Sachsen hinkt im Ausbau der Erneuerbaren Energie den bundesdeutschen Entwicklungen hinterher. Jetzt sind ehrgeizige und konkrete Ziele gefragt!
Die Klimapolitik und der Ausbau der Erneuerbaren Energien wie Windenergie, Wasserkraft, Biomasse und Solarenergie wird in Sachsen bestimmt durch die Festlegungen und Zielvorgaben des sogenannten Energie- und Klimaprogrammes (EKP). Erstmalig wurde ein Klimaschutzprogramm im Jahr 2001 beschlossen. Die aktuelle Klimapolitik des Freistaates Sachsen im Jahr 2020 baut auf dem EKP aus dem Jahr 2012 auf, welches 2013 beschlossen wurde. Eine Fortschreibung des EKP sollte bereits in der letzten Legislaturperiode (bis 2019) erfolgen, steht jedoch nach wie vor aus. Die Festlegungen und Zielvorgaben des EKP 2012 berücksichtigen lediglich einen Zeithorizont bis zum Jahr 2022. Vorgaben zur Erreichung der Klimaneutralität, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wie es das Pariser Klimaabkommen verlangt, finden sich in diesem deshalb nicht wieder.
Umso dringender ist es, dass das Energie- und Klimaprogramm des Freistaates Sachsen eine Fortschreibung erfährt. Ein klarer Zielkorridor mit Ausbaupfaden für die Erneuerbaren Energien ist dabei ebenso notwendig wie Vorgaben zur Minderung der CO2-Emmissionen hin zur Klimaneutralität.
Im Jahr 2018 betrug der Anteil Erneuerbarer Energien am Nettostromverbrauch in Sachsen 26,4 Prozent, 2019 lag der Anteil bei 28,8 Prozent. Der Anteil Erneuerbarer Energien am gesamtdeutschen Stromverbrauch lag dagegen im Jahr 2019 bereits bei rund 42 Prozent. Der Unterschied macht deutlich, wie weit der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Sachsen den bundesdeutschen Entwicklungen hinterherhinkt, wobei sich diese Differenz vor allem in den letzten Jahren dramatisch erhöht hat.
Im Zeitraum 2006 bis Mitte 2020 wurden 262 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 585,5 Megawatt (MW) neu errichtet. Zur Mitte des Jahres 2020 sind in Sachsen 896 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von rund 1.275 MW in Betrieb. Bei Vernachlässigung des Saarlandes als kleinstes Flächenland nimmt Sachsen damit die letzte Position unter den bundesdeutschen Flächenländern ein.
Die Zahl der Neuerrichtung von Windenergieanlagen ist in den letzten 15 Jahren in Sachsen rückläufig. So wurden im Jahr 2019 nur fünf Windenergieanlagen neu ans Netz angeschlossen, im ersten Halbjahr 2020 erst drei Anlagen mit einer Nennleistung von 7,95 MW errichtet und in Betrieb genommen. In den vergangenen 15 Jahren hat es Genehmigungsverfahren gegeben, die über zehn Jahre hinausgingen und demzufolge von der technologischen Entwicklung überholt wurden.
Doch Sachsen hat seinen Anteil bei der Minderung der CO2-Emissionen und zum Erreichen der Klimaneutralität zu leisten. Um dem gerecht zu werden, muss sich die Situation beim Ausbau der Windenergie grundlegend bessern.
In einer Veröffentlichung für die Windenergiebranche 2019 wird mit Blick auf den Klimaschutz gefordert, dass zwei Prozent der sächsischen Fläche für die Windenergienutzung verfügbar sein sollten. Quantitativ ausgedrückt: Um den derzeitigen Nettostrombedarf in Höhe von rund 22.000 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr abzudecken, müssten 1.480 Windenergieanlagen der 4-MW-Klasse mit einer Gesamtleistung von 7.380 MW betrieben werden. Die dafür benötigte Fläche von 369 km2 entspricht genau zwei Prozent der Fläche von Sachsen. Im Koalitionsvertrag der sächsischen Regierungskoalition haben CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD vereinbart: „Das EKP soll sich an einem zusätzlichen Ausbau von 10 Terrawattstunden (TWh) Jahreserzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 orientieren. Für 2024 orientieren wir uns an einem Zubau-Zwischenziel von 4 TWh, von dem der Hauptteil durch Windenergie gewonnen werden soll.“ Wenn davon ausgegangen wird, dass ein vergleichbarer Mix, wie im Bundesdurchschnitt angestrebt wird, ergibt sich ein Anteil von 30 Prozent aus Photovoltaik und 70 Prozent aus Windenergie. So müssten für die geplante zusätzliche Strommenge allein rund 230 Windenergieanlagen der 4-MW-Klasse bis zum Ende des Jahres 2024 zusätzlich errichtet und betrieben werden.
Aktuell sind mehr als ein Drittel der sächsischen Windenergieanlagen älter als 20 Jahre. Im Zeitraum von 2021 bis 2031 werden rund 750 Anlagen aus der garantierten Einspeisevergütung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEGVergütung) fallen; 356 Anlagen davon sind bereits im Jahr 2021 betroffen. Aktuell ist offen, ob diese Anlagen auch ohne diese garantierte Einspeisevergütung weiter betrieben werden können. Bleibt es bei den derzeitig zu erzielenden Börsenstrompreisen, wird ein Großteil der Anlagen nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Als Folge werden die Anlagen wahrscheinlich abgeschaltet und zurückgebaut.
Auch ein Repowering, das heißt ein Ersatz alter Windenergieanlagen durch neue, kommt für mehr als ein Drittel dieser Anlagen nicht in Betracht, da diese außerhalb heutiger Vorrang- und Eignungsgebiete stehen, also auf Flächen, welche nicht für die Errichtung von Windenergieanlagen ausgewiesen sind, bzw. zu dicht an Wohnbebauungen stehen. Es ist zu befürchten, dass ein massiver Rückbau von Windenergieanlagen erfolgt, ohne dass eine ausreichende Kompensation durch einen gleichzeitigen Zubau vollzogen wird.
Der fehlende Zubau und die Abschaltung von Altanlagen könnte dazu führen, dass der Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Sachsen rückläufig sein wird und nicht wie notwendig ansteigt.
Die Regionalen Planungsverbände, die in ihren Regionalplänen Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung ausweisen, wurden vom Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR) angewiesen, ihre aktuelle Planung auf den überholten Vorgaben des eingangs erwähnten Energie- und Klimaprogrammes aus dem Jahr 2012 abzuschließen. Die Zielvorgaben aus dem aktuellen Koalitionsvertrag finden somit keine Berücksichtigung. Die Planungen der Regionalen Planungsverbände sind jedoch für die Frage, wo eine Windenergieanlage, bzw. ein Windpark errichtet werden kann, von entscheidender Bedeutung. Denn dies ist nur auf den ausgewiesenen Flächen, den erwähnten sogenannten Vorrang- und Eignungsgebieten, möglich. Unter Berücksichtigung des zeitlichen Drucks ist es fraglich, ob eine nachfolgende Fortschreibung der Regionalpläne zügig genug erfolgt, um bis 2024 die erforderlichen 230 Windenergieanlagen zu errichten. Damit ist zu befürchten, dass sich die bestehende Lücke im notwendigen Ausbau der Windenergie weiter vergrößert. Diese Lücke muss dann in den folgenden Jahren umso schneller geschlossen werden, wenn die Braunkohlekraftwerke in Sachsen gemäß Kohleausstiegsgesetz vom Netz gehen, damit keine Versorgungslücke entsteht.
Ähnliche Anstrengungen, wie sie im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergieanlagen erforderlich sind, braucht es für den weiteren Zubau von Photovoltaikanlagen. Auch hier bedarf es der Nutzung aller verfügbaren Potenziale. Dazu sind Anreize und Vorgaben für die Errichtung von Dachflächenanlagen ebenso zu schaffen, wie die Möglichkeit der Nutzung benachteiligter Flächen für Freiflächen-Photovoltaik.