Die Diskriminierung und Verfolgung der europäischen Rom_nja und Sint_ezze hat lange Traditionslinien, die bis in die Gegenwart reichen. Kaum eine andere Minderheit wird so umfassend mit negativen Stereotypen belegt. Die Folgen sind verheerend:Die Chancen für sozialen Aufstieg sind massiv beschränkt, rassistische Angriffe keine Seltenheit. Trotzdem bleibt der gesellschaftliche Aufschrei aus.
Für Sachsen scheint die Geschichte und Gegenwart der Rom_nja und Sint_ezze ein geradezu blinder Fleck. Die rudimentäre Forschung erlaubt kein klares Bild zur lokalen Verfolgungsgeschichte im Nationalsozialismus. Auch der allgemeine Kenntnisstand und Wissen über die aktuellen Lebenssituationen und politischen Perspektiven hier lebender Rom_nja und Sint_ezze sind sehr gering.
Hier setzt die Herbstschule an. In der besonderen Umgebung des Festspielhauses Hellerau werden wir viereinhalb intensive und anregende Tage verbringen. Im Vordergrund stehen Wissensvermittlung, Selbstreflexion in Bezug auf eigene Vorurteilsstrukturen, Self-Empowerment teilnehmender Rom_nja und die lokale politische Vernetzung. Versierte Expert_innen geben einen Einstieg in das Thema Antiromaismus, zusammen nähern wir uns der (lokalen) Verfolgungsgeschichte der Rom_nja und Sint_ezze, besuchen und diskutieren künstlerische Beiträge, organisieren den Austausch mit sächsischen und tschechischen Selbstvertretungsorganisationen. Ziel ist die nachhaltige Vernetzung aller Teilnehmenden. Die Herbstschule wendet sich an alle Interessierten, besonders aber an Menschen, die sich gegen Antiromaismus engagieren oder dies vorhaben.
Die Herbstschule ist konzipiert worden von Kathrin Krahl und Rosa Klee für Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, Frauke Wetzel für HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste Dresden und Susamme Gärtner für die Brücke/Most-Stiftung. Die Herbstschule ist Teil von RomaRespekt unter dem Dach von Weiterdenken und wird gefördert als Modellprojekt des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben.
Programm
MI, 23.9.2015
16:00 Uhr Anreise & Snacks
17:00 Uhr Kennenlernen & Organisatorisches
20:00 Uhr LESUNG “Meine 7000 Nachbarn”, mit der Autorin Eva Ruth Wemme
Die Geschichten aus »Meine 7000 Nachbarn« (Verbrecher Verlag, 2015) halten fest, was keinem Menschen zuzumuten ist. Ein Mann arbeitet wochenlang auf der Baustelle des Berliner Flughafens und erhält am Ende keinen Lohn. Einer schwangeren Frau wird im Krankenhaus bestätigt, dass ihr Kind am selben Tag zur Welt kommen werde, dann wird sie gebeten, sich ein anderes Krankenhaus zu suchen. Bei den 7000 Nachbarn handelt es sich um Rom_nja in Berlin. Eva Ruth Wemme übersetzt Literatur aus dem Rumänischen und begleitet seit 2011 rumänische Migrant_innen in Berlin als Dolmetscherin und Beraterin. Sie berichtet eindringlich und aus erster Hand vom Teufelskreis aus Arbeits- und Wohnungslosigkeit, aus Fremdheit und Vorurteilen.