Das Zentrum für inklusive Bildung ist da
von Tina Hölzel, David Jugel und Stefan Schönfelder
Gerade jetzt zur Sommerreisezeit begegnet vielen von uns wieder der Slogan «all inclusive». Und auch außerhalb des Badetuchs könnte die gesellschaftlich wie wissenschaftliche Aufmerksamkeit um den Schlagbegriff der Inklusion kaum größer sein. So diskutieren unterschiedlichste Institutionen – von der Bundesregierung, über die Schule und den Kindergarten bis hin zur Immobilienbranche – über die inklusive Beteiligung und Teilhabe von verschiedenen Menschen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Und trotz der gestiegenen Aufmerksamkeit sind in der Praxis – wie auch der Theorie – wenig treffende Inklusionskonzepte oder auch tatsächliche Inklusionserfahrungen aufzufinden. Dabei bildet das wohl am meisten debattierte Handlungsfeld inklusiver Überlegungen – der Bildungsbereich – keine Ausnahme. So lassen sich hier viele Veranstaltungen finden, die über die Inklusion an sich und auch über einzubeziehende Gruppen sprechen. Tatsächlich inklusiv sind solche Formate – als Tagungen, Kongresse oder Weiterbildungen – jedoch nicht. Vielmehr wird in exklusiven Settings und Gruppen vorrangig über Inklusion gesprochen, selten aber inklusiv geplant oder gehandelt.
Politische Bildung - theoretisch «all inclusive», praktisch exklusiv?
Auch im pädagogischen Handlungsfeld der politischen Bildung wird seit dem Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2009 viel über Inklusion und barrierefreie Angebote gesprochen. Auch das überregionale Verbundprojekt der Heinrich-Böll-Stiftungen hochinklusiv 2012/13 diskutierte Fragen einer inklusiven politischen Bildungsarbeit. Diesen Impulsen sollte die (Weiter-)Entwicklung von praktisch inklusiveren Bildungsformaten und fundierten Inklusionskonzepten folgen. Mit der Gründung von ZipB – Zentrum für inklusive politische Bildung haben sich Bildner_innen von Weiterdenken und der TU Dresden auf den Weg gemacht, politische Bildung nachhaltig und praktisch zu verändern. Im Inklusionsverständnis des ZipB zeigt sich der tiefgehende Ansatz: Nahmen bisherige Definitionsversuche von Inklusion meist nur eine bestimmte ausgeschlossene Gruppe - in der Regel sind hier Menschen mit Beeinträchtigung gemeint - in einem spezifischen gesellschaftlichen Teilbereich in den Fokus, geht das ZipB in seiner Vorstellung von Inklusion einen neuen, eigenen Weg.
Inklusion weiter denken
Inklusion im engeren Sinne auf Schule und Menschen mit Behinderungen bezogen, ist in der gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Debatte längst nicht Konsens, aber weitgehend akzeptiert. Aus unserer Sicht muss im eigentlichen Sinne von Inklusion - als ein Alle-Einbeziehender-Ansatz - allerdings ein weites Verständnis herangezogen werden.
Dies versucht das ZipB, indem es Inklusion als ein in allen gesellschaftlichen Teilbereichen vernetzt verlaufenden Wandlungsprozess beschreibt, der darauf abzielt, in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen jedem Menschen auf Grundlage seiner individuellen Bedarfe Zugang, Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen1.
Mit Zugrundelegung dieses weiten Inklusionsbegriffs, der eben gerade über scheinbar manifestierte Einschränkungen hinausgeht, öffnet das Zentrum seine Perspektive, um sie im Anschluss forschend auf die politische Bildung zu beziehen. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen Fragen rund um inklusivere politische Bildungsangebote:
Wie könnte eine inklusive politische Bildung aussehen? Welche Voraussetzungen müssen für inklusive politische Bildung hinsichtlich von Einstellungen, Prozessen und Strukturen erfüllt werden? Was können wir von bereits inklusiven Bildner_innen lernen? Wie kann in politischen Bildungsformaten praktisch inklusiv geplant und gehandelt werden? Gibt es übertragbare Inklusionskonzepte? Wie kann der Veränderungsprozess zu einer inklusiven politischen Bildung in die Breite der Angebote vermittelt werden?
All diesen Fragen soll auf verschiedenen empirischen Wegen im Inklusionslabor der Forschungsstelle theoretisch - aber auch ganz praktisch - begegnet werden. Dazu forschen junge als auch erfahrene Bildner_innen der politischen und kulturellen Bildung gemeinsam in interdisziplinären Formaten. Durch Dialoge, Experimente und Begegnungen laufen im ZipB unterschiedliche forschende Tätigkeiten und Perspektiven zusammen. Und mehr noch: Das ZipB selbst versteht sich in seiner eigenen Entwicklung als eine Anlauf- und Beratungsstelle zum Thema Inklusion für (politische) Bildner_innen, in der gewonnene Erkenntnisse durch praktische Begleitformate und Inklusionsprojekte und durch traditionellere Formate - wie Weiterbildungen und Tagungen - gebündelt und direkt in die Praxis weitergegeben werden sollen, um sie auszuprobieren und Bildung immer inklusiver zu gestalten.
Das Prädikat «all inclusive» sollte uns also zukünftig nicht nur auf sommerlichen Reisen, sondern auch in politischen Bildungslandschaften theoretisch und praktisch begegnen.
1 Die Definition ist hier nach David Jugels Artikel «Inklusion in der politischen Bildung – auf der Suche nach einem Verständnis» zitiert, der sich derzeit im Erscheinen befindet.