A wie Arbeit statt Ausgrenzung und Abstellgleis – die Grüne Arbeitsmarktpolitik

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In der europäischen Krise gilt Deutschland immer noch als so etwas wie die „Insel der Glückseligen.“ Denn die Konjunktur und in ihrer Folge der Arbeitsmarkt haben sich entgegen dem allgemeinen Trend positiv entwickelt. Trotzdem liegt einiges im Argen. Immer deutlicher lässt sich eine doppelte Spaltung am deutschen Arbeitsmarkt erkennen. Sie vollzieht sich erstens zwischen Erwerbstätigen auf der einen Seite und Erwerbslosen, die weitgehend chancenlos an den Rand der Gesellschaft geraten sind, auf der anderen Seite. Daneben entsteht eine weitere Spaltung zwischen regulär und prekär Beschäftigten bzw. Stammbelegschaften und Randbelegschaften. Dazu zählen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, Werkvertragsbeschäftigte ebenso wie befristet Beschäftigte oder Minijobber_innen.

Die Abkopplung so vieler vom früheren Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft ist vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftebedarfs nicht nur volkswirtschaftlicher Unsinn. Es ist eine gesellschaftliche Absage an Teilhabe und Solidarität und damit sozialer Sprengstoff.

Grüne Arbeitsmarktpolitik will an den unterschiedlichen Fähigkeiten und Qualifikationen von Menschen anknüpfen und damit der Abkoppelung von Teilen der Gesellschaft entgegenwirken. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die Integration und Durchlässigkeit statt Ausgrenzung und Prekarisierung fördern. Wir setzen auf individuelle Wege und einen inklusiven Arbeitsmarkt, der die Teilhabe aller an Arbeit und gesellschaftlichem Leben zum Ziel hat. Davon sollen prekär Beschäftigte und Arbeitslose profitieren.

Prekäre Beschäftigung zurückdrängen

Das massive Anwachsen der prekären Beschäftigungsverhältnisse mit häufig niedrigen Löhnen gehört zu den gravierendsten Fehlentwicklungen der Hartz-Reformen. Die Erwartung an die Flexibilisierung war, dass Brücken in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entstehen - herausgekommen sind abgeschottete Teilarbeitsmärkte, die nur Wenigen den Aufstieg in höherwertige Arbeit erlauben. Auch um dieser Entwicklung zu begegnen, müssen flexible Beschäftigungsverhältnisse wieder auf das erforderliche Maß zurückgeführt werden.

Leiharbeit und Werkverträge regulieren

Leiharbeit darf nicht länger der billige Jakob des Normalarbeitsverhältnisses sein. Um zu verhindern, dass durch Leiharbeit Stammbelegschaften abgebaut werden, müssen die finanziellen Anreize der Leiharbeit abgeschafft werden. Die Leiharbeitnehmer_innen müssen deshalb die gleiche Bezahlung und Behandlung wie die Stammbelegschaft erhalten - und zwar ab dem ersten Tag und nicht erst nach neun Monaten, wie es der Koalitionsvertrag der Großen Koalition vorsieht. Nur so kann Leiharbeit auf ihre eigentliche Funktion zurückgeführt werden, nämlich Auftragsspitzen abzufedern und Personalengpässe zu überbrücken.

Doch nicht nur Leiharbeit wird von Unternehmen genutzt, um Löhne zu drücken. Mit Werkverträgen umgehen Firmen Tarifverträge und den ohnehin niedrigen Mindestlohn in der Leiharbeit. Dabei handelt es sich schon lange nicht mehr nur um wenige Schwarze Schafe. Die Unternehmen nutzen eine Lücke im Arbeitsrecht und senken die Löhne auf Kosten der Beschäftigten. Längst ist in manchen Branchen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Arbeitnehmer_innen entstanden. Selbst in der traditionsreichen Automobilindustrie stehen den  763 000 Stammbeschäftigten 100 000 Leiharbeitskräfte und 250 000 Werkvertragsbeschäftigte gegenüber. Das entspricht einem Verhältnis von fast zwei zu eins [1]. Wir Grünen fordern, dass Werkverträge besser von Leiharbeit abgegrenzt werden. Dazu wollen wir im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz klare Kriterien verankern und für effektivere Kontrollen sorgen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Große Koalition ihre schön formulierten Ankündigungen konkret ausgestaltet.

Minijobs ersetzen

Auch Minijobs sind in vielerlei Hinsicht problematisch. Anders als bei ihrer Einführung erhofft, bilden sie keine Brücke in reguläre Beschäftigung. Stattdessen sind Minijobs zur Sackgasse besonders für Frauen geworden. Aufstiegsperspektiven und der eigenständige Zugang zur sozialen Sicherung werden blockiert. Das Ergebnis: Altersarmut nimmt zu. Längst gibt es Branchen, in denen Minijobs zum Geschäftsmodell gehören und existenzsichernde Arbeitsverhältnisse verdrängen. Dies ist vor allem in kleinen Betrieben des Einzelhandels und Gastgewerbes, aber auch  im Gesundheits- und Sozialwesen der Fall.[2] Genau in diesen Bereichen sind häufig auch Niedriglöhne an der Tagesordnung. Der Handlungsbedarf ist deshalb groß. Um Geringverdiener_innen besser zu schützen, wollen wir Grüne einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro - und zwar schneller als 2017, wie es die Große Koalition plant, denn so besteht die Möglichkeit für Niedriglöhne noch weitere drei Jahre fort. Ansprüche auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall müssen auch für geringfügig Beschäftigte konsequenter durchgesetzt werden. Dies plant auch die Große Koalition, jedoch ohne die erforderlichen Verbesserungen bei den Rentenansprüchen für Minijobber_innen. Zentrales Ziel der Grünen ist es zudem, existenzsichernde Arbeit zu fördern, statt Minijobs  mit ihren bekannten Risiken und Nebenwirkungen weiter zu subventionieren. Hier fehlt Schwarz-Rot offenbar der Reformwille.

Befristungen einschränken

Eine weitere Spaltung findet sich zwischen unbefristet Beschäftigten und Beschäftigten, die nur einen befristeten Vertrag ergattern konnten. Davon betroffen sind häufig junge Menschen. Das Verhältnis ist aus den Fugen geraten. Insgesamt sind fast 50 Prozent der neu abgeschlossenen Verträge befristet. Wer sich aber von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangelt, der kann seine Zukunft schlecht planen. Wir fordern deshalb ein Ende der sachgrundlosen Befristungen. Denn eine Verbesserung in diesem Bereich wird von Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag nicht geplant.

Migrant_innen besser unterstützen

Seit nahezu zwanzig Jahren ist die Arbeitslosigkeit von Ausländer_innen etwa doppelt so hoch wie die von Deutschen.[3] Im November 2013 lag die Arbeitslosenquote von Ausländer_innen beispielsweise bei 13,9 Prozent, die von Deutschen mit 5,8 Prozent bei weniger als der Hälfte. Sie bleiben abgehängt, weil die guten Ausgangsbedingungen am Arbeitsmarkt nicht genutzt wurden. Um Menschen mit Migrationshintergrund bessere Chancen am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, muss die Umsetzung des Gesetzes zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse dringend verbessert werden. Im April wurde das "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen" ein Jahr alt. Im Vorfeld wurden von der Bundesregierung hohe Erwartungen geweckt: Bis zu 300.000 Migrant_innen sollten vom Anerkennungsgesetz profitieren. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes haben nach Schätzungen jedoch lediglich 30.000 Menschen einen Antrag auf Anerkennung ihres Abschlusses gestellt. Die bürokratischen Hürden und Kosten sind offenbar immer noch zu hoch. Große Lücken bestehen im Bereich der Nachqualifizierung für diejenigen, die einen Teilanerkennungsbescheid erhalten haben. Es fehlt an Weiterbildungsmaßnahmen und auch die Finanzierung stellt Antragsteller_innen vor zum Teil große Herausforderungen.

Bessere Chance für Menschen mit Behinderungen

Von der derzeitigen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt profitieren schwerbehinderte Arbeitslose kaum. Um ihren Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern, müssen die vorhandenen Instrumente – Lohnkostenzuschuss, Arbeitsassistenz, Unterstützte Beschäftigung, usw. – stärker als bisher eingesetzt werden müssen.  Außerdem wollen wir die Beschäftigungspflicht-Quote auf 6% der jeweiligen Beschäftigten erhöhen und die bisherigen Ausnahmen deutlich reduzieren bzw. abschaffen.

Zudem müssen die Übergänge von der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in den allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich stärker als bisher fördern. Die Arbeit in einer WfbM soll im Regelfall auf eine Tätigkeit im allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten, statt für 99% der Beschäftigten eine lebenslange Tätigkeit zu sein. Zu den neuen Aufgaben der WfbM soll auch die Beratung und Betreuung von Arbeitgeber und ehemaligen Beschäftigten zählen. Für viele bisherige Beschäftigte wird der Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit Hilfe dauerhafter Lohnzuschüsse möglich sein. Die Möglichkeit hierfür wollen wir Grüne durch die Verzahnung von Leistungen der Arbeitsagenturen und der Eingliederungshilfe schaffen. Nicht zuletzt müssen sich die Werkstätten auch für Menschen öffnen, die bisher als „nicht werkstattfähig“ galten.

Spaltung beginnt schon beim Einstieg

Nicht nur der Arbeitsmarkt ist gespalten, sondern auch der Ausbildungsmarkt. Über eine Viertelmillion junger Menschen landet jedes Jahr im sogenannten Übergangssystem anstatt in Ausbildung. Im Ausbildungsjahr 2012 waren es zwar weniger Jugendliche als in den Vorjahren, aber immer noch 270.000.[4] Das sind 30 Prozent der rund 900.000 Abgänger_innen aus allgemeinen und beruflichen Schulen, die den Ausbildungsmarkt betraten. Ein Viertel dieser knapp 270.000 jungen Menschen haben einen Realschulabschluss oder sogar einen noch höheren Schulabschluss. Gut die Hälfte hat einen Hauptschulabschluss, nur rund 20 Prozent haben keinen Schulabschluss. Diese Zahlen zeigen den enormen Handlungsbedarf. Hier liegt ein gigantisches Fachkräftepotenzial brach.

Der Einstieg ins Berufsleben ist für die weiteren Erwerbschancen entscheidend. Das duale Ausbildungssystem ist mittlerweile zu einem deutschen Exportschlager geworden. Und das zurecht. Denn die enge Verzahnung von schulischen Elementen und betrieblicher Ausbildung hat sich bewährt. Allerdings stößt das duale System hierzulande an seine Grenzen. Immer häufiger bleiben Lehrstellen unbesetzt. Die Zahl der ausbildenden Betriebe geht zurück. Gleichzeitig steigt die Zahl der Schulabgänger_innen, die keinen geeigneten Ausbildungsplatz finden. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wirklich alle jungen Menschen eine berufliche Perspektive erhalten. Denn eine gute Ausbildung ist der beste Grundstein für gute Chancen am Arbeitsmarkt. Im Jahr 2011 waren jedoch 2,2 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss. Von den 25- bis 35-Jährigen hatten 1,5 Millionen keinen Abschluss. Das sind 16 Prozent der Altersgruppe [5].

Dual Plus – Ausbildung mit Garantie

Um das Recht auf Ausbildung faktisch umzusetzen, müssen die Übergänge von Schule in Ausbildung verbessert werden. Das grüne Konzept DualPlus[6] liefert Lösungen. Anstatt weiterhin drei bis vier Milliarden Euro jährlich für ein unsinniges Warteschleifensystem auszugeben, das für viel zu viele Jugendliche zur Sackgasse wird, wollen wir mit DualPlus echte Ausbildungsplätze nach dem dualen Prinzip schaffen. Wir wollen allen Altbewerbern eine Berufsausbildung ermöglichen, lernschwächere Jugendliche gezielt individuell fördern und auch Jugendlichen mit Behinderungen zusätzliche Zugänge zur dualen Ausbildung eröffnen.

Solidarisch, inklusiv, verlässlich – der Grüne Soziale Arbeitsmarkt [7]

Unser Land ist auch eine Hochburg der Langzeitarbeitslosigkeit; auf internationaler Ebene wird dieser Fakt beispielsweise von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) heftig kritisiert. Und tatsächlich: Rechnet man die Summe der offiziell gezählten und der statistisch versteckten Langzeitarbeitslosen zusammen, dann ist ihre Zahl von 2009 bis 2012 nicht nennenswert gesunken [8]. Diese Bevölkerungsgruppe hat nicht vom Aufwärtstrend profitiert.

Schwarz-gelbe Ausgrenzung und Schwarz-rote Fortsetzung?

Unter der schwarz-gelben Regierung ist die soziale Spaltung fortgeschritten. Sie hatte die schwer Vermittelbaren abgeschrieben und setzte darauf, dass sich bei einer insgesamt guten Entwicklung am Arbeitsmarkt keiner mehr für diese Menschen interessiert. Das ist ein zynisches Kalkül, das sowohl die individuellen als auch die gesellschaftlichen Folgen ignoriert. Diese Absage an Solidarität und Teilhabe  machen wir nicht mit.  Kein Mensch darf dauerhaft von Arbeit abgehängt bleiben. Denn in einer Gesellschaft, in der sich Teilhabe, Selbstwertgefühl und Anerkennung zu einem Gutteil aus der Erwerbsarbeit speisen, ist das stigmatisierend und ausgrenzend. Wir wollen eine inklusive Gesellschaft mit einem inklusiven Arbeitsmarkt. Ein Baustein dafür ist der Soziale Arbeitsmarkt.

Wir beziehen uns dabei auf zahlreiche Analysen und Diskussionen auch außerhalb der Grünen. Inzwischen setzen sich viele Wissenschaftler_innen, Praktiker_innen, Gruppen, Verbände und Institutionen für einen Sozialen Arbeitsmarkt ein. Auch die SPD fordert ihn seit geraumer Zeit. Trotzdem ist davon im Koalitionsvertrag kein Wort zu finden.  Das ist für viele Betroffene eine persönliche Katastrophe, denn sie müssen davon ausgehen, auch in den nächsten vier Jahren keine Chance zu bekommen.

Abgehängte in  Deutschland

Im Jahr 2012 waren mehr als eine halbe Million Menschen bereits länger als zwei Jahre und mehr als 300.000 von ihnen sogar schon mehr als drei Jahre arbeitslos. Forscher der Hochschule Koblenz bezifferten jüngst die Gruppe der Menschen, die auf absehbare Zeit keine Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung haben, auf 435.000 [9]. Damit auch diese Gruppe wieder in reguläre Beschäftigung kommen kann, sind häufig aufwändige Maßnahmen notwendig, die oft über einen längeren Zeitraum verfolgt werden müssen. Doch hierfür stehen weder die erforderlichen Mittel noch die geeigneten Förderwege zur Verfügung.

Bei der Reform des arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkastens - also der Fördermöglichkeiten nach den Sozialgesetzbüchern II und III - wurden die spezifischen Bedarfe der besonders schwer vermittelbaren Arbeitslosen außer Acht gelassen. Diejenigen, die eine Perspektive jenseits des Arbeitslosengeld-II-Bezugs benötigen, leiden zudem unter den häufig wechselnden und nur kurzfristig angelegten Programmen bei der geförderten Beschäftigung. Bei der gerade aktuellen „Bürgerarbeit“ zeigen sich die Probleme exemplarisch: Sie ist nur für drei Jahre finanziert, unspezifisch in der Zielgruppe und mit dem sogenannten Zusätzlichkeitsgebot für die angebotenen Arbeitsstellen versehen. Das hat in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dass die ausgeübten Tätigkeiten arbeitsmarktfern bis an die Grenze zur Sinnlosigkeit waren.

Grünes Gegenmodell

Mit unserem Sozialen Arbeitsmarkt machen wir ein neues und zuverlässiges Angebot.

· Der Soziale Arbeitsmarkt wird gesetzlich verankert und baut auf dem bestehenden § 16 e SGB II auf. Wir ziehen neben die vorhandene Möglichkeit der Förderung von Arbeitsplätzen dauerhaft eine zusätzliche Säule ein. Damit wird die bereits existierende Förderung von Arbeitsentgelten bis zu 75 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts um die Option einer Förderung bis zu 100 Prozent ergänzt. Die Höhe des Zuschusses ist als Nachteilsausgleich konzipiert, richtet sich also nach der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Arbeitslosen.

· Der Grüne Soziale Arbeitsmarkt ist für alle Tätigkeiten bei allen Arbeitgeber_innen offen. Damit verabschieden wir uns u.a. von dem Prinzip der Zusätzlichkeit, das seine Praxistauglichkeit nie überzeugend unter Beweis stellen konnte. An dessen Stelle tritt der lokale Konsens als Voraussetzung für die 100-Prozent-Förderung. Den Konsens schmieden müssen die relevanten Arbeitsmarktakteure vor Ort. Das sind die Gemeinden, Kreise und Bezirke, die Träger der freien Wohlfahrtspflege, die Vertreter_innen der Arbeitgeber_innenverbände und der Gewerkschaften sowie die Kammern und berufsständischen Organisationen gemeinsam mit den Jobcentern. Sie stimmen in Kenntnis der örtlichen Lage den Arbeitsverhältnissen im Sozialen Arbeitsmarkt zu. So kann ein gesellschaftlich akzeptierter Beschäftigungsbereich entstehen, der einerseits sozialintegrativ wirkt und andererseits eine Brückenfunktion in den regulären Arbeitsmarkt übernimmt. Denn auch wenn wir das Angebot längerfristig ausgestalten -  der Soziale Arbeitsmarkt soll keine Sackgasse sein. Die Beschäftigungsverhältnisse bieten den Teilnehmenden verlässliche Strukturen, ermöglichen deren soziale Stabilisierung und bieten perspektivisch einen Übergang in den regulären Arbeitsmarkt.

· Die Teilnahme am Sozialen Arbeitsmarkt beruht auf Freiwilligkeit. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wendet er sich an über 25-Jährige, da wir jüngere Arbeitslose vorrangig in eine Ausbildung vermitteln wollen. Vorausgesetzt wird eine besonders lange Arbeitslosigkeit von mindestens 24 Monaten sowie eine besonders komplexe Problemlage. Um sicherzustellen, dass wirklich die richtigen Personen vom Sozialen Arbeitsmarkt profitieren, haben wir ein sorgfältiges Auswahlverfahren vorgesehen. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen sowie das Erreichen der Zwischenziele werden regelmäßig überprüft.

· Im Sozialen Arbeitsmarkt stehen die individuellen Vermittlungshemmnisse der Arbeitslosen und ihre Wege aus der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt, denn nur mit einer auf den Einzelfall abgestimmten Integrationsstrategie kann ihnen nachhaltig geholfen werden. Denn eines hat sich inzwischen gezeigt: Mit Standardmaßnahmen ist hier kein Blumentopf zu gewinnen, im Gegenteil: Sie haben sich nicht selten als Quelle von Frustration und Resignation erwiesen. Darum setzen wir auf sinnvolle Beschäftigung, aber auch auf spezifisch zugeschnittene weitere Angebote der Betreuung, Beratung und Förderung; beispielsweise auf sozialpädagogische Betreuung, Maßnahmen zur Gesundheits- oder zur Sprachförderung.

· Der Grüne Soziale Arbeitsmarkt schafft eine verlässliche Planungsgrundlage für die Betroffenen, für die Jobcenter, aber auch für die Arbeitgeber_innen.  Das liegt zum einen an der flexibel angelegten Förderdauer, zum anderen an der Installierung des Passiv-Aktiv-Transfers. Damit werden statt passiver Leistungen bei Langzeitarbeitslosigkeit (wie Arbeitslosengeld II und Unterkunftskosten) Zuschüsse zum Arbeitsentgelt für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gewährt. Anstelle von Arbeitslosigkeit wird Arbeit finanziert.

Um diesem Modell zum Erfolg zu verhelfen, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen, auch bei der Finanzierung. Klar ist: Der Soziale Arbeitsmarkt trägt sich nicht allein über den Passiv-Aktiv-Transfer, sondern erfordert weitere Mittel des Bundes. In Anbetracht des volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzens sind diese Investitionen aber erforderlich.

Wir gehen davon aus, dass alle Menschen Potenziale haben, die geweckt, gestärkt und ausgebaut werden können. Wie das geschieht, welche begleitenden Maßnahmen dafür notwendig sind und wie lange dieser Prozess dauert – all das hängt von den einzelnen Personen ab. Wir können auch mit dem Sozialen Arbeitsmarkt nicht unbedingt mit schnellen Erfolgen bei der Integration in den ersten Arbeitsmarkt rechnen, aber über kurz oder lang kann darüber auch der Wiedereinstieg in reguläre Beschäftigung gelingen. Und die Teilhabe-Rendite für die Betroffenen erschließt sich sofort.

 

[2] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 2012. IAB-Kurzbericht. Geringfügige Beschäftigung in deutschen Betrieben. Umstrittene Minijobs, Nürnberg.

[3] vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Nationaler Aktionsplan zur Umsetzung des Nationalen Integrationsplans, September 2011, S.5

[4] Bundesministerium für Bildung und Forschung. 2013. Berufsbildungsbericht 2013, Bonn. (http://www.bmbf.de/pub/bbb_2013.pdf)

[5] Bundesagentur für Arbeit. 2013. Die Arbeitsmarktsituation jüngerer Menschen ohne Berufsabschluss. Broschüre der Arbeitsmarktberichterstattung, Nürnberg. (http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Personengruppen/generische-Publikationen/Juengere-Menschen-ohne-Berufsabschluss-2011.pdf)

[6] Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 2012. Antrag. Mit DualPlus mehr Jugendlichen und Betrieben die Teilnahme an der dualen Ausbildung ermöglichen. Bundestagsdrucksache 17/9586, Berlin.

[7] Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 2013.  Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarktes. Bundestagsdrucksache 17/11076, Berlin.

[8] Bundesagentur für Arbeit. 2013. Arbeitsmarkt 2012, Nürnberg.

[9] Obermeier, Tim; Sell, Stefan und Tiedemann, Birte. 2013. Messkonzept zur Bestimmung der Zielgruppe für eine öffentlich geförderte Beschäftigung. Methodisches Vorgehen und Ergebnisse der quantitativen Abschätzung (= Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 14-2013), Remagen.

 
 
 

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