Im Juli 2022 trafen wir die Waldökologin Dr. Tanja Sanders auf einer Forschungsfläche im brandenburgischen Britz. Wir sprachen mit ihr, wie ihre Erkenntnisse für die gezielte Neubildung von Grundwasser als auch für die Prävention von Waldbränden nutzbar gemacht werden können.
Tanja Sanders arbeitet beim Thünen-Institut auf und mit einer Forschungsfläche in Britz. Hier wachsen unterschiedliche Baumarten, nach Arten getrennt bzw. gemischt. Weit unter den Wurzeln der Bäume wird das versickernde Wasser von so genannten Lysimetern aufgefangen und gemessen. So lässt sich feststellen, welche Bäume wie viel Wasser versickern lassen und damit zur Neubildung von Grundwasser beitragen: In Zeiten zunehmender Dürre und sinkender Grundwasserstände ein extrem wichtiger Faktor, wenn es um die Gestaltung heutiger und künftiger Wälder und Forste geht. Aber auch für die Prävention von Waldbränden lassen sich ihre Erkenntnisse nutzen.
Grit Ebert: Meine erste Frage fußt auf einer aktuellen Wahrnehmung aus Dresden. Spaziergänger*innen fallen braune Blätter in der Dresdner Heide auf. Braune Blätter hängen an den Bäumen bzw. liegen darunter und das im Juli! Kannst Du Dir erklären, warum das so ist und was da passiert?
Tanja Sanders: Ohne jetzt die Bäume selber gesehen zu haben, können das natürlich unterschiedliche Gründe sein. Entweder ist es wirklich zu trocken. Gerade kleine Bäume kämpfen am Anfang doch sehr für ihren Platz in einem Ökosystem. Und da kann es einfach sein, dass das Wasser nicht ausreicht, dass die Nährstoffe nicht ausreichen und sie deswegen die Blätter abwerfen. Gerade bei älteren Bäumen kann es aber auch aufgrund von Sonnenschäden sein, wenn sie viel Sonne abbekommen.
Grit Ebert: Es ist tatsächlich auffällig, dass es eher die jüngeren Bäume betroffen hat.
Tanja Sanders: Ein jüngerer Baum hat natürlich den Nachteil, dass er sehr wenig Wurzeln hat. Und das ist natürlich erstmal ein Problem. Um an Wasser zu kommen, muss natürlich ein gutes Wurzelgeflecht da sein.
Grit Ebert: Gibt es denn Bäume, die trockenheitsresistenter sind als andere?
Tanja Sanders: Auf jeden Fall gibt es Bäume, die Trockenheit besser vertragen als andere. Hier in Brandenburg ist es z.B. eine Kiefer, die sich auch deutlich von den Kiefern unterscheidet, die z.B. in Mitteldeutschland wachsen. Hier bei uns ist es sicher noch die Eiche, die sehr gut mit der Trockenheit umgehen kann, die Buche bedingt. Die kann zwar noch ganz gut mit der Trockenheit oder mit trockeneren Bedingungen umgehen, hat aber dann leider ein Hitzeproblem. Also, einfach ein Einstrahlungsproblem, weil die Blätter doch sehr dünn sind. Da hat die Eiche wieder Vorteile oder eben die Nadelbäume.
Dieser externe Inhalt erfordert Ihre Zustimmung. Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.
Open external content on original site
Grit Ebert: Was macht denn einen intakten bzw. gesunden Wald überhaupt aus?
Tanja Sanders: Das Wort „gesund“ finde ich im Zusammenhang mit dem Wald immer sehr schwierig. Vielleicht kann man noch darüber reden, ob einzelne Bäume gesund sind.
Das Waldökosystem besteht ja aus sehr vielen, unterschiedlichen Komponenten. Je bunter da die Mischung ist, je mehr verschiedene Baumarten wir haben, auch die Varianten im Unterwuchs, desto weniger fällt es ins Gewicht, wenn eine Baumart z.B. durch Insekten angegriffen wird. Dann bleibt der Wald als solcher noch erhalten und kann auch weiter funktionieren für die Sauerstoffproduktion, für die Filterung von Grundwasser, CO2-Speicherung.
Es ist eine hochpolitische Diskussion mit „gesund“ oder „nicht gesund“. Es ist eine sehr menschliche Formulierung, die vielleicht noch passt, wenn eben ein Baum Pilzbefall hat. Aber auch dann hat er ja noch einen Wert für das Ökosystem. Und deswegen kann man den Begriff auf gar keinen Fall auf die Ebene des Waldes heben, weil natürlich dann ein Baum, der abstirbt, Totholz bildet, wieder Lebensraum ist, Nährstoffe wieder zurück in den Boden bringt.
Grit Ebert: Sollte man Wald dann einfach sich selbst überlassen, damit sich hier am besten die Bäume entwickeln, die eben mit den Standortbedingungen klar kommen oder nur bedingt?
Tanja Sanders: Es ist immer die Frage, was wollen wir am Schluss haben. Natürlich können wir sagen, wir überlassen einen Wald sich selber, wenn er noch ein relativ geschlossenes Kronendach hat. Da wird sich eine Verjüngung einstellen und das ist auch vollkommen in Ordnung. Aber das funktioniert nur soweit, wie eben auch genug anderes Saatgut in diesem Bestand vorhanden ist und sich andere Baumarten etablieren können. Wenn wir jetzt an den Harz denken, wo wir große Borkenkäferschäden hatten, da renaturiert sich die Fichte unter Fichte. Wir wollen ja aber von dieser Fichten-Monokultur weg, damit die Insekten eben nicht mehr wie in einem „All You Can Eat – Buffet“ einfach durchrauschen können! Da müssen wir natürlich aktiv andere Baumarten einbringen, um überhaupt die Mischung zu erreichen. Aber auch bei großräumigen Schadflächen, wo eventuell gar kein lebensfähiges Saatgut mehr vorhanden ist, ist es einfach der schnellere Prozess, wenn wir sagen, wir pflanzen dort Bäume aus oder bringen aktiv Saatgut ein, um auch den Wald als solches zu erhalten und eine schnelle Bedeckung der Fläche zu fördern.
Grit Ebert: Wir haben gerade über Neuanpflanzung gesprochen. Die ist ja an vielen Stellen auch vonnöten, z.B. eben auf Flächen wie im Harz, wo es große Fichtenbestände getroffen hat. Das ist eine riesengroße Herausforderung. Viele Jungbäume schaffen es aktuell auch gar nicht. Was ist denn das Problem und wie könnte dem vorgebeugt werden?
Tanja Sanders: Weil wir so große Schadflächen hatten, mussten oft die Bäume im Frühjahr gesetzt werden. Das ist aber schwierig, wenn man dann ein trockenes Jahr erwischt. Das war 2019 ein Problem: Das Jahr war noch einmal trocken und dann haben die jungen Bäume mit ihrem kleinen Wurzelsystem, mit noch wenig Widerstandskraft und ohne Speicher, der sie einfach über das Jahr bringen würde, schlechte Karten.
Normalerweise versucht ein Förster immer im Herbst zu pflanzen, damit die Bäume sich erstmal langsam etablieren können. Da sind die Chancen dann auch höher. Besser ist es natürlich unter einem Schirm zu pflanzen, so dass ein geschützteres Klima herrscht. Das ist aber leider nicht immer möglich.
Grit Ebert: Bei unserem Rundgang über das Forschungsgelände hattest Du erzählt, dass man jetzt gar nicht sagen kann, DIE Buche ist soundso und DIE Eiche, die ist soundso, sondern dass es innerhalb der Buchen auch noch einmal ganz große Unterschiede gibt, wie die Buchen zum Beispiel mit Hitze umgehen, mit weniger Wasser, mehr Wasser. Kannst Du vielleicht noch einmal verdeutlichen, was da Eure Forschung ergeben hat?
Tanja Sanders: Wir schauen hier auf der Fläche auf den Blattaustrieb und da sehen wir schon, dass wir sechs Wochen Unterschied haben im Blattaustrieb, obwohl die Bäume direkt nebeneinander wachsen. Die einen treiben sehr früh aus, die anderen eher spät. Und das ist eine unterschiedliche Strategie: Die, die früh austreiben, haben natürlich den ersten Zugriff auf das Wasser im Boden, was noch aus dem Winter da ist. Die, die spät austreiben, haben dafür den Vorteil, dass sie keinen Spätfrost normalerweise mehr abbekommen. Und so hat jeder Baum so ein bisschen seine eigenen Vorlieben. Und ob sich diese Muster aber auch langfristig bewahrheiten, das ist jetzt zum Beispiel Gegenstand einer Promotion, die bei uns läuft, um eben zu gucken über viele Jahre, ob die gleichen Bäume immer spät austreiben oder ob es Situationen gibt, wo sie auch mal früher austreiben.
Grit Ebert: Diese Forschungsfläche ist ja vor allem dazu da zu schauen, welchen Einfluss die Baumarten auf die Neubildung von Grundwasser haben, also wie viel Wasser sie versickern lassen und wie viel Wasser direkt über die Blatt- bzw. Borkenfläche wieder abgeht. Kannst Du uns kurz erläutern, auf was für Unterschiede ihr da gestoßen seid bei den einzelnen Baumarten?
Tanja Sanders: Die größten Unterschiede haben wir gefunden zwischen Kiefer und Buche. Die Buche, die natürlich auch im Winter keine Blätter hat, produziert grundsätzlich mehr Tiefenversickerung und damit im Endeffekt Grundwasser als die Kiefer. Bei der Kiefer haben wir seit vielen Jahren überhaupt keine Tiefenversickerung mehr beobachtet. Das ist natürlich ein Problem, wenn wir von 70 Prozent Kiefernfläche in Brandenburg ausgehen!
Die Verdunstung aus dem Kronenraum hält bei der Kiefer zum einen das ganze Jahr an und der Anteil der direkten Verdunstung ist wesentlich höher als bei der Buche. Und wir haben bei der Buche keine Bodenvegetation. Darüber geht auch weniger Wasser verloren. Bei der Kiefer verdunstet auch noch einmal Wasser aus der Strauchschicht unter den Kiefern.
Wir können sagen, dass wir ganz grob 10 Prozent Tiefenversickerung unter jungen Kiefern haben als Maximalwert. Bei der Buche haben wir 20 Prozent.
Grit Ebert: Da scheint das Alter bei den Bäumen auch noch eine Rolle zu spielen, weil Du gerade so auf die junge Kiefer abgehoben hast?
Tanja Sanders: Ja, wenn die Kiefernbestände ganz geschlossen sind und eben so 60, 70 Jahre alt sind, dann haben wir gar keine Tiefenversickerung mehr.
Grit Ebert: Ihr habt Euch die einzelnen Baumarten hier angeschaut und direkt verglichen. Lassen sich die Erkenntnisse auf sämtliche Standortbedingungen in Deutschland anwenden?
Tanja Sanders: Also, es lässt sich verallgemeinern die Verdunstung aus dem Kronenraum oder eben der Niederschlag, der im Winter unter der Buche direkt auf den Boden geht. Die Zeit, bis eine Tiefenversickerung eintrifft, ist natürlich im Sandboden kürzer, als in stärker strukturierten Böden. Diese Zahlen sind dann relativ spezifisch. Grundsätzlich kann man sagen: Wenn man für eine Tiefenversickerung Bäume pflanzen möchte, dann Laubbäume. Wenn man kein Grundwasser nachfüllen möchte, dann kann man gut die Kiefer pflanzen.
Grit Ebert: Die Kiefer ist ein sehr guter Rohstofflieferant. Sie hat relativ gerades Holz. Wir haben uns das angeschaut. Wie könnte man denn einen Weg finden, noch forstwirtschaftlich tätig zu sein und auch Holz nach wie vor als Rohstoff nutzen zu können, aber doch auch die Ökosystemleistung und die Leistungen für den Wasserhaushalt im Blick zu behalten?
Tanja Sanders: Wir können einen Streifen mit Kiefernholz pflanzen, der einfach so groß ist, dass man relativ gut fällen kann. Aber drumherum stehen Laubhölzer, die für die Wasserversorgung dann besser sind - eine Mischung, die vielleicht etwas mehr gruppiert ist als eine Mischung aus einem Baum Nadelholz, einem Baum Laubholz usw., was es dann schon wieder sehr schwierig macht, die Einzelbäume zu entnehmen. Wenn man über Streifen nachdenkt oder über Bauminseln, kann man große Kahlflächen verhindern. Man hat aber trotzdem noch Holz zur Holznutzung verfügbar, das auch regional und nachhaltig produziert ist.
Grundsätzlich ist auch die Holzproduktion eine Ökosystemdienstleistung des Waldes. Es ist eine von vielen. Und ich denke, es gibt keine Alternative zur Holznutzung. Wir wollen Stühle. Wir wollen Tische. Plastik, Beton, Stahl sind alles keine nachhaltigen Lösungen, um wirklich vom Holzverbrauch wegzukommen. Wir werden weiterhin Holz brauchen! Und dann ist es auf jeden Fall sinnvoller, das Holz aus unseren eigenen Wäldern zu nehmen und darauf zu achten, dass es auch nachhaltig produziert ist, dass danach wieder eine Pflanzung passiert. Kahlschläge sind z.B. in Deutschland schon sehr lange verboten. Es ist immer eine Einzelholzentnahme. Das heißt, das Waldökosystem an sich bleibt erst einmal erhalten.
Mit dem Waldumbau, mit mehr Arten im Wald, mit Totholz-Anreicherung geht man natürlich schon einen großen Schritt, um die Biodiversität zu erhöhen. Das sind wichtige und richtige Schritte.
Danach ist natürlich die Frage, ob man Bereiche macht, wo es einfach sehr wichtig ist, dass mehr Grundwasser ins System kommt und bietet für Wasserwälder, eben reine Laubwälder, wo eine Grundwasserproduktion möglich ist, den Besitzern eine Ausgleichszahlung an. Das ist die eine Sache. Und die andere Sache ist, gezielt in die Wälder zu gehen, auch andere Baumarten zu pflanzen, wo einfach auch nichts anderes kommt, um möglichst schnell diese Diversität zu erhöhen.
Grit Ebert: Vielleicht kannst Du noch einmal ganz kurz sagen, wie Wald überhaupt Wasser speichern kann, wo das passiert? Können wir ihn dabei unterstützen? Und wenn ja, wie könnte das aussehen?
Tanja Sanders: Grundsätzlich speichert der Wald Wasser z.B. im Moos. Wenn es geregnet hat und wir Moos haben, dann ist es danach wie ein Schwamm. Ähnlich ist die Humusauflage, die gut strukturiert ist mit Blättern und kleinteiligen Holzpartikeln. Auch da wird Wasser gespeichert und wenn man heute – obwohl es schon länger nicht mehr geregnet hat bei uns – diese humose Oberschicht anfasst, merkt man, dass sie auch noch kühl und feucht ist. Aber es sind natürlich auch die Böden, die unterm Waldboden ungestört und relativ langsam entstanden sind, die Wasser halten können, mit Ausnahme von eben Sandböden. In den Sandböden, die wir hier haben, haben wir eben acht Wochen ungefähr, um auf sechs Meter Tiefe zu kommen. Danach ist das Wasser im Abfluss, in der Tiefenversickerung. Bei anderen Böden dauert es wesentlich länger.
Grit Ebert: Wir hatten uns auf unserem Rundgang beim Buchenwald angeschaut, wie sich der humose Boden anfühlt. Wir hatten uns aber auch bei den Kiefern angeschaut, wie es da aussieht. Das war eher eine Schicht, die sehr grob war. Viele Nadeln. Sind dann die etwas gröberen Böden, z.B. unter Kiefern, auch nicht so speicherfähig?
Tanja Sanders: Die Nadelstreu zersetzt sich nicht so schnell wie die Laubstreu. Dieser zersetzte Boden ist aber gerade das, was gut Wasser speichert. Deswegen haben wir bei der Streu weniger. Und die Nadelstreu trocknet einfach auch wesentlich schneller aus. Das liegt auch daran, dass bei der Kiefer die Sonne auf den Boden durchscheint und diese Streu im Sommer wirklich einfach trocken wird. Bei der Buche kommt durch das dichte Blätterdach weniger Sonne am Boden an. Aber auch das Blatt an sich kann mehr Wasser speichern, als eine Nadel, die von der Struktur her eher sehr hart ist.
Grit Ebert: Wir sprachen vorhin ja auch über die Gefahr des Waldbrandes. Es klingt für mich so ein bisschen, dass die Zusammensetzung der Wälder da durchaus auch einen Einfluss darauf hat, wie ein Wald brennt, wie weit und wie rasch sich der Waldbrand ausbreitet?
Tanja Sanders: Auf jeden Fall ist eine Kiefer-Monokultur ein begünstigender Faktor. Es ist relativ viel Feinreißig am Boden. Es sind viele Nadeln, die einfach nicht zersetzt sind. Die Kiefer an sich – aufgrund der ätherischen Öle, der Harze – brennt sowieso sehr schnell.
In der Buche haben wir wenig Unterwuchs. Das Laub ist eher feuchter und hat auch tatsächlich andere Brandeigenschaften. Früher hat man vor allem viel die Roteiche gepflanzt, um Brandriegel zu haben. Es sind Eichenblätter, aber eben auch Buchenblätter, die, wenn sie getrocknet sind, trotzdem das Feuer bremsen.
Wir haben Brandversuche gemacht. Und es ist tatsächlich so, dass die Kiefernstreu sehr, sehr heiß brennt, sehr schnell brennt mit hoher Flamme, während die Buche zum Beispiel mit relativ niedrigen Temperaturen brennt, länger brauch, bis sie überhaupt angezündet ist und auch eher wieder ausgeht. Das heißt, sobald ich auch nur eine Mischung von Kiefer und einem Laubbaum habe, habe ich niedrigere Brandtemperaturen. Ich hab weniger Ausbreitung.
Zu diesen sehr heißen Brandtemperaturen, die also wirklich mehr als doppelt so hoch sind bei der Kiefer, kommt eben noch das Feinreißig dazu, was bei jedem Herbststurm von der Kiefer fällt. Es ist noch einmal zusätzliche Brandlast, die auch sehr heiß brennt. Dadurch kann sich der Brand sehr schnell ausbreiten. Grundsätzlich ist sowieso noch wenig Wasser im System. Das heißt, die Böden sind trocken. Damit kann das Feuer, auch gerade wenn wir Wind haben, durch den Kiefernbestand mit all den Einzelstämmen einfach durchgehen und das Feuer vor sich hertreiben.
Grit Ebert: Welche Maßnahmen gibt es denn, um auch in Brandenburg die Wälder vor Bränden zu schützen?
Tanja Sanders: Brandriegel sind schon zu DDR-Zeiten gepflanzt worden. Aber es gibt sie nicht überall. Das andere ist eine Entfernung von Totholz, von Reißig – auch da muss man sagen, früher gab es Sammelscheine, natürlich nicht in munitionsbelasteten Gebieten, aber ansonsten waren die Wälder relativ sauber, weil viel Holz entnommen wurde. Mittlerweile sagt man, man braucht das Totholz auch im Bestand. Da wäre eine Reduktion auf Laubholz-Totholz gut, weil es Wasser und Nährstoffe in den Wald bringt oder erhält und eben eher eine Entfernung von Nadelholz, das eine hohe Brandlast hat.
Aber man muss auch sagen: Die meisten Brände entstehen durch Vorsatz oder Unachtsamkeit! Es sind sehr, sehr wenige Brände, die wirklich durch Blitzschlag entstehen. Das heißt, es wäre einfach auch ein anderes Verhalten zu kritischen Zeiten im Wald wünschenswert. In Brandenburg darf man z.B. das ganze Jahr über kein offenes Feuer im Wald machen. Es wird trotzdem gemacht! Es wird im Wald geraucht. Es wird Zigarettenasche in die Streu geschmissen. Es werden auch gerade an Seen – ich bin ja in der Nähe vom Wasser – Feuer angemacht. Aber der Funkenflug treibt im Zweifelsfall nicht auf den See, sondern in den Wald: Und dann brennt der Wald!
Das Verhalten wäre der schnellste Punkt, den wir ändern könnten!
Ich mache kein Feuer mehr im Wald!
Ich grill nicht im Wald!
Ich rauche nicht im Wald!
Ich fahre nicht mit meinem Auto in den Wald! Ich lege auch mein Motorrad da nicht ab!
Das wäre der erste und wichtigste Schritt, um Waldbrände zu verhindern!
Grit Ebert: Wenn Du drei Wünsche frei hättest in Richtung Politik, was würdest Du Dir wünschen?
Tanja Sanders: Abgestimmtere Maßnahmen, die auf wissenschaftlichen Fakten beruhen, auf Untersuchungsergebnissen und nicht auf Meinungen. Das ist das Schwierigste, dass wir uns nicht dazu hinreißen lassen, dem zu glauben, der am lautesten schreit, sondern uns im Prinzip davon leiten lassen, was wirklich bei Untersuchungen rauskommt. Auch wenn wir manchmal noch nicht alle Aspekte kennen, einfach zu sagen, gut, die Untersuchungen gehen in die Richtung und deswegen setzen wir eher das um.
Und zum anderen vielleicht etwas flexibler zu denken: Dinge sind nicht unmöglich, nur weil sie noch nie gemacht worden sind. Hier einfach auch mal ein bisschen kreativer nach Wegen suchen, auch, wenn sie vielleicht erstmal auf Widerstände stoßen. Auch müssen wir überlegen, was gute Wege wären - unabhängig von Besitzverhältnissen und Bedingungen, die wir gerade haben. Wir müssen uns fragen, wo wir denn eigentlich hinwollen und dann auch mal den Mut haben, auch mal zu fantasieren.
Grit Ebert: Wer müsste da mit am Tisch sitzen?
Tanja Sanders: Im Prinzip müssten alle mit am Tisch sitzen. Wir merken das auch immer wieder bei unseren Waldbrandprojekten: Wenn wir nicht alle an einem Tisch sitzen, gibt es natürlich die eine und andere Meinung, aber man kommt zu keiner Lösung. Damit ist niemandem geholfen. Alle müssen an einem Tisch sitzen und zwar so lange, bis sie auf eine Lösung gekommen sind. Und jeder sollte sagen können: Okay, das sind die Fakten, die überzeugen, auch, wenn meine Meinung eine andere ist.
Tanja Sanders:
Tanja Sanders leitet seit 2018 den Arbeitsbereich "Ökologie und Walddynamik" am Thünen-Institut für Waldökosysteme. Von 2011 bis 2017 wirkte sie als Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe des nationalen und internationalen intensiven forstlichen Umweltmonitorings von ICP Forests (International Co-operative Programme on Assessment and Monitoring of Air Pollution Effects on Forests).
Ursprünglich war Sanders in der Anthropogeographie unterwegs, beschäftigte sich mit der Bedeutung von Wasser und Möglichkeiten der Bereitstellung. Nachdem sie mit der Dendroökologie in Kontakt gekommen war, forschte sie zur Anpassungsfähigkeit von Bäumen an sich wechselnde Umweltbedingungen, später zu Einflussfaktoren und der Rolle von großflächigen Schäden für den Wald, aber auch die Gesellschaft. Das für sie spannendstes Projekt heißt "ErWiN". Dabei geht es um Möglichkeiten, Feuerwehren und Katastrophenschutzeinheiten Informationen zur Verfügung zu stellen: Wo können die Fahrzeuge wenden? Wo sind Wasserentnahmestellen? Welche Höhe haben die Baumkronen? Wie sind die Reliefbesonderheiten, u.v.m..
Das Interview führte Grit Ebert im Juli 2022.
Weiterführende Informationen:
- Thünen-Institut, Fachinstitut Ökologie & Walddynamik
- mehr erfahren über die Intensivmonitoringfläche in Britz