ALLTAGSGESPRÄCHE

Ein monatliches Cafe der politischen Bildung und Teilhabe

Lesedauer: 4 Minuten
Wandbild einer Stadt

Zentrale gesellschaftpolitische Debatten werden nur von einem Teil der Bevölkerung in Deutschland geführt, obwohl sie existenziell sind und die diskutierten Themen alle angehen. Das heißt, nur ein Teil der Bevölkerung hat Einfluss auf die Richtung dieser Debatten und bestimmt den Ausgang mit, nutzt also die politische Macht, die der bzw. die Einzelne hat. Andere – unter anderem einkommensschwache Menschen mit und ohne Flucht- bzw. Migrationshintergrund - sind ausgeschlossen. Ihnen fällt es dadurch schwerer, eigenen Standpunkt zu entwickeln und ihre Position einzubringen. Debatten werden medial und politisch ohne sie geführt.



Wird über die Teilhabe von Menschen mit Fluchterfahrung oder anderen Migrant*innen, aber auch einkommensschwache Menschen ohne Migrationshintergrund gesprochen, bezieht sich das Sprechen über gesellschaftliche Teilhabe meist auf die Bereiche Sprache, Bildung und Arbeit. Doch Individualität und Meinungsbildung ziehen eine rote Linie durch alle Bereiche unseres Lebens.



Was sind die großen Diskussionen der Zeit? Themen wie Wohnen, Ernährung, Elternschaft und soziale Gerechtigkeit sind existenziell – sie sind der Alltag. Gerade einkommensschwache Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sind hier benachteiligt. Doch sie wollen sprechen und gehört werden.



„Nicht über uns, sondern mit uns“ will das Projekt ALLTAGSGESPRÄCHE politische Bildung verankern. Um Teilhabe in Deutschland zu ermöglichen, soll das Nahumfeld, das Ursächliche in den Mittelpunkt der politischen Bildung rücken: politische Debatten um Elternschaft, Wohnen, Ernährung und Gerechtigkeit. Anders als in den Integrationskursen steht nicht das politische demokratische System in seiner Gewaltenteilung im Zentrum unserer Arbeit, sondern die politischen Debatten um den Alltag. Wie wollen wir bilden und lernen, wie wohnen? Was sind Vor- und Nachteile verschiedener Formen der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie? Was bedeutet soziale Gerechtigkeit und was können wir dafür tun? Wie können wir Elternschaft gestalten? Was sind die Herausforderungen? Diese Debatten werden sehr exklusiv geführt. Initiativen kommen mehrheitlich aus dem Bildungsbürgertum und setzen viele Kenntnisse voraus. Gesellschaft lebt aber von Diskussion, Einmischen und Fragenstellen verschiedenster Menschen; alle müssen mitsprechen können. Daher wollen wir mit ALLTAGSGESPRÄCHE Menschen mit Fluchterfahrung und einkommensärmere Schichten an diesen zukunftweisenden Debatten teilhaben lassen und so zu einer Praxis, auf dem Schulhof bis zum Mieterverein beitragen. Wir vermitteln in ALLTAGSGESPRÄCHE politisch wissenswerte Debatten, Institutionkenntnisse und das Wissen um Organisierung.



Nicht nur inhaltliche Debatten sind Teil des Projekts, sondern auch das Wissen um das sich zu WORT-Melden. Wie gründe oder beteilige ich mich an einer Interessensvertretung, wie an einem Verein, einem Verband? Wie komme ich mit meinen Nachbarn ins Gespräch?



Selbstorganisierung ist Teil von Selbstwirksamkeit. Sie stiftet Wissen, aber eben auch das Gefühl, an dieser Gesellschaft teilzuhaben. Veränderbarkeit ist wesentlicher Teil von Demokratien. Sie sind nicht statisch, daher ist ALLTAGSGESPRÄCHE ein Baustein, um gelebte Demokratie zu vermitteln, aber eben nicht abstrakt, sondern konkret.

In vier verschiedenen Zyklen wird jeweils ein ALLTAGSTHEMA bearbeitet. Wir erarbeiten in Gruppen von 10 bis 15 (jungen) Erwachsenen in Workshops das jeweilige Thema. Wir sprechen über unsere Realität und Gegenwart. Wie lebe, wohne, lerne ich? Was will ich für meine Kinder etc.? Was wünsche ich mir und wie bringe ich meine Wünsche im politischen Spektrum unter? Anschließend nähern wir uns den Themen durch Workshops, Film, Museen und den gemeinsamen Besuchen von Initiativen und Institutionen.



Wir diskutieren und bilden uns multiperspektivisch in folgenden vier Themen



1) WOHNEN: Wer wohnt wie und warum? Was sind die Debatten der Gegenwart?

Wohnen ist zur sozialen Frage in Deutschland geworden - es ist das zentrale Thema unserer Zeit. Immer mehr Menschen fällt es schwer, bezahlbaren Wohnraum in Ballungszentren zu finden. Gerade einkommensschwache Menschen mit und ohne Flucht- bzw. Migrationserfahrung werden immer mehr an den Rand gedrängt. Wer vertritt und unterstützt meine Interessen?



2) ERNÄHRUNG: Wie Essen, Ökologie und Geldbeutel zusammen kriegen? Ökologie ist eine zentrale Debatte unserer Zeit. Es werden jedoch unterschiedliche Interessen gegeneinander ausgespielt. Die Bioprodukte im Supermarkt kann sich nicht jeder Geldbeutel leisten. Daher empfinden ärmere Schichten diese Debatten als Diskriminierung. Jedoch ist es keine Frage der Wahl, sondern eine des Einkommens. Wie können wir ein ökologische Bewusstsein schulen, ohne an die Grenzen des Finanziellen zu geraten. Alle wollen sich gesund ernähren, wie geht das?



3) ELTERNSCHAFT: Elternschaft ist zu einem Politikum geworden. Was sind herkömmliche Familienmodelle, was sind Regenbogen- und Patchworkfamilien? Wer hilft uns, für unsere Interessen für die Kinder beizustehen? Wie unterstützen wir Bildungs- und Chancengleichheit der Kinder? Wie sich im Wust der Schulmodelle orientieren, wie eine Elterninitiative starten? Auch hier sind meist akademische Elternschaften engagiert, wie erweitern wir die Teilhabe von Zugewanderten?



4) GERECHTIGKEIT: Wo sind die Grenzen von Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft, wie machen wie sie gerechter?

Wie fair sind Rechte, Möglichkeiten oder Ressourcen verteilt? Sollen alle Menschen gleich bezahlt werden oder ist es gerechter, nach Leistung bezahlt zu werden? Haben alle Menschen die gleichen Lebenschancen? Gerechtigkeit ist ein komplexes Thema, das alle betrifft.