Die folgende Analyse von Johannes Grunert bietet einen Überblick über die jüngere Geschichte und Gegenwart extrem rechter Gruppen in Zwickau. Sie stellt Dynamiken und lokale Besonderheiten heraus und bietet dadurch Ansätze, das Handeln und die Strategien extrem rechter Akteure zu verstehen, und daraus Strategien im Umgang mit ihnen zu entwickeln.
Die extreme Rechte in Zwickau ist offensiv, gewaltbereit und fühlt sich sicher in ihrem Tun. Seit Jahren terrorisieren unterschiedliche extrem rechte Gruppen marginalisierte und engagierte Personen in Zwickau. Unterdessen gedeiht eine extrem rechte Erlebniswelt und die AfD wurde zur mit Abstand stärksten politischen Kraft. Dieses Policy Paper bietet einen Überblick über die Strukturen und Netzwerke vor Ort und damit Ansatzpunkte für die demokratische Zivilgesellschaft sowie politische Entscheidungstragende.
Die heutigen Protagonisten der extremen Rechten in Zwickau lassen sich oftmals auf die gleichen Gruppen zurückführen, die Anfang der 2000er Jahre die Stadt als Experimentierfeld für extrem rechte Agitation entdeckten. Nicht wenigen davon lassen sich Kontakte zum Unterstützungsumfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) nachweisen. Die Perspektive von zivilgesellschaftlich Engagierten und Betroffenen rechter Gewalt liefert einen Einblick in den von Bedrohungen und Angriffen geprägten Alltag und bietet ihrer Kritik und ihren Lösungsansätzen einen Raum.
Zusammenfassung
Nicht nur der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) hat den Blick der Öffentlichkeit auf die Stadt Zwickau geprägt, sondern nicht zuletzt auch die wiederkehrenden Nachrichten über Angriffe und Bedrohungen, extrem rechte Propaganda und teils zögerliche Reaktionen darauf. Zwickau bietet die Bedingungen, in denen sich extrem rechte, teils neonazistische Gruppen ausbreiten können und mit ihrer Propaganda auf Resonanz stoßen. Die unterschiedlich geprägten extrem rechten Gruppen gehen in Zwickau besonders offensiv gegen politisch Andersdenkende vor, was sich in regelmäßigen Drohungen, Schmähungen und körperlichen Angriffen äußert. Dabei stechen die Partei Der Dritte Weg, die einzige nennenswerte neonazistische Partei in der Stadt, die Gruppe Junge Revolution als Radikalisierungspunkt für Jugendliche und die Gruppe um den ehemaligen YoutubeKanal „Kara Ben Nemsi TV“ als besonders aggressiv heraus. Die Leidtragenden sind BIPoC, Linke, antifaschistisch Engagierte, Personen aus der Klimabewegung, Mitglieder demokratischer Parteien und andere, die nicht in das rechte Weltbild passen. Sie werden regelmäßig angegriffen, wodurch sich die Zwickauer Innenstadt für viele von ihnen zu einem Angstraum entwickelt hat.
Die verschiedenen Gruppen, die im rechten Spektrum von Corona-Leugnenden bis hin zum Unterstützenden-Umfeld des NSU reichen, bieten darüber hinaus durch Demonstrationen, Konzerte, Vortragsveranstaltungen, Kampfsport und Fußball eine ganze Bandbreite der extrem rechten Erlebniswelt. Aus der Analyse der Taktiken der extrem rechten Akteure und Gesprächen mit Betroffenen ließen sich schließlich folgende Handlungsbedarfe identifizieren:
- Neonazistische und andere extrem rechte Täter müssen mit Mitteln der Strafverfolgung mit aller Konsequenz belangt werden, um deren Motivation zu brechen und einen Angstraum für Betroffene in der Zukunft nicht wieder entstehen zu lassen.
- Mit Betroffenen der Gewalt muss offen Solidarität gezeigt werden. Hierzu gehört eine klare Abgrenzung zu extrem rechten Akteuren.
- Eine proaktive Rolle bei der Aufarbeitung der Geschichte des NSU und die Positionierung für ein NSU-Dokumentationszentrum hilft nicht nur der Aufklärung, sondern kann dazu führen, dass positive Signale aus Zwickau bundesweit wahrgenommen werden.
- Ein kontinuierliches Monitoring extrem rechter Aktivitäten ist notwendig, um extrem rechte Netzwerke zu identifizieren und zu analysieren und somit Ansatzpunkte für die demokratische Arbeit zu liefern und das Entstehen neuer rechtsterroristischer Bestrebungen zu verhindern.
EINLEITUNG
Die extrem rechte Szene Zwickaus ist nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) im November 2011 ins internationale Schlaglicht geraten. Doch der NSU wird häufig losgelöst von den Bedingungen betrachtet, die die Morde und Anschläge der neonazistischen Terrorgruppe erst möglich gemacht haben. Das Kerntrio des NSU hatte nicht nur seine Helferinnen und Helfer in der Stadt und darüber hinaus, sondern seine Taten waren erst aus einem Umfeld heraus möglich, in dem das Wegschauen und sogar das Billigen extrem rechter Einstellungen zur Normalität gehörte. Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos wählten Zwickau bewusst als Unterschlupf aus. Auch vor den Taten des NSU gab es in der Stadt eine aktive extrem rechte Szene. Nach dem Auffliegen des NSU wurde es etwas leiser um sie, aber spätestens seit der rassistischen Protestwelle im Jahr 2015 ist die extreme Rechte Zwickaus wieder äußerst aktiv. Dies lässt sich nicht nur an einem leise voranschreitenden Strukturaufbau von Parteien, Kameradschaften, rassistischen und verschwörungsideologischen Gruppen beobachten, sondern schlägt sich in einer unmittelbaren Bedrohungslage für marginalisierte Gruppen sowie antirassistisch und antifaschistisch engagierte Menschen in der Stadt nieder.
Die folgende Analyse bietet einen Überblick über die jüngere Geschichte und Gegenwart extrem rechter Gruppen in der Stadt. Mit „extrem rechts“ sind in dieser Analyse alle Gruppen und Personen gemeint, die antidemokratische, autoritäre und völkische Ansichten vertreten und diese durch ihr Handeln auf die Straße und in die Parlamente tragen (zu einer eingehenden Begriffsklärung siehe Grunert/Kiess 2021). Die Analyse stellt die Dynamiken und lokalen Besonderheiten heraus und bietet dadurch Ansätze, das Handeln und die Strategien extrem rechter Akteure zu verstehen und daraus Strategien im Umgang mit ihnen zu entwickeln.
ZWICKAUS EXTREME RECHTE
ZWICKAU ALS LEBENSMITTELPUNKT DES NSU
Die Geschichte des NSU ist äußerst umfangreich und soll hier nur in Kürze und bezogen auf die Stadt Zwickau beschrieben werden. Die Stadt Zwickau war Lebensmittelpunkt der neonazistischen Terrorgruppe: Von hier aus beging sie ihre zehn Morde, außerdem zwei Sprengstoffanschläge und zwölf Raubüberfälle, drei davon in Zwickau selbst.1 Im Juli 2000 zogen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von Chemnitz nach Zwickau (Aust/Laabs 2014). Sie lebten bereits seit Januar 1998 im Untergrund und hatten von Chemnitz aus drei Raubüberfälle und einen Sprengstoffanschlag begangen. Bereits im September 2000, drei Monate nach ihrer Ankunft in Zwickau, beging das Trio seinen ersten Mord an dem türkeistämmigen Blumenhändler Enver Şimşek in Nürnberg.
Sein Leben finanzierte das Trio mindestens in Teilen durch Raubüberfälle auf Banken und Postfilialen. Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos lebten von 2000 bis 2001 in der Heisenbergstr. 6, von 2001 bis 2008 in der Polenzstraße 2 und ab 2008 in der Frühlingsstraße 26. Die Wohnungen wurden von Unterstützern für sie angemietet.
Während sich Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos in Chemnitz verhältnismäßig offen in der rechten Szene bewegten, setzten sie in Zwickau auf einen kleinen, mutmaßlich eingeschworenen und teils überregionalen Helferkreis. Weitere Kontakte unterhielten sie vor allem zu ihrer Hausgemeinschaft, die besonders Beate Zschäpe auch im Rückblick positiv wahrnahm. Der heute 42jährige Neonazi André Eminger kann unbestritten als engster und damit auch am besten informierter Kontakt der drei im Zwickauer Untergrund bezeichnet werden. Zusammen mit seiner Frau Susann hielt er insbesondere zu Zschäpe regelmäßigen Kontakt und unterstützte die drei durch Anmietungen von Wohnungen und Wohnmobilen, durch das Zurverfügungstellen von Dokumenten und Legenden. Susann Eminger war Beate Zschäpes beste Freundin, Zschäpe ging gern mit ihr und den Kindern der Emingers einkaufen.2 Weiteren Personen aus Zwickau konnten im NSUProzess keine Unterstützungshandlungen nachgewiesen werden, auch wenn derartige Vermutungen naheliegen, wie z.B. im Fall des ehemaligen Betreibers des „Last Resort Shop“ (heute Eastwear Department), Ralf Marschner (siehe zum „Eastwear Department“ auch unten den Abschnitt „Neonazi-Trefforte in Zwickau“).
Ein besonderes Licht auf das Zwickauer Umfeld des Trios werfen einige Reaktionen aus dessen Wohnumgebung, insbesondere in der Polenzstraße im Stadtteil Marienthal. Eine Nachbarin sagte 2015 beim NSU-Prozess in München aus. Auch nachdem die Taten des NSU bereits lange bekannt waren, schien für sie klar, dass Zschäpe mit den Verbrechen nichts zu tun gehabt habe. Die Zeugin nannte Zschäpe weiterhin Lisa, was einer von Zschäpes Decknamen war. Generell schien niemand aus der Wohnumgebung etwas von den Machenschaften des Trios zu ahnen, obwohl Zschäpe der Hausgemeinschaft den Zugang zur Wohnung grundsätzlich verwehrte und ihnen auch nicht ihre Handynummer weitergeben wollte, wenngleich dies im Haus so üblich gewesen sei.3 Als ein Journalist 2013 das Haus an der Polenzstraße fotografieren wollte, wurde er nach eigenen Angaben von einer Nachbarin mit dem Tode bedroht. Nachbarinnen sagten, Zschäpe sei ihre Freundin gewesen und sei das auch weiterhin (Aust/Laabs 2014). In der Frühlingsstraße, der letzten Wohnung des NSU, kannte man Zschäpe als „DieneltMaus“. Sie habe des Öfteren mit Personen aus ihrem Haus im Keller gesessen und etwas getrunken. Auf einem alten Fernseher habe dort ein Bild Adolf Hitlers gestanden – ein persönliches Relikt des Nachbarn, der Zschäpe als „lieb und gut“ beschrieben hatte.4 Niemand habe sich daran gestört. Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 gab es 2016 und 2019 Sachbeschädigungen an zum Gedenken an die Opfer des NSU aufgestellten Bänken und einem frisch gepflanzten Gedenkbaum in Zwickau.5 Infolgedessen, dass der Gedenkbaum von Unbekannten nachts abgesägt wurde, wurden schließlich insgesamt zehn Bäume in Gedenken an die zehn Opfer des NSU gepflanzt.6
DIE „NATIONALEN SOZIALISTEN ZWICKAU“ ALS RADIKALISIERUNGSPUNKT SPÄTERER RECHTER AKTEURE
Im Jahr 2007 orientierte sich die rechte Szene Sachsens neu. Mit dem Aufkommen der „Autonomen Nationalisten“ hatte die Szene bundesweit eine stilistisch an die autonome Linke angelehnte Erscheinungs- und Organisationsform gefunden (dazu allgemein Klare/Sturm 2019), die in Sachsen in einer Vernetzung mit dem Namen „Freies Netz“ mündete. Zahlreiche Kameradschaften, meist mit der Selbstbezeichnung „Nationale Sozialisten“, schlossen sich als „Freies Netz“ hauptsächlich in Sachsen zusammen und führten fortan eine Vielzahl von Demonstrationen durch. Das „Freie Netz Zwickau“ wurde 2007 von jungen aus der Region Altenburg in Thüringen zugezogenen Neonazis gegründet.7 Eine tragende Rolle nahm dabei der Meuselwitzer Hammerskin Thomas „Ace“ Gerlach ein, dessen Telefonnummer im Impressum der Gruppe zu finden war. Gerlach war mit der NSU-Unterstützerin Mandy Struck liiert und verfügte auch während der Zwickauer Zeit des Trios über beste Szenekontakte, u.a. zum NSUWaffenbeschaffer Ralf Wohlleben aus Jena.8 Die Wortführerschaft der Gruppe in Zwickau lag bei dem damals Anfang Zwanzigjährigen Daniel Peschek, der zusammen mit drei weiteren Thüringern nach Zwickau gezogen war.
Ab 2008 trat die Gruppe mit bis zu 40 Personen regelmäßig bei den Zwickauer Montagsdemos gegen HartzIV in Erscheinung und versuchte diese zu vereinnahmen (Eumann 2008). Schon früh verfügten die jungen Neonazis über gute Kontakte zum Zwickauer NPD-Verband unter der Führung des 2014 verstorbenen Peter Klose. Nachdem die Kameradschaft vor allem 2008 mit Störaktionen auf linken Versammlungen auffiel, verübten ihre Anhänger ab 2009 mehr und mehr Gewalttaten. Bis 2012 zogen sich die darauf folgenden Gerichtsverfahren. Spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 verschwand die Gruppe von der Bildfläche, wobei einige Mitglieder in der Fußballfangruppierung „A-Block“ aktiv blieben. Mehrere bis heute aktive Rechte und Neonazis unternahmen bei den „Nationalen Sozialisten Zwickau“ ihre ersten Gehversuche. Tony Gerber etwa, der sich mit seinem Blog „Sonnenritter“ über Jahre an extrem rechter Philosophie übte, wurde später zum Anführer der Zwickauer „Identitären Bewegung“ und steht dieser bis heute ideologisch nahe.9 Daniel Peschek ist heute wieder in seiner Heimat Meuselwitz aktiv und versuchte dort, eine Bürgerwehr mit dem Segen des Bürgermeisters auf zubauen.10 Alexander Schwarz, heute Stadtrat für die AfD-Abspaltung „Fraktion freier Bürger“ in Zwickau, nahm zu Zeiten der „Nationalen Sozialisten“ an deren Demonstrationen teil. Aus Versehen dürfte das nicht passiert sein: Schwarz war bis 2016 Bassist der Rechtsrockband „White Resistance“.11
DER DRITTE WEG: KÜMMERER VON NEBENAN?
Die aus dem verbotenen Kameradschaftsnetzwerk „Freies Netz Süd“ hervorgegangene Partei „Der Dritte Weg“ war ab 2013 zunächst nur in Bayern aktiv, dehnte sich jedoch bald ins sächsische Vogtland aus. Mittlerweile ist Plauen, wo die Partei heute eine Immobilie besitzt, das organisatorische Zentrum der Partei, weswegen wichtige Kader wie Tony Gentsch dorthin zogen.12
Auch wenn die Partei in keiner anderen sächsischen Stadt eine derartige Verankerung wie in Plauen aufweisen kann, ist Zwickau als weiterer Aktivposten des Dritten Wegs in Sachsen zu betrachten. Die Zwickauer Gruppe des Dritten Wegs ist im Stützpunkt Westsachsen organisiert, der 2017 in Plauen gegründet worden sein soll und hat im Zwickauer Stadtteil Neuplanitz ihr Hauptaktionsgebiet. Während in Chemnitz derzeit eine Führungsfigur der Partei fehlt, erfüllt Manuel Ganser diese Rolle als offensichtlicher Leiter des Stützpunkts Westsachsen in Zwickau. Ganser stammt ursprünglich aus Göppingen in Baden-Württemberg und zog zwischen 2016 und 2019 nach Zwickau. Mit Blick auf Plauen und den dortigen gezielten Zuzug von Kadern aus anderen Regionen ist anzunehmen, dass auch Ganser gezielt zum Strukturaufbau nach Zwickau kam.
EINE KLEINE, SEHR AKTIVE GRUPPE
Ganser ist seit 2020 stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands der Partei. Der Stützpunkt Westsachsen organisierte in der Vergangenheit eine Vielzahl von Veranstaltungen in Westsachsen.13 So treibt Ganser aktiv die Aufbauarbeit in Zwickau voran. Er schart eine kleine Gruppe von etwa zehn Personen um sich, die dauerhaft für die Partei aktiv sind. Der Dritte Weg sieht sich selbst als Kaderorganisation, die nicht an einer Erweiterung ihrer Mitgliederzahl interessiert ist.14 Dennoch agiert der „Stützpunkt Westsachsen“ als Scheinriese: Auf Bildern von der ParteiWebsite präsentiert sich die Zwickauer Gruppe im gesamten „Stützpunktbereich“ Westsachsen immer wieder mit den gleichen vier bis fünf Personen. Teilweise wird dabei versucht zu suggerieren, es gebe zumindest in Chemnitz und Zwickau jeweils eine eigenständige, arbeitsfähige Ortsgruppe. Stattdessen ist Manuel Ganser bei so gut wie allen Aktionen anwesend und holt sich beispielsweise bei Infoständen und Flyerverteilungen in Chemnitz Unterstützung aus Zwickau und dem angrenzenden „Stützpunkt Mittelsachsen“, dessen Mitglieder hauptsächlich aus der Region Freiberg kommen. Bei manchen Aktionen sind auch bislang unbekannte Personen in einheitlicher Parteikleidung zu beobachten – die meisten sieht man jedoch nur einmal und so bleibt die Kerngruppe des „Stützpunktes Westsachsen“ auf wenige Mitglieder beschränkt und auf äußere Unterstützung angewiesen.
In Zwickau besetzt die Partei neben den üblichen Themen der extremen Rechten wie Anti-Asyl-Kampagnen, Antisemitismus und Homofeindlichkeit immer wieder die Themen Tierschutz und „Armenhilfe“. In der Vergangenheit demonstrierten die Zugehörigen des Stützpunkts Westsachsen gegen Zirkusse, die in Zwickau gastieren und verteilten gebrauchte Kleidung und Spielzeug. Dafür haben sie sich neben dem Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg besonders das Zwickauer Plattenbauviertel Neuplanitz ausgesucht. Mit ihren Aktionen suggerieren sie, der Staat habe auf eine Art versagt, die die Bekleidungsspenden des Dritten Wegs notwendig mache. Neben Kleiderspendenständen führt die Partei vor allem in Neuplanitz Wahlwerbestände und jährliche „Sommerfeste“ und Fußballturniere auf einem Neuplanitzer Bolzplatz unter dem Motto „Tag der Gemeinschaft“ durch.15 Saalveranstaltungen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Liedermachern und Vorträgen finden mutmaßlich in Gartengaststätten im Stadtteil Marienthal statt. Darüber hinaus nähert sich der „Stützpunkt Westsachsen“ dem völkischen Ideal der Brauchtumspflege an und veranstaltet Wanderungen sowie eine jährliche Sommensonnenwendfeier.
Der Dritte Weg verfügt nach eigenen Aussagen in Zwickau über eigene Räume. In Berichten über eine monatlich stattfindende Schulungsreihe auf der Website des Dritten Wegs ist wiederholt ein Raum zu sehen, dessen Wanddekoration einen festen Treffort vermuten lässt.
WAHLERFOLGE BLEIBEN BISLANG AUS
Während der Dritte Weg nicht zur Zwickauer Stadtratswahl 2019 antrat, besuchten Mitglieder der Partei den Rat mindestens zweimal und ließen ihre Nähe zum extrem rechten Ratsherr Sven Georgi (ehemals Zukunft Zwickau) erkennen. Zur Landtagswahl 2019 konnte die Partei nicht antreten, weil sie bis dato über keinen Landesverband verfügte. Zur Europawahl trat die Partei an und kam auf 0,0 % der Stimmen, im Landkreis Zwickau auf 0,2 %. Auch zur Bundestagswahl 2021 trat die Partei an und erlangte in der Stadt Zwickau mit 170 Stimmen ein Ergebnis von 0,34 % der Zweitstimmen. Im gesamten Landkreis erzielte Der Dritte Weg mit 418 Stimmen prozentual das gleiche Ergebnis.16 Im Wahlkampf 2021 sorgte die Partei mit Plakaten mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“ für einen Skandal.17 Einen kleinen Erfolg konnte die Partei bei Wahl des Jugendbeirats 2019 erzielen: Der damals mit der Partei eng verbundene 16jährige Neonazi Sanny Kujath schaffte es, mit 24 von 265 Stimmen in den Zwickauer Jugendbeirat gewählt zu werden, wobei lediglich 3,49 % der wahlberechtigten Jugendlichen eine Stimme abgegeben hatten. Schließlich verhinderte aber der Stadtrat, dass Kujath sein Mandat antreten konnte. Heute ist Kujath nicht mehr beim Dritten Weg aktiv, sondern gründete mit der „Jungen Revolution“ seine eigene, mittlerweile aufgelöste Kameradschaft und betreibt einen neonazistischen Buchversand im thüringischen Themar. Mit der „AG Jugend“ gibt die Partei vor, heute ihre eigene Jugendgruppe zu betreiben. 2020 führte die Partei eine Aktion gegen den in Zwickau antretenden Fußballverein „Türkgücü München“ durch (mehr dazu siehe Punkt „Fußball“).
JUNGE REVOLUTION
Die Junge Revolution ist eine überwiegend jugendliche neonazistische Kadergruppe, die 2019 von Sanny Kujath in Zwickau gegründet wurde. Kujath, damals 16 Jahre alt, war zunächst als Anhänger der Partei Der Dritte Weg aufgetreten, distanzierte sich aber bald von der Partei und kritisierte sie für ihr „sektenartiges Verhalten“.18
Nach eigenen Angaben wurde Kujath bei einem rechten Protest gegen eine DGBKundgebung am 1. Mai 2016, bei der Heiko Maas von der Menge ausgebuht und zu seinem Fahrzeug verfolgt und beschimpft wurde, von Kadern des Dritten Wegs angesprochen und war fortan Anhänger der Partei. Vorher habe er bereits eine „kleinere Kameradschaft“ gegründet. Gemeint ist damit offenbar die „Junge Kameradschaft Zwickau“, deren Gesicht Kujath vor einigen Jahren war. Nach seinem Ausstieg beim Dritten Weg gründete er die „Junge Revolution“ zunächst als „VideoPodcastFormat“, wie er es selbst beschreibt. Auf dem gleichnamigen YoutubeProfil erschien eine Reihe von Interviews mit namhaften Neonazi-Kadern aus dem ganzen Bundesgebiet. Es ist zu vermuten, dass Kujath dabei tatkräftige Unterstützung von seinem heutigen Mentor und Ausbilder Tommy Frenck aus Kloster Veßra (Thüringen) erhalten hat.19
Später war allerdings festzustellen, dass sich hinter der „Jungen Revolution“ ein Netzwerk von Gruppen junger Neonazis verbirgt, die vor allem in Zwickau, Leipzig, Thüringen und BadenWürttemberg zu finden waren. Eine Gruppe jugendlicher Zwickauer Neonazis trat beispielsweise bei der Großdemonstration der „Querdenken“ Bewegung am 7. November 2020 in Leipzig mit Schlauchtüchern der „Jungen Revolution“ auf. Im Nachhinein erschienen Bilder dieser Gruppe auf ihrem Telegram-Kanal. Zwickauer Mitglieder der „Jungen Revolution“ trafen sich laut Akteuren vor Ort zum gemeinsamen Kampfsporttraining. Als gemeinsames Label scheint dabei der „Fightclub 56“, dessen Instagram-Auftritt einen Bezug zur „Jungen Revolution“ aufweist. Eine Gruppe junger Neonazis, mutmaßlich der frühere Kern der „Jungen Revolution“ tritt heute unter dem Namen „Deutsche Jugend Zwickau“ auf. Im Dezember 2020 hing eine Gruppe namens „Nord-Württemberg-Sturm“ im Baden-Württembergischen Osterburken ein Transparent auf und setzte die Aktion medial in Szene – veröffentlicht wurde das Video auf dem Telegram-Kanal der „Jungen Revolution“, als deren Teil sie sich selbst sehen. Mit der Aktion lehnt sich die Gruppe an Aktionsformen der „Identitären Bewegung“ an.20
Auch im Leipziger Umland scheint es Neonazis zu geben, die sich dem Netzwerk zugehörig fühlen. Hier tauchten in der Vergangenheit immer wieder Aufkleber der „Jungen Revolution“ auf.21 Im Februar 2020 hingen etwa zehn junge Neonazis ein Banner der „Jungen Revolution an einem Leipziger Einkaufszentrum auf.22
In unregelmäßigen Abständen organisierte Kujath mit der „Jungen Revolution“ Veranstaltungen. Am 14. Februar 2020 führte Kujath eine Rechtsschulung mit dem NPDKader Sebastian Schmidtke im Zwickauer Hotel Garni Gerisch durch. Der Inhaber des Hotels ist der ehemalige Freie-Wähler-Stadtrat Thomas Gerisch. Am 17. Juli 2020 schlug die Gruppe dann auf einer Wiese im Thüringischen Ilm-Kreis auf, um dort ein Wehrsportlager zu veranstalten. Hierzu waren zahlreiche Kader unterschiedlicher deutscher Neonazi-Gruppen angereist, u.a. vom „Kampf der Nibelungen“ aus Dortmund. Die Polizei löste das Lager auf, Teile sollen sich später in Sonneberg (Thüringen) getroffen haben.23 Ein als Vernetzungsevent der „Jungen Revolution“ geplanter „Revolutionärer Kongress“ am 14. März 2020 im vogtländischen Zobes wurde aufgrund der COVID19Pandemie untersagt.24 Im August 2021 löste sich die „Junge Revolution“ nach eigenen Angaben schließlich auf.
Kujath arbeitet seit 2019 als Azubi im neonazistischen „Wirtshaus zum Goldenen Löwen“ des thüringischen Multifunktionärs Tommy Frenck. Von dort aus betreibt er einen eigenen Versandhandel namens „Deutsche Bücherstube“ mit Sitz im benachbarten Themar.
Darüber hinaus hat er eine zweite Jugendvernetzung gestartet: Mit der Gruppe „Julefolk“ feiert er heidnische Feste und unternimmt Wanderungen. In ihrem Stil lehnt sich die Gruppe an sogenannte völkische Gruppierungen wie die „Artgemeinschaft“ an.
NEONAZISTISCHE AKTIONSFELDER
NEONAZI-BANDS
Wenn es um neonazistische Bandprojekte in der Zwickauer Region geht, fällt immer wieder ein Name: Paul Morgenstern. Der 41-Jährige spielt in verschiedenen Formationen unterschiedliche Formen des Rechtsrock: Die bekannteste Band ist wahrscheinlich die Chemnitzer Band „Front 776“, das Nachfolgeprojekt der Band „Blitzkrieg“. Morgenstern ist außerdem unter seinem Künstlernamen „Bile“ bei „Camulos“, „Der Tod und die Landsknechte“, „Eviscerated“, „Frozen Abyss“ und „Leichenzug“ aktiv.25 Darüber hinaus sitzt er unter dem Pseudonym „Dor Gust“ bei der erzgebirgischen BlackMetal Band „Andras“ am Schlagzeug und tritt als „Aris Wittmann“ bei der NSBM (National Socialist Black Metal) Band Stahlfront zusammen mit weiteren Neonazis, hauptsächlich aus dem Raum Zwickau und Erzgebirge, auf. Bei ihren seltenen Auftritten setzt die Band auf ein besonders martialisches und an den Nationalsozialismus angelehntes Erscheinungsbild mit Uniformen und Flaggen, die das NS-Symbol „Schwarze Sonne“ zeigen.
„Leichenzug“ wird von Morgenstern als Ein-Mann-Projekt betrieben. Die Texte von „Leichenzug“ verherrlichen u.a. den Krieg und zelebrieren die Tötung von Schwächeren. Das Album "Das letzte Gebot" wurde von der Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien wegen verrohender und zu Gewalttätigkeiten anreizender Inhalte indiziert.26 Manche Songs können als politisches Statement gelesen werden. So finden sich beispielsweise Passagen, die die SS verherrlichen.27 In der Vergangenheit spielte Morgenstern bei den Bands „Halgadom“, „Endless Vision“, „Baltak“ und der überregional bekannten BlackMetalBand „Aeveron“. Nicht all diese Projekte sind politisch ausgerichtet und so gelingt es Morgenstern immer wieder, auch Nicht-Rechte für seine Musik zu gewinnen. Paul Morgenstern betreibt sein eigenes Label „Blasphemous Terror Records“ in Wilkau-Haßlau, einer Kleinstadt im Landkreis Zwickau.28 2014 war er kurzfristig Mitglied der Zwickauer AfD, trat aber nach öffentlichem Druck wieder aus der Partei aus.29
Ebenfalls in Wilkau-Haßlau beheimatet ist das NSBM-Label „Purity through fire“, welches Morgensterns Projekt „Leichenzug“ unter Vertrag hat.30
Ein weiterer umtriebiger Neonazi-Musiker ist der Liedermacher Maik Krüger alias „Freilich-Frei“. Der seit 2014 aktive Krüger gibt regelmäßig überregional Konzerte und frequentiert dabei besonders häufig Veranstaltungen der NPD und ihrer Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) (Sächsisches Staatsministerium des Innern 2019).
Von Anfang der 2000er Jahre bis etwa 2010 wiesen mehrere Bands aus der NSHC (National Socialist Hardcore)Szene Bezüge nach Zwickau auf, da einige Personen aus den Reihen der ehemaligen „Nationalen Sozialisten Zwickau“ in den Bands „Diary of a Dying Nation“, „Brainwash“ und „Eternal Bleeding“ spielten. Der Ursprung der Bands liegt in der Region Altenburg, während die meisten Mitglieder heute in Dresden wohnen und von den Bands in den vergangenen fünf Jahren keine neuen Veröffentlichungen oder Konzerte bekannt geworden sind.
NEONAZISTISCHE UND RECHTSOFFENE KONZERTE
Insbesondere das Jahr 2019 war Schwerpunkt neonazistischer Konzerte in der Stadt. Mindestens drei davon fanden im Pölbitzer Dartclub in der Leipziger Straße 88 statt. Am 19. Juli 2019 spielte Philipp „Phil“ Neumann, Sänger der RechtsrockBand „Flak“ vor einem Publikum von etwa 80 Personen, am Folgetag die Liedermacher „Fylgien“ (Sebastian Döring) aus Berlin und der Chemnitzer „Otwin“ von der Band „Pionier“ vor ca. 35 Personen.31 Das Konzert war ursprünglich in einer Gartensparte in Meerane geplant gewesen, wurde dort aber, nachdem der Betreiber über die Hintergründe aufgeklärt worden war, abgesagt und nach Zwickau verlegt.32 Am 8. November fand im Pölbitzer Dartcub schließlich ein Konzert mit der neonazistischen Bremer HooliganBand „Kategorie C“ statt.33 Am 22. August 2020 gab es erneut ein extrem rechtes Konzert in Zwickau, der Ort ist aber unbekannt.34 Im November 2018 hatte bereits ein Rechtsrockkonzert in einem Restaurant in Neuplanitz stattgefunden.
Normalerweise werden Rechtsrockkonzerte aus Angst vor staatlicher Repression und zivilgesellschaftlicher Gegenwehr konspirativ beworben. Interessierte bekommen eine Info-Telefonnummer, unter der am Tag des Konzerts ein Schleusungspunkt, seltener der direkte Veranstaltungsort, bekannt gegeben wird. Dass dies nicht immer so sein muss, zeigen die rechtsoffenen Zwickauer Metal-Festivals „Erase The Sun“ und „Hell Unleashed“, die auch nichtrechtes Publikum anziehen. Bei beiden treten immer wieder Bands auf, die in der Vergangenheit Bezüge zur extremen Rechten aufwiesen. Das „Erase The Sun“ fand zuletzt am 15. Februar 2020 unter dem Motto „Dritter Angriff“ im Zwickauer Club Battlezone statt.35 Die angekündigte vierte und fünfte Auflage konnte bislang aufgrund der COVID19-Pandemie nicht durchgeführt werden, die Konzerte sind nun für 2022 angekündigt. Hier soll u.a. die Band „Sarkrista“ auftreten, die sich schon mit den neonazistischen westsächsischen Bands „Stahlfront“ und „Leichenzug“ die Bühne teilte und ebenfalls beim „Purity through fire“-Label veröffentlichte. Das „Hell Unleashed“ hat bereits seine zwei kommenden Festivals 2021 und 2022 im „Club Seilerstraße“ angekündigt. In der Vergangenheit traten beim „Hell Unleashed“ zahlreiche NSBM-Bands auf, womit das Festival bis heute wirbt. Der „Club Seilerstraße“ hatte die Konzertreihe im Jahr 2017 nach externer Kritik ausgeschlossen, seine Entscheidung mittlerweile aber offenbar zurückgenommen, weshalb weitere Festivals dieser Reihe wieder für den Club angekündigt sind.
Insgesamt kann für Zwickau eine große Häufigkeit extrem rechter Veranstaltungen festgestellt werden. Was an den Veranstaltungen in Zwickau besonders auffällt, ist, dass Gruppen wie der Dritte Weg und die „Junge Revolution“ offenbar problemlos Räume in nicht als Szenetreffs bekannten Gaststätten anmieten können. Währenddessen tut sich die Szene weiterhin schwer, in den Besitz geeigneter Immobilien für ihre Veranstaltungen zu kommen.
NEONAZIS IM KAMPFSPORT
Kampfsport, speziell in Form der „Mixed Martial Arts“, stellt in Sachsen ein beliebtes Betätigungsfeld von Neonazis dar. Im Raum Zwickau nahmen in der Vergangenheit nicht nur extrem rechte Akteure an Kampfsport-Veranstaltungen teil, sondern sie trainieren auch in öffentlichen Kampfsportvereinen. Mit dem „Tiwaz“ fand 2019 in der PaintballAnlage „Shootclub Zwickau“ ein explizit neonazistisch ausgerichtetes Kampfsportevent statt.36
Gegen regionale Kampfsportvereine und Trainingsräume, sogenannte Gyms, gab es in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe der Offenheit für rechte Akteure. Auf die Stadt Zwickau bezogen steht der Kampfsportverein KSSV Zwickau hierbei im Fokus. Während der Vorstand in der Vergangenheit den Verein unter der Behauptung verteidigte, man schaue bei der Mitgliederauswahl nicht auf die Gesinnung und Politik spiele im Trainingsalltag keine Rolle, wiegen die Vorwürfe schwer: Marco Hampel etwa, Inhaber des neonazistischen Bekleidungsgeschäftes Eastwear, war bis mindestens 2018 Kinder- und Jugendtrainer im Verein.37 2013 war der Verein Ziel einer Flyeraktion, bei der über die Machenschaften des Vereinsmitglieds aufgeklärt wurde. Die Vorwürfe waren dem Vorsitzenden Frank Hillmer spätestens seitdem bekannt. Mehrere Neonazis, die beim KSSV trainieren, nahmen 2018 am sogenannten „Kampf der Nibelungen“ im ostsächsischen Ostritz teil, dem größten neonazistischen Kampfsportevent Deutschlands.
Darunter befanden sich Philipp F. und Steffen R., der über eine C-Trainerlizenz im Boxen verfügt.38 F. und R. reisten zusammen mit ostthüringischen Kämpfern von „Barbaria Schmölln“ an, darunter der Vereinsvorsitzende Martin Langner aus Thonhausen bei Crimmitschau. Langner nahm 2018 an dem geschichtsrevisionistischen Gewaltmarsch „Ausbruch 60“ in Budapest teil und ist regelmäßig Teil rechter Aufmärsche und Saalveranstaltungen. Er fällt darüber hinaus durch seine Nähe zur Zwickauer Ortsgruppe der Partei Der Dritte Weg auf, an deren Pfingstwanderung er teilnahm. Seine Karriere führte ihn u.a. durch die „Shuri Fight Nights“ genannte Reihe von Kampfsportevents, die jedes Jahr in der Region stattfinden. Hier findet man bei den Kämpferankündigungen nicht nur regelmäßige Zurschaustellung von rechten Tattoos wie z.B. der „Schwarzen Sonne“, sondern es nahmen in der Vergangenheit auch aktive Neonazis teil, vor allem aus dem Raum Chemnitz.39 Unter dem Namen Shuri findet man nicht nur die genannte Veranstaltungsreihe, sondern auch mehrere Gyms, die es in Zwickau, Lichtenstein, Meerane und Plauen gibt.
NEONAZIS IM FUSSBALL
Dass sich die extreme Rechte in vielen Orten Sachsens in Fangruppierungen der örtlichen Vereine sammelt, ist ein bekanntes Phänomen. Beim FSV Zwickau trifft dies vor allem auf die hooliganartige Gruppe „A-Block“ zu, bei der sich insbesondere die Mitglieder der ehemaligen "Nationalen Sozialisten Zwickau" gesammelt haben. Rechte Kampfsportler sollen ebenfalls Teil der Gruppe sein.
2020 versuchte die Neonazi-Partei Der Dritte Weg den Verein zu vereinnahmen, scheiterte aber daran. Im Vorfeld eines Spiels des FSV gegen Türkgücü München hatte der „Stützpunkt Westsachsen“ der Partei vor der GGZ-Arena mit einem Transparent mit der Aufschrift „Türkgücü nicht Willkommen“ posiert. Der Zwickauer Drittligist reagierte prompt und veröffentlichte ein Statement in sozialen Netzwerken, in dem es hieß: „Unser Stadion – Unsere Regeln! Türkgücü München bei uns willkommen!“.40 Der Dritte Weg titelte später kleinlaut auf seiner Website: „FSV Zwickau freut sich auf ‚Türkische Kraft‘ aus München“. Dass sich der Verein heute seiner gesellschaftlichen Rolle bewusst zu sein scheint, zeigt auch der Besuch des FSV-Trainers Joe Enochs bei einer Kundgebung gegen den rechten Treffpunkt „Pölbitzer Dartclub“.41
Das war jedoch nicht immer so. 2011 kam es kurz nach der Selbstenttarnung des NSU zu rechten Gesängen von der Tribüne. So sei das sogenannte „U-BahnLied“ angestimmt worden, außerdem hätten vereinzelte Fans „Terrorzelle Zwickau – olé, olé, olé“ und „NSU“ gerufen.42 2015 machte der Club Schlagzeilen, als in der Zwickauer Kabine die Worte „Alles Ausländer hier“ und „Kanacken“ bei einem Spiel gegen den SV Babelsberg 03 gefallen sein sollen. Babelsbergs Trainer behauptete darüber hinaus, einer seiner Spieler sei von der Zwickauer Bank aus als „Scheiß-Türke“ beleidigt worden. Am Ende mussten Trainer und Spieler insgesamt 1500 Euro an eine antirassistische Initiative aus Babelsberg zahlen, wie ein Sportgericht urteilte.43
NEONAZI-TREFFORTE IN ZWICKAU
In Zwickau gibt es mit dem Ladengeschäft „Eastwear Department“ von Marco Hampel und dem Pöbitzer Dartclub zwei bekannte Orte, die der rechten Szene als feste Gewerbe bzw. Trefforte dienen (Kulturbüro Sachsen 2021). Der Dritte Weg verfügt darüber hinaus offenbar über selbst genutzte Räumlichkeiten. Das Sächsische Innenministerium nannte für das Jahr 2019 eine rechte Immobilie, die „anlassbezogen von parteiungebundenen Rechtsextremisten genutzt“ wurde, und meinte damit offenbar den Pölbitzer Dartclub, in dem 2019 mehrere Rechtsrockkonzerte stattgefunden hatten. Für 2020 zählt das Innenministerium wieder eine Immobilie, die dieses Mal aber aus Geheimhaltungsgründen nicht genannt werden könne.
Ob hiermit erneut der bereits bekannte Pölbitzer Dartclub gemeint war oder auf eine etwaige Immobilie des Dritten Wegs Bezug genommen wird, ist unklar.
Das Ladengeschäft „Eastwear Department“ in der Kreisigstraße 5 ist der Zwickauer Szeneladen der extremen Rechten. Ladeninhaber Marco Hampel verkauft hier neben seiner Eigenmarke „Eastfight Hatewear“ die bei Neonazis beliebte Marke „Thor Steinar“, mit Wehrmachtsmotiven gespickte Sweatshirts von „German Shock Style“ sowie die unpolitische Marke „Alpha Industries“. Nach der Selbstenttarnung des NSU wurde bekannt, dass der Laden ein T-Shirt in seiner Auslage gehabt hatte, das die im Bekennervideo verwendete Zeichentrickfigur „Paulchen Panther“ nebst dem Schriftzug „Staatsfeind“ zeigte.44 Nach eigenen Angaben habe das Shirt schon seit längerem im Laden gehangen, sprich: Bevor der NSU und das Motiv von Paulchen Panther im rechten Kontext überhaupt bekannt wurden (Eumann 2013). Der Laden hieß bis ca. 2007 „Last Resort Shop“ und wurde von Ralf Marschner geführt. Marschner fungierte jahrelang als V-Mann für das Bundesamt für Verfassungsschutz. In dieser Zeit, Ende der 1990er Jahre, galt Marschner als Szenegröße in Zwickau. Er brachte Fanzines heraus, gründete die Band „Westsachsengesocks“ und betrieb neben dem „Last Resort Shop“ noch einen zweiten Laden namens „VIPers“. Marschner soll sich am Vertrieb von „Landser“CDs beteiligt haben. Zeugen meinten, Uwe Mundlos als Vorarbeiter von Marschners Baufirma erkannt zu haben.45 Mehrmals mietete er Autos an den Tagen, an denen das NSU-Kerntrio in anderen Städten Anschläge beging.46 2007 verließ Marschner fluchtartig die Stadt und lebt heute in der Schweiz.
Die Situationsanalyse des Journalisten Johannes Grunert ist als Policy Paper #4 vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut veröffentlicht worden in Kooperation mit ASA FF und Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e.V.. Redaktionsschluss 30.10.21
Quellen:
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5 ) https://sternendekorateure.wordpress.com/2016/11/06/attacken
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