Eine Welt digitaler Techniken im weitesten Sinne verändert die Kommunikationsbeziehungen, die sozialen Beziehungen der Menschen untereinander und damit auch die sozialen Verhältnisse der Menschen in der Gesellschaft in fundamentaler Weise. Wir stehen ganz offensichtlich erst an der Schwelle des Verstehens dieser komplexen und alle Lebensbereiche verändernden Revolution. Die technischen Möglichkeiten, die unser Leben ja auch erleichtern können und schöner und klüger machen, werden in großer Geschwindigkeit erweitert, immer neue Schwellen des Mach- und Denkbaren werden permanent überschritten. Unser alltägliches Leben kann inzwischen mühelos aufgrund der hinterlassenen Datenspuren rekonstruiert werden. Staaten scheinen durch umfassende und präventive Überwachung mehr Sicherheit für Bürger_innen bieten zu können.
Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden sollte klar sein, dass das, was technisch an Überwachung möglich ist, auch tatsächlich für Überwachung genutzt wird. Auch hier sehen wir, wie sich immer neue Schwellen zwischen den Freiheiten, die das digitale Netz uns bietet, und den unsere Freiheit und Bürgerrechte einengenden digitalen Kontrollmechanismen zeigen.
Welche Bedingungen braucht und welche Chancen hat die zivilgesellschaftliche Rekonstruktion digitaler Freiheit durch die Entwicklung freier, nicht überwachungsgeeigneter Software oder die Bereitstellung nicht überwachungsgeeigneter Versorgungsstrukturen? Welches sind die Möglichkeiten, um die Strukturen der heraufziehenden digitalen Gesellschaft in freiheitsgeeigneter Weise umzuprägen oder neu zu schaffen?
Die Rückeroberung eines privaten und öffentlichen Freiheitsraums wäre auch Voraussetzung einer freiheitlichen Demokratie, die einen militärisch, sicherheitsmäßig und kommerziell geprägten digitalen Raum nicht wird überleben können. Dass hier eine Herausforderung für uns liegt, ist unbestreitbar. An Lösungen haben Techniker_innen, Politiker_innen, Jurist_innen, Künstler_innen und politisch engagierte Bürger_innen gearbeitet, oft blieben und bleiben sie aber dabei hinter den Schwellen ihrer Professionen stehen. Erst seit Kurzem bewegen sie sich aufeinander zu, um im Austausch der verschiedenen Erfahrungen und Herangehensweisen Perspektiven für ein freiheitsorientiertes Netz zu entwickeln.
Der vorliegende Band beleuchtet in wesentlichen Ausschnitten den aktuellen Stand und diskutiert Chancen digitaler Strukturen, Rahmenbedingungen, Technik und Verhaltensweisen, die an Freiheit und der Möglichkeit von Privatheit orientiert sind.
Der vorliegende Sammelband ist Ergebnis einer Veranstaltungsreihe, die wir von April bis Juli 2014 im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden durchgeführt haben. Die Reihe fand in Kooperation mit dem Staatsschauspiel Dresden und dem Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit der TU Dresden statt.
Ich bedanke mich herzlich für die anspornende und produktive Zusammenarbeit mit Dr. Stefan Köpsell vom Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit der TU Dresden sowie bei Kerstin Harzendorf und Johannes Lichdi. Ohne ihre Expertise und ihre Kontakte wären weder die Veranstaltungsreihe noch der Sammelband zu Stande gekommen. Johannes Lichdi danke ich für das Lektorat.
Die Reihe hat wie immer ein professionelles und anregendes Zuhause in der Glacisstraße gefunden, auch dem Staatsschauspiel Dresden und insbesondere seiner künstlerischen Produktionsleiterin Mary Aniella Petersen sei deshalb für die langjährige Zusammenarbeit gedankt. Nicht zuletzt danke ich Antje Meichsner für den künstlerischen Beitrag zum Band.
Dresden, Mai 2015
Stefan Schönfelder
Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen
Zur Dokumentation der Reihe mit Mitschnitten.
Nachtrag: Im Oktober 2015 wurde die downlaod-Version mit leichten Veränderungen im Beitrag "Ulrike Ackermann: Digitale Revolution – Eine Herausforderung für die Freiheit" erneut online gestellt.
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Inhaltsverzeichnis
INHALT
Vorwort
Einführung
I. Unsere alltägliche Überwachung
Holger Stark und Marcel Rosenbach:
Warum und wie die NSA das Internet beherrschen willMatthias Spielkamp: Journalismus nach Snowden
Johannes Lichdi: Fallbeispiel Dresden, 19. Februar 2011:
Von der körperlichen Raumkontrolle zur elektronischen KommunikationskontrolleHannes Federrath: «Mein Smartphone weiß mehr als ich» –
Beobachtung und Sammlung von NutzeraktivitätenMarco Ghiglieri, Benjamin Lange, Hervais Simo, Michael Waidner:
Security und Privacy bei Smart TVs – Bedrohungspotential und technische Lösungsansätze
II. Regulierung der Digitalen Revolution?
Peter Schaar: Lässt sich die globale Überwachung einhegen?
Jan Philipp Albrecht: EU-Datenschutzreform: Blockade made in GermanyStefan Köpsell:
Dezentralität, Diversität und Redundanz – Bausteine für eine bürgerorientierte NetzweltLeonhard Dobusch:
Probleme digitaler Plattformregulierung zwischen Verboten, Geboten und Entflechtung
III. Die Herausforderung für Freiheit und Demokratie
Ulrike Ackermann: Digitale Revolution – Eine Herausforderung für die Freiheit
Marion Albers: Zukunftsszenarien polizeilicher Überwachung
Johannes Näder: Weder Fluch noch Segen –
Die digitale Schwelle als Herausforderung der demokratischen GesellschaftYvonne Hofstetter:
Big Data: Von der Analyse riesiger Datenmengen zur Steuerung des Menschen
Autorinnen und Autoren