Ertragssituation ausgehandelt werden. Zugleich kann interessierten Projektierern verdeutlicht werden, dass eine Überlassung der Flächen nur bei einer Implementierung geeigneter Beteiligungsmodelle gewünscht ist. Mit Blick auf die Notwendigkeit eines transparenten und sinnvollen Prozesses der lokalen Energiewende können Kommunen im Rahmen der Planung gezielt auf andere akzeptanzrelevante Belange der Bevölkerung eingehen.

5. Eigene Beteiligung: Sich selbst beteiligen, Gesellschaft gründen

Kommunen können bei Verfügbarkeit eigener Betriebsflächen auch selbst eine Projektierungs- oder Betreibergesellschaft gründen. Dazu müssen ihnen allerdings zugleich die finanziellen Mittel für solche Investitionen zur Verfügung stehen. Sofern sie unter Haushaltsaufsicht stehen, sind sie auf die Mitwirkung der Finanzaufsichtsbehörden angewiesen. Können diese Handlungsspielräume als Steuerungsmöglichkeiten genutzt werden, so ergeben sich aus den Pachteinnahmen und den Gewinnbeteiligungen aus der Miteigentümerschaft der Betreibergesellschaft weitere Einnahmequellen neben den kommunalen Gewerbesteuereinnahmen.

Für die Beteiligung von Bürger*innen stehen dann die in Punkt 6 beschriebenen Optionen zur Verfügung. Neben der aktiven Gestaltung hat die Kommune bei dieser intensiven Form der Eigeninitiative auch die Kommunikationsstrategien selbst in der Hand und kann damit sicherstellen, dass die Beteiligungsangebote wahrgenommen werden und akzeptanzstiftend wirken können.

6. Beteiligung für andere: Bürgerenergie einfordern

Ob bei eigenen Projektinitiativen, zur Verfügung gestellten Flächen oder auch nur als Akteur bei den Planungen – Kommunen sollten Beteiligungsoptionen für Bürger*innen einfordern, wo immer sie es können. Dabei kann gemeinsam mit den Bürger*innen eruiert werden, welche Beteiligungsmodelle gewünscht sind. Neben dem (Mit-)Eigentum an Bürgerenergieanlagen können auch weitere Modelle kombiniert werden, um einen größeren Teil der lokalen Bevölkerung zu erreichen.

Nicht alle Bürger*innen haben ein Interesse an einer genossenschaftlichen Beteiligung oder an anderen Modellen mit einem gewissen unternehmerischen Risiko. Hier kommen indirekte Beteiligungsformate über Nachrangdarlehen, Sparbriefe oder vergünstigte Stromtarife1 in Frage. Letztere werden anteilig durch den EE-Betreiber mitfinanziert, sind auf eine Region mit klarem räumlichen Bezug zur EE-Anlage beschränkt und bieten dadurch die Möglichkeit eine regionale Strommarke aufzubauen, mit der sich die Bevölkerung identifizieren kann und ihren Stromverbrauch direkt mit der lokalen Stromerzeugung verbindet.

7. Einen niedrigschwelligen Zugang zu finanziellen Beteiligungsangeboten schaffen

Sowohl bei direkten Eigentumsbeteiligungen als auch bei indirekten Sparanlagemöglichkeiten sollten die Zugangsschwellen möglichst niedrig gehalten werden. Dazu gehört ein umfassendes Informations- und Beratungsangebot. Musterverträge und Erläuterungen zu wichtigen Gestaltungsfragen können Unsicherheiten rechtzeitig abbauen. Zur konkreten Umsetzung werden aber auch möglichst niedrige Mindesteinlagenhöhen empfohlen, um bspw. auch einkommensschwächeren Haushalten Beteiligungsoptionen zu bieten. In diesem Sinne sind vergünstigte Stromtarife besonders zielführend, da hier erst gar kein Startkapital notwendig ist.

8. Das Momentum für weitere Aktivitäten nutzen

In Kommunen mit erfolgreichen Beteiligungsmodellen zeigt sich in der Bevölkerung deutlich eine Bereitschaft, sich auch zukünftig finanziell an weiteren EE-Anlagen zu beteiligen. Wird so eine möglichst breite Beteiligungsquote in der Bevölkerung erreicht, kann dies also auch als Momentum für weitere Klimaschutzaktivitäten genutzt werden. Dazu gehören weitere EE-Projekte, aber auch Sektorkopplungsansätze, Mobilitätskonzepte oder Effizienzmaßnahmen bspw. in Gewerbe/Industrie-Unternehmen oder bei der energetischen Gebäudesanierung. All diese Aspekte sollten sinnvoll kombiniert und in einer gemeinsamen größeren Vision zusammengedacht werden. So können ggf. Bereiche aktiviert werden, in denen es noch größere Transformationsbedarfe gibt.

9. Lokale Wertschöpfungseffekte transparent kommunizieren

Die erzielten Wertschöpfungseffekte von EE-Projekten können dann ihre positive Wirkung auf die Akzeptanz entfalten, wenn sie als Quelle der Wertschöpfung jederzeit erkennbar sind. Dementsprechend bedarf es einer gezielten Kommunikation über die Nutzeneffekte der EE-Anlagen, um diese Wahrnehmung zu stärken. Wichtig ist dabei die transparente und wiederkehrende Kommunikation darüber, welche Erträge erzielt und wie diese verwendet wurden. Dies kann über Infotafeln und Hinweise an den Anlagen selbst geschehen, bspw. durch die Visualisierung der zeitaktuellen, monatlichen oder jährlichen Energieerträge, der CO2-Einsparungen, Wertschöpfungseffekte etc. Eine bewusste Darstellung der Beiträge, die Einnahmen aus den EE-Projekten zu Infrastruktur, Effizienzmaßnahmen oder auch zur kommunalen Entschuldung leisten, macht die positiven Effekte greif- und nachvollziehbar und trägt zu einer höheren Akzeptanz bei.

10. Unterstützung der Kommunen in ihrer Rolle als Gestalter

Damit Kommunen ihre wichtige Rolle in der Energiewende adäquat ausfüllen können, sollten sie durch Bund und Länder weiter unterstützt und gefördert werden. Dazu zählt die Einrichtung von Dialog- und Moderationsangeboten für die Durchführung von Beteiligungen; gute Bespiele für solche Angebote auf Landesebene bestehen schon in einigen Bundesländern (z.B. Baden-Württemberg und Hessen). Förderprogramme wie Klimaschutz- oder Energiewendemanager gehen in die ähnliche Richtung, Strukturen vor Ort zu schaffen und entsprechende personelle Ressourcen bereitzustellen.

Auf der planerischen Ebene sollte die interkommunale Planung und Kooperation gerade im ländlichen Raum noch stärker gefördert werden, sodass hier Ressourcen gebündelt und Synergien geschaffen werden – Wertschöpfung geht über kommunale Grenzen hinweg. Ergänzend sollten auf der regulatorischen Ebene die rechtlichen Möglichkeiten auch für finanzschwache bzw. unter Haushaltsaufsicht stehende Kommunen verbessert werden, sodass diese sich auch wirtschaftlich an EE-Projekten beteiligen bzw. von den Wertschöpfungspotenzialen profitieren können.

Resümee

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes ReWA machen deutlich, dass es sowohl viele gute Gründe als auch passende Wege für Kommunen gibt, sich und ihre Bürger*innen aktiv in der Energiewende zu beteiligen. Neben der regionalen Wertschöpfung, die die Akzeptanz der Energiewende an sich fördert, kommt auch gelungener Kommunikation eine besondere Rolle zu, um den Nutzen für die Bürger*innen wahrnehm- und erfahrbar zu machen. Allerdings gibt es kein Patentrezept, denn jede Kommune ist anders. Die Chance, die lokale Energiewende mit passenden Beteiligungsangeboten entlang der eigenen Stärken und Bedarfe zu gestalten, ist also auch immer eine Herausforderung.


1. So können vergünstigte Stromtarife realisiert werden: 


Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de