Wirtschaft: Stille Hilfe für die Bilanzen

Die Tagebau- und Kraftwerksbetreiber erhalten vielerlei Vergünstigungen. Für die wahren Kosten, die sie verursachen, müssen sie nicht zahlen. 

Gern behaupten die braunkohlefreundlichen Kreise in Wirtschaft und Politik, ihr Brennstoff komme ohne staatliche Zuschüsse aus. Aber eine solche Subventionsfreiheit der Braunkohle gibt es nicht. Nach der Wende 1989/90 förderte die Aufbau-Ost-Politik die privatisierten Bergbauunternehmen in großem Stil. Kosten für Nachrüstung und Neubau der Kraftwerke wurden mit staatlichen Mitteln abgedeckt, aber auch durch die Umwälzung von Kosten auf ostdeutsche Stromkunden, die keine Wahl hatten, als die verlangten Preise zu bezahlen.
Weniger bekannt sind die Zuschüsse durch den Verzicht auf Einnahmen. So ist bei der Trockenlegung der Tagebaue für das abgepumpte Wasser eine Wasserentnahmeabgabe zu zahlen. Doch in Sachsen wird sie nur für fünf Prozent der entnommenen Menge fällig: Statt drei Millionen Euro werden nur rund 150.000 Euro erhoben. Auf den Differenzbetrag verzichtet der Freistaat Jahr für Jahr.

Für das Fördern von Bodenschätzen – von der Kiesgrube über die Erdgasbohrung bis hin zum Eisenerzbergwerk – werden in Deutschland Förderabgaben erhoben, üblicherweise in Höhe von zehn Prozent des Marktwertes, verteilt auf den genehmigten Förderzeitraum. Nicht aber in Sachsen. Der Einigungsvertrag von 1990 legte für viele Bodenschätze die Befreiung von der Förderabgabe fest. Diese nur für eine Übergangszeit gedachte Sonderregelung gilt in Sachsen noch immer. Dabei wäre die Abgabe etwa für die später bewilligten Kohlefelder jederzeit möglich. Doch aufgrund von Landesregelungen wird sie umgangen.

Allein im Mitteldeutschen Revier sind dem Freistaat so bislang bei knapp 100 Millionen Tonnen geförderte Braunkohle aus später bewilligter Förderung etwa 150 Millionen Euro an Abgaben entgangen. Im aktuellen Tagebaubetrieb sollen weitere 75 Millionen Tonnen abgebaggert werden, sodass dem Freistaat weitere etwa 115 Millionen Euro entgehen. Dann gibt es die noch nicht genehmigten 36 Millionen Tonnen in den Tagebauen Nochten, Welzow-Süd und Vereinigtes Schleenhain – macht 56 Millionen Euro an Förderabgaben. Diese Mehrkosten würden dazu beitragen, die Tagebauerweiterungen auf einen Schlag unwirtschaftlich zu machen.

Der Emissionshandel für Treibhausgase ist unwirksam. Deswegen kommt es auch bei der Verstromung zu indirekten Subventionen. Der Preis für die Zertifikate dümpelt seit Jahren bei etwa 5 Euro pro Tonne Kohlendioxid (CO2). Etwa 30 Euro wären jedoch nötig, um bei den Energieversorgern tatsächlich Anreize für Klimaschutzmaßnahmen zu setzen. Die realen Kosten für die CO2-Emissionen – einschließlich der Kosten für die Folgeschäden bei Mensch und Natur – liegen gar bei 80 Euro pro Tonne ausgestoßenes CO2. Solche Faktoren verzerren die Energiepreise. Bei der Hereinnahme dieser Kosten würde sich die Braunkohle gegenüber den erneuerbaren Energien derart verteuern, dass das Argument der preiswerten Energie aus einem billigen Rohstoff unhaltbar wäre.

Trotz der Begünstigungen läuft das Geschäft mit der Braunkohle nicht gut. Vattenfalls Lausitzer Tagebaue arbeiteten seit 2006 defizitär. 2014 wurde das Unternehmen umstrukturiert und 2016 schließlich die gesamte Sparte mit Verlust abgestoßen: Vattenfall hat dem Käufer noch 1,7 Milliarden Euro Barmittel dazu geschenkt. Hinter dem neuen Eigentümer EPH stehen wenige schwerreiche Finanzinvestoren aus Tschechien, die ihre Beteiligungen über ein Geflecht von Firmen in Zypern und Luxemburg verwalten. Sie betreiben Briefkastenfirmen in Ländern, die dafür bekannt sind, nur wenige Steuern und geringe Transparenz zu fordern. So gehören die Anteile an der neuen LEAG – der gemeinsamen Marke der Lausitz Energie Bergbau AG und der Lausitz Energie Kraftwerke AG mit rund 8.000 Beschäftigten – zu 80 Prozent einer kapitalschwachen Verwaltungs-GmbH in Prag, bei der im Pleitefalle die Haftung endet.
Denn die unübersichtliche Unternehmensstruktur mit zahlreichen Mutter- und Tochterfirmen sowie intransparenten Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen wirft Fragen auf. Die wichtigste: Haftet der Konzern bei der Insolvenz einer der Tochterfirmen? Bis zu welcher Obergrenze? Im schlimmsten Fall muss das Land einspringen und Folgekosten aus Steuermitteln zahlen. Dringend muss daher sichergestellt werden, dass die Folgekosten der Braunkohle tatsächlich den Verursachern angelastet werden. Die Umweltorganisation Greenpeace weist bereits auf einen potenziell beunruhigenden Vorgang hin: Womöglich könnten die 1,7 Milliarden Euro, die Vattenfall für die spätere Rekultivierung an die neuen Eigentümer gezahlt hat, in Wirklichkeit in die Milliardensummen geflossen sein, mit denen sich EPH Ende 2016 von einigen großen Altaktionären befreit hat.

Der Verkaufsvertrag regelt, dass bis 2019 keine Dividenden an die neuen Eigentümer gezahlt, Rückstellungen aufgelöst oder vergleichbare Maßnahmen ergriffen werden. Weiterhin ist bis 2021 die Gewinnabschöpfung vertraglich auf eine „betriebsübliche Rendite“ begrenzt, was auch immer das bedeuten mag. Bestehende Tarifverträge sind fortzuführen, betriebsbedingte Kündigungen bis 2020 ausgeschlossen. Für danach gibt es keinerlei Regelungen.

Auch bei der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (MIBRAG), bereits seit 2009 eine Tochter von EPH, sieht es nicht rosig aus. Die Gewinne sind eingebrochen. Seit dem Zeitpunkt des Kaufs wurden insgesamt 440 Millionen Euro durch einen Gewinnabführungsvertrag an die tschechische Mutter überwiesen. Es ist offen, ob und in welchem Umfang das Geld in Form von Investitionen den Weg zurück findet, wenn es den Unternehmen hier schlecht geht.

 

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