Die COP29 verschärft die Klimaungerechtigkeit

Analyse

Die COP29 sollte ein zukunftsfähiges Ziel für die globale Klimafinanzierung definieren. Daran ist sie gescheitert. Stattdessen wurden internationale Kohlenstoffmärkte beschlossen, die neue Schlupflöcher für fossile Emittenten schaffen.

Foto: Eine Gruppe Aktivist*innen sitzt und steht in einer Halle, hält Schilder mit Aufschriften wie „FIGHT BACK“ und „RESIST“ und hebt die Hände.
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Klima-Aktivist*innen bei der COP29 in Baku.

Die COP29 in Baku, Aserbaidschan, ist mit desaströsen Ergebnissen zu Ende gegangen. Die große „Klimafinanzierungs-COP“ hat ein internationales Klimafinanzierungsziel geliefert, das den Herausforderungen, Bedarfen und Notwendigkeiten der nächsten Jahre nicht einmal annähernd gerecht wird. Die Ergebnisse untergraben aktiv die Klimagerechtigkeit und internationale Solidarität. Es wurden außerdem die internationalen Kohlenstoffmärkte unter dem Pariser Klimaabkommen auf den Weg gebracht und damit erhebliche neue Schlupflöcher für fossile Emittenten geschaffen. 

Viel zu wenig Geld für den globalen Süden

In Baku waren die Regierungen des globalen Nordens nicht bereit, die eigentlich notwendigen Summen für die Klimafinanzierung auf den Tisch zu legen. Das zeigt sich in der viel zu niedrigen vereinbarten Gesamtsumme von 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr, die es vielen armen Ländern extrem schwer machen wird, ihre Wirtschaft zu transformieren, Anpassungsmaßnahmen an die Klimakrise zu ergreifen sowie für Schäden und Verluste entschädigt zu werden. Es zeigt sich auch an der Tatsache, dass sich die Industrieländer bis zum vorletzten Tag der COP29 weigerten, überhaupt eine Zahl als Verhandlungsgrundlage zu nennen. Als dann endlich erste Zahlen kursierten – zunächst in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr – wurden diese zwar von den Regierungen des globalen Südens mit großer Empörung abgeschmettert und für absolut unzureichend erklärt. Allerdings war vor dem Hintergrund des Unwillens des globalen Nordens, seiner Verantwortung gerecht zu werden, mit diesem taktischen Verhalten absehbar, dass in der Kürze der Zeit nur noch wenig Verhandlungsspielraum nach oben bestehen würde. 

300 Milliarden US-Dollar jährlich an Klimafinanzierung bis 2035: Das ist einige Größenordnungen von dem entfernt, was es eigentlich braucht. Studien kommen klar zu dem Ergebnis, dass sich die jährlichen Bedarfe im Bereich der Billionen bewegen, Tendenz – mit immer drastischer spürbaren Auswirkungen der Klimakrise – steigend. Im COP-Text werden diese Summen sogar beziffert: Die Umsetzung der nationalen Klimapläne (Nationally Determined Contributions, oder NDCs) der Länder des globalen Südens kostet 5,1-6,8 Billionen US-Dollar bis 2030, oder 455-584 Milliarden pro Jahr. Die Finanzbedarfe für Anpassung an die Klimakrise werden mit 215-387 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030 angegeben. Die Kosten für Verluste und Schäden (Loss and Damage) sind hier noch nicht enthalten. Umso zynischer also der Kontrast zum Verhandlungsergebnis der COP29. 

Hinzu kommt das Problem der Inflation: 300 Milliarden US-Dollar werden in 2035 real deutlich weniger wert sein als heute. Mit einem durchschnittlich angenommenen Inflationswert von 5 Prozent werden 300 Milliarden US-Dollar in 2035 real nur noch rund 170 Milliarden US-Dollar wert sein. 

Das größere Ziel von 1,3 Billionen, die der globale Süden gefordert hatte, taucht zwar auch im Text auf, aber als eine sehr vage Zielorientierung auf Investitionen in dieser Höhe, und ist auch noch viel unverbindlicher formuliert als das Ziel der 300 Milliarden im Jahr. 

Dieses Ergebnis ist deshalb so zynisch, weil sich die finanzielle Verpflichtung eindeutig aus der historischen Verantwortung des globalen Nordens für die Klimakrise ergibt und diese Prinzipien auch klar in der Klimarahmenkonvention und im Pariser Abkommen verankert sind. Das Pariser Klimaabkommen von 2015, das daraufsetzt, dass alle Länder ihren Beitrag dazu leisten, die Klimakrise zu begrenzen, beruht gleichermaßen auf der finanziellen Unterstützung des globalen Südens bei genau dieser Transformation – und dieser Deal wurde bei der COP29 faktisch aufgekündigt. 

Zudem wurden in den letzten Monaten und Jahren zahlreiche Vorschläge gemacht, wo diese Gelder beispielsweise herkommen könnten, von einer Besteuerung von hohen Vermögen (Milliardärssteuer) bis zu Abgaben auf klimaschädliche Aktivitäten wie die Extraktion von fossiler Energie oder für Vielfliegen. Während die notwendigen Gelder für den globalen Süden nicht bereitgestellt werden, fließen gleichzeitig weiterhin unglaubliche Summen in die fossilen Energien – in Form von Investitionen und Subventionen. 

In einer früheren Textversion für das Klimafinanzierungsziel (NCQG) finden sich die Zahlen sogar, sie schafften es aber nicht in das finale Abschlussdokument: 2021-22 wurden durchschnittlich 958 Milliarden US-Dollar pro Jahr in fossile Energien investiert, und fossile Subventionen betrugen im gleichen Zeitraum durchschnittlich 1,1 Billion pro Jahr. Das zeigt erneut: Das Geld ist da – aber es ist ungleich und ungerecht verteilt, und wird in die falschen Dinge investiert. 

Von Seiten des globalen Nordens wurde außerdem beständig argumentiert, dass die Geberbasis erweitert werden und auch heutige Großemittenten wie China und die reichen Ölstaaten einzahlen müssten, die in den letzten 30 Jahren ihren Teil zu den globalen Emissionen beigetragen haben. Darüber ließe sich sicherlich reden, allerdings nicht, solange der globale Norden beständig versucht, damit die eigene historische Verantwortung zu umgehen und seine eigenen finanziellen Anteile nicht zu leisten.

Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal 

Doch die viel zu niedrige Summe, das sogenannte „Quantum“, ist nur ein Teil des Problems. Das andere große Problem sind die Vereinbarungen dazu, wer diese Finanzierung bereitstellen sollte und in welcher Form – das ist die sogenannte „Qualität“ des Klimafinanzierungsziels. 

 

Reaffirms, in this context, Article 9 of the Paris Agreement and decides to set a goal, in extension of the goal referred to in paragraph 53 of decision 1/CP.21, with developed country Parties taking the lead, of at least USD 300 billion per year by 2035 for developing country Parties for climate action:

(a) From a wide variety of sources, public and private, bilateral and multilateral, including alternative sources;

(b) In the context of meaningful and ambitious mitigation and adaptation action, and transparency in implementation;

(c) Recognizing the voluntary intention of Parties to count all climate-related outflows from and climate-related finance mobilized by multilateral development banks towards achievement of the goal set forth in this paragraph;

 

Quelle: New collective quantified goal on climate finance, COP29, 24. November 2024

 

Die Formulierung des Ziels ist wachsweich: Die Länder des globalen Nordens (im Text: „developed country Parties“) sollen in Führung gehen – aber womit genau und was von ihnen erwartet wird, bleibt unklar. Die Finanzierung soll aus einer ganzen Reihe von Quellen kommen: Öffentliche Hand und Privatsektor, bilateral zwischen Staaten oder über multilaterale Entwicklungsbanken. Aus diesen Formulierungen ergibt sich nicht die Zahlungsverpflichtung für den globalen Norden, die es eigentlich bräuchte: Gelder aus der öffentlichen Hand, als Zuschüsse und nicht als Kredite, die Verschuldungssituation vieler Länder noch verschärfen würden. Was außerdem fehlt: Eindeutige Finanzierungszusagen für Verluste und Schäden (Loss and Damage), ein klares Finanz-Unterziel für Anpassung an die Klimakrise, Mindestzusagen für die verletzlichsten Staaten – die Least Developed Countries (LDCs) und kleine Inselstaaten (SIDS) – sowie ein verlässlicher Zugang zu diesen Mitteln für die betroffenen Bevölkerungen, darunter vor allem auch marginalisierte Gruppen. 

Bis zum Ende war die internationale Zivilgesellschaft vor Ort in Baku bei dem Credo „Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal“ geblieben: Lieber ohne Ergebnis aus der COP29 gehen als ein unzureichendes, ungerechtes Zahlungsziel für die nächsten zehn Jahre festzulegen. Und doch ist genau das passiert: Das Ergebnis untergräbt aktiv die Klimagerechtigkeit und Solidarität, da die Zahlungsverpflichtung des globalen Nordens an den globalen Süden hiermit effektiv aufgekündigt wurde – und das wird erhebliche politische Auswirkungen haben. 

Klimaschutzpläne und der Ausstieg aus den Fossilen

Die Klimafinanzierungsdiskussion standen auch klar im Kontext mit der nächsten Runde der nationalen Klimaschutzpläne, der Nationally Determined Contributions (NDCs), die 2025 von allen Ländern erwartet werden – das sieht das Pariser Abkommen als Mechanismus zur Ambitionssteigerung vor. Doch viele der Länder des globalen Südens haben Teile ihrer NDCs mit der Bedingung versehen, dass sie hierfür entsprechende Finanzierung vom globalen Norden brauchen. Mit dem vereinbarten Klimafinanzierungsziel ist das nicht machbar – und somit schadet der Unwillen des globalen Nordens, für die eigenen Klimaschulden gegenüber dem globalen Süden aufzukommen, dem gesamten globalen Vorhaben, die Klimakrise einzudämmen. 

Bei der COP30 in Brasilien werden die neue Runde an NDCs und die Frage, auf welchem Zukunftspfad wir uns damit global befinden, eine große Rolle spielen – und damit ist sicher auch die Diskussion darüber, welche Klimafinanzierung notwendig und angemessen ist, nicht beendet. 

Auch wird die Frage des Ausstiegs aus den Fossilen erneut angegangen werden müssen. Bei der COP28 in Dubai konnte sich – nach ganzen 32 Jahren Klimaverhandlungen! – erstmals darauf geeinigt werden, dass ein Ausstieg aus den fossilen Energien notwendig ist. Dazu wurde die Verdreifachung der Erneuerbaren und die Verdopplung der Energieeffizienz als Ziel ausgegeben. Obwohl diese Beschlüsse gerade einmal ein Jahr alt sind, wurden sie in Baku sofort wieder zurückgedrängt. Saudi Arabien machte klar, dass es keine expliziten Formulierungen zum fossilen Ausstieg tolerieren würde. Eine ähnliche Agenda wurde auch bei zahlreichen anderen internationalen Verhandlungen und Zusammenkommen in diesem Jahr gefahren. Somit verweist das finale Dokument nun nur auf den Paragraphen 28 der Entscheidung vom letzten Jahr – hier sind die besagten Elemente zum fossilen Ausstieg und dem Ausbau der Erneuerbaren von der COP28 in Dubai festgehalten. 

Noch mehr Scheinlösungen: Die internationalen Kohlenstoffmärkte 

Um sich schon einmal einen frühen „Erfolg“ bei der COP29 zu sichern, wurden die kontroversen Kohlenstoffmärkte unter dem Pariser Klimaabkommen bereits am ersten Tag der COP durchgedrückt. Im Rahmen dieser Kohlenstoffmärkte können nun Regierungen, aber auch Unternehmen CO2-Zertifikate kaufen und verkaufen, um damit ihre Emissionen vermeintlich zu kompensieren, dies wird auch „Offsetting“ genannt. 

Die in Baku vereinbarten Regelungen für die internationalen Kohlenstoffmärkte und den Emissionshandel zwischen Ländern sind aber so schwach und lückenhaft, dass sich erhebliche neue Schlupflöcher für die fossile Industrie und hochemittierende Staaten ergeben. Die Einschätzung ist, dass die Regulierung dieser CO2-Marktmechanismen unter dem Pariser Abkommen schlechter sein wird als die freiwilligen Kohlenstoffmärkte – was nichts Gutes verheißt: Der Guardian zeigte jüngst, dass mehr als 90 Prozent der gehandelten Regenwaldzertifikate nichts als „Phantom-Zertifikate“ waren. Somit wird auf diesen Kohlenstoffmärkten vor allem heiße Luft gehandelt, die in der Konsequenz die Klimakrise nur verschärft. Denn die fossilen Emissionen werden mit den schlechten oder gar gefälschten Klima-Zertifikationen nur vermeintlich kompensiert – in der Realität wird die Klimakrise weiter angeheizt, während gleichzeitig viele dieser Projekte Menschenrechte und Ökosysteme gefährden. 

Aus den Fehlern der Vergangenheit wurde aber keinesfalls gelernt, und somit wird unter dem Pariser Abkommen nun der falschen Lösung von Kohlenstoffmärkten neuer Auftrieb verliehen, die sich eigentlich schon weitgehend selbst diskreditiert hatte. 

CO2-Handel: Bald auch mit Geoengineering-Zertifikaten?

Zu diesen ohnehin schon problembehafteten Kohlenstoffmärkten kommt nun verschärfend hinzu: Zukünftig sollen darin auch sogenannte „carbon removals“ gehandelt werden, also CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre. Welche Ansätze hier genau darunterfallen werden, ist größtenteils noch unklar. Bereits praktisch sicher ist, dass Aufforstungs- und Wiederbewaldungsprojekte dazu zählen werden, da solche Projekte aus dem früheren CO2-Handelsmechanismus, dem Clean Development Mechanism, in den neuen Kohlenstoffmarkt unter dem Pariser Abkommen überführt werden können. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass hier auch Geoengineering-Technologien – also die großtechnologische Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre, die mit großen ökologischen und sozialen Risiken einher geht – Einzug halten sollen. 

Die Konkretisierung, welche Ansätze unter „carbon removals“ fallen werden und welche nicht, steht im kommenden Jahr an – hier wird es wichtig sein, ein wachsames Auge auf die Arbeit des Article 6.4 Supervisory Body zu haben. Erst im Oktober 2024 haben die Vertragsstaaten der Schwesterkonvention der UNFCCC, der UN-Biodiversitätskonvention UN CBD), das seit 2010 bestehende Moratorium auf klimabezogenes Geoengineering bekräftigt und die Regierungen zur Umsetzung aufgefordert. Es ist zentral, dass die Klimarahmenkonvention nicht gegen die von der UN CBD geforderte Vorsorge arbeitet und mit falschen Lösungen die Klimakrise und den globalen Biodiversitätsverlust noch verschärft.


Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de