Pränataldiagnostik - Ethisches Dilemma oder Wissen als Chance?

Tabea Hosche bei der Diskussion um Pränataldiagnostik

Am 11. Oktober 2018 zeigten wir im Programmkino Ost in Dresden den Film "Wieder schwanger - und jetzt? Mein Familientagebuch" von Tabea Hosche. Die Journalistin und Filmemacherin begleitet seit mehreren Jahren ihre Familie mit der Kamera: den Alltag mit ihrer Tochter Uma, die einen seltenen Gendeffekt hat, mit ihrer Tochter Ebba, die keine Behinderung hat, und mit ihrem Mann Laszlo. Der Film "Wieder schwanger und jetzt? Mein Familientagebuch" zeigt, wie das Paar mit der dritten Schwangerschaft umgeht. Im Raum stehen viele Fragen, die um das Thema Pränataldiagnostik kreisen, und damit Ängste und Unsicherheiten. Kann ihnen Pränataldiagnostik helfen oder verstärkt sie mögliche Ohnmachtsgefühle eher. Was könnten sie als Familie tragen? Und wäre Abtreibung für sie denkbar?

Im Anschluss an den Film fand eine Podiumsdiskussion mit Tabea Hosche, Anne-Kathrin Olbrich und Kirsten Achtelik statt. Anne-Kathrin Olbrich ist Psychologische Beraterin in der Schwangeren-, Ehe- und Lebensberatung bei der Stadtmission Dresden. Kirsten Achtelik ist Autorin und Journalistin. Die Diskussion wurde von Gesine Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dresden, moderiert.

Deutlich wurde: Das Thema ist komplex; die eine Perspektive gibt es nicht. Die betroffenen Frauen und Paare, die Berater*innen, die Pränataldiagnostiker*innen und die Menschen mit und ohne Behinderung, die sich gegen Behindertenfeindlichkeit bzw. Ableismus einsetzen - sie alle blicken unterschiedlich auf Pränataldiagnostik.

Die Podiumsdiskussion wurde vom MDR aufgezeichnet und kann HIER abgerufen werden.

Kirsten Achtelik betonte, dass es in der Gesellschaft wenig Wissen über Pränataldiagnostik und  kaum Möglichkeiten gebe, als Schwangere über die verschiedensten Ängste zu sprechen. Aus ihrer Sicht ist der Fokus auf Pränataldiagnostik daher so stark. Sie sprach auch von einer Angstspirale: Untersuchungen sollen die Ängste verringern, unklare Diagnosen verursachen aber neue.
Es gebe in der Gesellschaft keine Idee davon, was es bedeutet, eine Behinderung zu haben bzw. mit einem Kind mit Behinderung zu leben.  Behinderung werde gleichgesetzt mit Leiden, Schmerzen und ständigem Stress -  diese Sicht teilen die meisten Menschen mit Behinderung bzw. Familien mit behindertem Kind nicht. Daher sei ein Umdenken in der Gesellschaft notwendig. Denn Schwangerschaftskonfliktberatung könne nicht das Bewusstsein ändern, das bisher als normal galt.

Tabea Hosche bestätigte dies. Einerseits sprach sie über ihre Ängste, die ganz vielfältig waren - sowohl in der ersten Schwangerschaft nach der Diagnose als auch in der dritten Schwangerschaft vor der Pränataldiagnostik. Ihre Ängste nach der Diagnose während der ersten Schwangerschaft drehten sich vor allem um die Zukunft: Wie würde sich ihr Leben verändern? Könnte sie noch arbeiten? Würde sie nur noch pflegen? Ihre Ängste während der dritten Schwangerschaft drehten sich einerseits um die Paarbeziehung. So hatte sie Angst, sich mit ihrem Partner nicht einig zu sein, verhandeln zu müssen. Andererseits sprach sie auch von ihrer Angst vor einem weiteren Kind Behinderung und wie dieses das Familiengefüge beeinflusse würde. Schließlich sprach Tabea Hosche von einem Gespräch mit einem Neurologen während ihrer Schwangerschaft mit ihrer Tochter Uma. Dieser sagte, dass alle Familien mit einem behinderten Kind jetzt glücklicher waren, als sie sich das während der Schwangerschaft nach der Diagnose hätten vorstellen können. Das machte ihr Mut.

Anne-Kathrin Olbrich weiß aus ihrer Tätigkeit als Beraterin, dass es für die schwangere Frauen - unabhängig vom Ausgang der Schwangerschaft - wichtig ist, selbstbestimmt zu entscheiden. Für die einen kann es wichtig sein, alle Angebote der Pränataldiagnostik zu nutzen. Gleichzeitig müsse es aber auch respektiert werden, wenn Frauen solche Angebote ablehnen. Anne-Kathrin Olbrich betonte, dass jedes Paare seinen eigenen Weg gehen müsse - vor dem Hintergrund seiner individuellen Geschichte.

An der Veranstaltung nahmen etwa 130 Menschen teil.

Der Film von Tabea Hosche ist eine Produktion des MDR. Er wurde in der Reihe "Selbstbestimmt" ausgestrahlt und ist in der Mediathek des MDR zu finden.